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Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Der Kaiser Friedrich

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Die Saalnixen Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Der Hofhalt im Kiphäuser
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[249]
386.
Der Kaiser Friedrich.

Kaum ist, neben der Wartburg, ein thüringisches Bergschloß mehr und schöner von der Sage des Volkes gefeiert, [250] als die Burg Kiphausen oder Kifhausen, ja selbst die deutsche Mythe schmückt diesen wundersamen Bergscheitel und seine Umgebung, und erhebt ihn zu einem ihrer Träger, zu einer der weitvoneinander gelegenen Säulen ihres großen Tempels, die durch ganz Thüringen vereinzelt stehen. Wilde Heerzugsage, Zwergsage, Rittersage, Bergwerks- und Venezianersage, alle sind hier vereinzelt zu finden, und zwar wundersam durcheinander gemischt. In den Vorgrund aller aber tritt die Sage von dem in den Schoos des alten Bergschlosses verzauberten Kaiser. Das war Friedrich I., zubenamt der Rothbart, der war vom Papst in den Bann gethan, und las kein Priester mehr ihm die Messe, und that sich keine Pforte einer Kirche oder Kapelle vor ihm auf, so gewaltig war zu seiner Zeit die geistliche Macht, und wäre derselben auch nichts lieber, als wiederum so gewaltig zu werden. Da mochte der Kaiser Friedrich nicht mehr auf der Welt sein, und legte ein Gewand an, das ihm aus dem Lande India verehrt worden, nahm ein Fläschchen mit duftendem Wasser zu sich, bestieg sein Lieblingsroß, und ritt in einen dunkeln tiefen Wald, und es folgten ihm nur wenige seiner getreuen Wappner. Im Walde drehte Kaiser Friedrich ein Wunschringlein, das er am Finger trug, und wünschte sich weg von der Welt, und entschwand dem Angesichte der seinen, und ward nie wieder gesehen. Nach anderer Sage aber habe er seine Wappner und auch seine Tochter und deren Hoffräulein, auch manchen Gezwerg allzumal mit hinab gewünscht in einen Berg, und das sei der Kiphäuser, wiewol auch Berge anderer Länder als der Sitz des unterirdischen Kaiserhofhaltes genannt werden, so der Untersberg bei Salzburg in Oesterreich, ein Berg bei Kaiserslautern und [251] noch andere. – Schon in frühen Zeiten nach des Kaisers verschwinden sagten alte Leute, Kaiser Friedrich lasse sich zu Zeiten sehen, als ein Waller oder Pilgrim, etwa wie der ewige Jude, oder es seien einzelne Menschen von Gezwergen in den Schooß der unterirdischen Kaiserburg hinabgeführt worden, die haben den Kaiser im Halbschlummer träumend nicken sehen, an einem Steintisch sitzend, um dessen Fuß sein rother Bart schon zweimal herumgewachsen. Und der Kaiser habe selbst gesagt, er harre einer Zeit: wann sein rother Bart zum drittenmale um den Stein reiche, und die Raben nicht mehr um die graue Warte der Kaiserburg fliegen würden, da wolle er aufstehen und wiederkehren, und aufs neue gewaltig werden. Des deutschen Reiches versunkene Herrlichkeit wolle er dann glorreich erneuern, – er wolle das thun, daß andere es machen sollten, irgendwo, das hat er nicht gesagt – er wolle das heilige Grab aus Heidenhand befreien, die Uebermacht der Pfaffheit störend brechen, und nach einer großen Siegesschlacht seinen Schild hangen an den Ast eines dürren Birnbaumes, der dann wieder üppig grünen solle. Er wolle das Reich an Frieden reich machen, treu seinem Namen, für alle gleiches Recht erstreiten. Und gar oft, so ging die fernere Sage, habe der alte Kaiser, wenn jemand von der Oberwelt ihm genahet, gefragt, ob die Raben noch um den Thurm fliegen? und wenn, wie immer, die Antwort lautete: Ja, sie fliegen noch, so habe er seufzend geantwortet: So muß ich aber hundert Jahre schlafen! – und sei alsbald wieder in seinen Zauberschlummer versunken. Das Volk aber harrte von einem Jahrhundert zum andern treugläubig auf des alten Heldenkaisers Wiederkehr, und gab der grauen, rabenumflogenen [252] und sturmumbrausten Warte seinen Namen: Kaiser Friedrich.