Zum Inhalt springen

Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Das stille Kind

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Der Kindertanz Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Das Sibyllenthürmchen
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[312]
430.
Das stille Kind.

Im Frühjahre 1677 und zwar im Märzmonde wurde in der Nähe von Erfurt ein Kind gesehen, das allen Leuten, so es sahen, sehr wunderbar vorkam. Dasselbe erschien dem Ansehen und Alter nach als ein Mägdlein von 10 Jahren; es trug ein ganz weißes Kleid, hatte die Haare in Zöpfe geflochten und sah im Gesichte sehr bleich aus. Es schritt durch die Flurmarkungen von [313] Alach und von Bindersleben, und sprach beständig mit sich selbst, aber niemand konnte verstehen, was dieses räthselhafte Kind redete. In der Hand hielt es ein braunrothes Stäbchen, und schlug damit, indem es durchs Getreide oder über die Wiesen ging, die Blumenhäupter ab, so daß man solche aller Orten herum liegen fand. Wenn jemand diesem Kinde, dessen Erscheinung so unheimlich, war, nachzugehen versuchte, so wandelte ihn ein solches Grausen an, daß er zurückbleiben mußte, und eben so erging es denen, welche es wagten, dem stillen Kinde entgegen zu gehen oder es anzureden. Solches Kind ist eine Reihe von Tagen hinter einander erblickt worden, und dann spurlos wieder hinweggekommen.