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Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Wichtlein im unteren Werrathale

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Der Sprung vom Hellerstein Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Der Wichtlein Überfahrt
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[110]
70.
Wichtlein im untern Werrathale.

In dem ganzen Thalgebiete der Werra, da wo die Hörsel in dieselbe einmündet, kommt die mythische Trias, der Hulda, der Wichtlein und der wilden Jagd abermals zu mannichfaltiger sagenhafter Erscheinung. Schon in Mitten der Wegstrecke zwischen Tiefenort und Berka an der Werra liegen die Hulden-Berge. In den sogenannten Göhringer Steinen läßt die örtliche Sage eine Hulda als Wasserfeine in einer Krystallgrotte wohnen, und mit Wichtlein bevölkert sie das Werrathal [111] schon von Gerstungen an, über Berka herab, dann über Sallmannshausen und Hörschel bis Spichra. Der wilde Jäger heißt in dieser Gegend nicht Wode, obschon der Namensklang des nicht allzufern im Hörselthale liegenden Dorfes Wutha, das 1170 noch Wutensberc hieß, lebhaft an ihn erinnert, sondern er heißt Elbel, ein so rein mythischer Name, daß er keiner erklärenden Deutung bedarf. Nur der anderorts hervortretende Zug, daß der wilde Jäger die Wichtlein jagt und verfolgt, scheint in dieser Gegend zu fehlen, kann aber auch unversehens noch aufgefunden werden. In Gerstungen im Schlosse ist ein schöner Pferdestall, allein es hält darinnen kein Pferd aus, sie werden wüthend, schlagen aus, schäumen, bäumen sich, zerreißen Ketten und Halftern. Es wohnen Wichteln unterm Stalle, das ist die Ursache, denn zwischen Pferden und diesen Geistern besteht Feindschaft. Reitet doch der Wode, der die Wichtelmännlein und Wichtelweiblein jagt und ist doch Rache der Grundzug im Charakter der ganzen dämonischen Welt. Einem Bauer im obenerwähnten Dorfe Dankmarshausen fiel ein Pferd nach dem andern, und dem Manne drohte die Gefahr, an den Bettelstab zu gelangen. Als er eines Abends über die Hausflur ging, hörte er ein Flüstern unter einer umgestülpten Wanne. Als er darunter sah, gewahrte er vier Wichtlein, welche aus einem in der Flur stehenden Backtroge Teig genommen hatten, und Brot daraus kneteten. Knete zu, knete zu! sprach einer zum andern, und der Bauer sah verwundert zu und schwieg. Ein anderer hätte vielleicht gescholten. Weißt Du auch, Mann, warum Deine Pferde fallen? fragte das älteste Wichtelmännchen. Ich will Dir’s sagen, daß Du es weißt. Weil wir unter dem Stalle wohnen, und weil [112] wir die Pferde hassen. Bringe Deine Pferde in einen andern Stall, so werden sie vor uns Ruhe haben. Freudig befolgte der Bauer diesen Rath und die Wichtlein blieben bei ihm, waren ihm im Haushalt förderlich und hülfreich, und er wurde durch sie der reichste Mann in Dankmarshausen.