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Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Wasungens Alter und Sonstiges

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Metzels Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Die ungetreue Brücke
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[82]
52.
Wasungens Alter und Sonstiges.

Das Städtchen Wasungen ist von hohem Alter; es wird schon im Jahre 874 Vasungin genannt. Zahlteiche Wüstungsnamen in der Umgebung und Feldflur deuten nach früher Bevölkerung aus einer Zeit, in welcher erstere mehr in Einzelgehöften, als in Ortschaften gedrängt, das Land bewohnte und bebaute. Kaiser Albrecht verlieh 1307 der Stadt die Rechte der damals freien Reichsstädte Schweinfurt und Gelnhausen, und erhob das gräflich hennebergische Landgericht daselbst zu einem frei-kaiserlichen. Auch [83] mit Juden war in früherer Zeit das Städtlein wohlversehen, wovon noch der „Judengarten“ zeugt. Kleinstädtisches Gebahren einerseits und der Nachbarschaft stets wache Spott- und Neckelust erhob auch Wasungen zu einer deutschen Lalen- und Schildbürgerstadt, und trug nicht nur alle bekannten und im Volksbuche gesammelten Lalenstreiche auf seine Bewohner über, sondern ersann auch neue, die zwar nicht gern gehört werden, indeß muß sich Wasungen mit dem ebenfalls meiningenschen Städtchen Ummerstadt, mit dem pfälzischen Bensheim und Zwingenberg, dem westfälischen Beckum, mit Schöppenstädt, Polkwitz, Anweiler, Triefels, Weilheim, Bopfingen, Ganslos und so vielen andern Städtlein und Orten trösten, denen es nun einmal ihre Nachbarn nicht besser machen. Vor mehr als hundert Jahren schrieb schon ein hennebergischer Geschichtsforscher das Folgende wörtlich nieder, als er Wasungens gedachte: „Im übrigen ist niemanden leicht im Hennebergischen unbewußt, daß allerhand possierliche Schwänke und Histörigen von denen Bürgern zu Wasungen erzählt werden, welche eine ziemliche Verwandtschaft mit denen in Meißen berühmten Schildbürgers-Geschichten haben.“ Nun, die Wasunger sind es nicht allein, welche die Eselseier des lächerlichen ausbrüten, es wird auch an höher gelegenen Orten bisweilen vieles des lächerlichen und dummen ausgeheckt. So ertheilte ein Hutreceß vom Jahre 1578 die Erlaubniß, daß der Wasunger Ziegenhirte mit seinen Ziegen „zur Winterszeit den Schloßberg und die Hunnenburg betreiben dürfe.“ Welches Futter die armen Ziegen zur Winterszeit an diesen ohnehin kahlen Berggeländen abweiden sollten, verschwieg die hochweise Verordnung. Daß einstmals die Wasunger einen galgenreifen Gauner nicht an ihren Galgen [84] henken sehen wollten, weil dieser „für sie und ihre Kinder und Kindeskinder“ sei, und ihm ein Stück Geld gaben, sich dafür henken zu lassen, wo er wollte, war gar nicht so unweise gedacht, und ist solches kluge Mittel Anno Achtundvierzig in manchem Staate probatum befunden worden. Bei einem solchen „fort mit Schaden!“ liegt der Nutzen auf der Hand. Daß die Wasunger sich auf Quarkkäse setzten, in der Meinung, es seien Eier arabischer Pferde, und dergleichen ausbrüten wollten, dürfte wohl auch anderwärts in alter und neuer deutscher Geschichte ein vielfach wiederholendes Echo finden, selbst wenn jene Eier nur einfache Eselseier, wie eine Variante dieser Sage will, hätten sein sollen. An dem Römhilder Aalfang (s. Sage 35.) erinnert die Jagd der Wasunger auf den in der übergetretenen Werra daher geschwommenen braunen Hirsch, nach dem weidlich geschossen und gefangen wurde; als man endlich den Hirsch, der seine vier Beine kerzengerade gen Himmel streckte, am Ufer hatte, war’s ein – alter Waschtisch. So auch jene Jagd, als ein Wasunger in der Dämmerung auf dem Wege ein schwarzes, unheimliches, kugeliges Ungethüm liegen sah, heim eilte, die Wehr zusammenrief, und nun die Mannschaft auszog mit Laternen, Spießen, Heugabeln, Stangen und Stöcken, auch Musquetonen und Luntenbüchsen, um das Gethüm zu bewältigen, das so groß sein sollte, wie ein Wagenrad, und stachlig, wie ein Igel, und Zähne haben, wie ein Hecht, und Glotzen, wie Karfunkel. Nach dem ersten Schuß platzte zersprützend das Ungethüm und die Mannschaft schrie frohlockend: Sett all daher! Jetzt hats den Gift fahren gelassen! – und nun drauf. Bei Licht besehen war aber das Ungethüm gar nicht so groß wie ein Wagenrad, sondern nur so groß [85] wie ein Schweinsmagen, es hatte auch keine Glotzen wie Karfunkel, sondern gar keine Augen, auch keine Stacheln, sondern eine glatte Haut, es war auch kein Ungethüm, sondern eine höchst friedlich gesinnte Schlackwurst, ein Schwartenmagen, den ein Bauer verloren hatte. Die alte, ewig sich verjüngende Mär vom kreisenden Berge. Wie die Katze aus Furcht schnell wieder über das Weichbild zurückgeschickt wurde, weil man ihr auf die Frage, was sie fresse, nachgesagt, sie fräße alles – wie der Gastwirth dem Gaste, der zur Bequemlichkeit ein Paar Pantoffeln zu haben, nebenbei aber auch einen Wasunger Streich zu gewahren wünscht, die Pantoffeln aus des Gastes eigenen Stiefeln schneidet – wie die Ehrenpforte, weil es regnete, statt Regenschirmes über den hindurchziehenden Fürsten getragen wurde – wie bei derselben Gelegenheit der Bürgermeister den Bürgern sagte: Ihr thut, was ihr mich Thun seht, und sich alle gegen die Wand kehrten, weil jenen dazu ein Bedürfniß nöthigte, und so alle, da in diesem Augenblick der Fürst kam, mit dem Rücken Front machten, hat vielleicht tieferen Sinn, als mancher ahnet, der darüber lacht, und ist nur ein Sinnbild; denn zu Zeiten macht gar manche Schildbürgerschaft ihrem Fürsten und ihrer Oberherrschaft ein widerhaariges Kehrt, die Signatur der Untreue. – Ganz vor kurzem ists geschehen, daß eine Wasunger Köchin ihrer Herrschaft weiche Eier sieden sollte. Sie brachte die Eier hart gesotten auf den Tisch. Ei! sprach die Frau, die Eier sind ja hart! „Nu, se hunn doch lang genung gekoicht –“ erwiederte die Köchin: – es wern ahle (alte) sinn – ech will se noch emal ins Töpfe thu, un tüchtig koich.“