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Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Von Freischützen und Zigeunern

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Bergschätzesagen um Altenstein, Steinbach und Liebenstein Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Hexen-Steinbach
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[254]
133.
Von Freischützen und Zigeunern.

Wald- und wildreiche Gegenden hegen häufig die Jägersage: dieß ist auch bei der um Liebenstein, Steinbach und Altenstein der Fall, und eigenthümlich genug weisen und deuten diese Sagen selten über die Zeit des dreißigjährigen Krieges. Dessen Tracht ist die vorherrschende bei spukhaften Jägergestalten, in der auch der gewaltige Seelenjäger, der Teufel selbst erscheint. Zigeuner gelten häufig als Teufelsbändner, die Hexen sind es anerkanntermaßen ohnehin, und die nichtsnutze dreißigjährige Kriegslandplage Deutschlands, die Croaten, die den Teufel völlig im Leibe hatten, treten nicht selten ebenfalls in diesen ziemlich bestimmt umgrenzten Sagenkreis ein.

Nach Steinbach kam einmal ein Fremder, der wurde dort krank, erhielt aber gute Pflege, und ehe er den Ort verließ, sprach er zu dem Manne, bei dem er gelegen, er möge mit ihm kommen, er wolle ihm zum Danke zu einem feisten Hirsche verhelfen. Der Mann folgte, nahm [255] aber auch seine beiden Söhne mit, denn er mochte sich etwa nicht recht trauen, mit dem Fremden allein zu gehen. Die Männer und Bursche gingen nun hinauf ins Birkicht, und der Fremde bedeutete sie, sie möchten jetzt ganz stille sein, und auch still stehen bleiben, sobald er seine Mütze fallen lasse. Bald darauf that er letzteres, stand, legte an, zielte, schoß. Keiner sah ein Wild – jener aber, als sie fragten, weshalb und nach was er geschossen habe, antwortete: Der Hirsch liegt. Dann führte er die Gefährten weit und tief in das Dickigt, und da lag ein frischgeschossener Hirsch, und war aufs Blatt getroffen. Der Mann war ein Freischütze. Der alte Schmieds Sömme (s. S. 132) war auch einer. Einmal saß er auf Wild spannend im Atterod, da fuhr der Teufel durch die Luft, und der alte Sömme schoß nach ihm, und traf ihn so, daß er ein Faß Branntwein, den der Teufel vor kurzem erst in dieser Gegend erfunden hatte, herunter fallen lassen mußte. Dem Sömme that nur leid, daß das Fäßchen vom Sturz entzwei ging.

In Gumpelstadt, 1 Stunde von Altenstein, lebte ein Wildschütz, Namens Kaiser, der war in der ganzen Gegend gefürchtet. Er nahm seine heimlichen Jagdgänge meist in die Ruhlaer und Wilhelmsthaler Forste, und war den Förstern und deren Gehülfen äußerst verhaßt und zuwider. Sie lauerten ihm häufig auf, konnten ihm aber nie etwas anhaben, weil er sie durch Freischützenkünste verblendete. Oft waren sie dagegen in seiner Hand, im Bereich seiner Kugel, doch war nicht Menschenmord des Wildschützen Sache. Nur bisweilen ein kleiner Denkzettel, ein Schreckschuß, damit jene wußten, der Kaiser ist noch wohlauf. Da war ein Jägerbursche in der Ruhl, Namens [256] Witsch, auf den hatte es der Kaiser absonderlich abgesehen, der nie anders als mit Freikugeln schoß. Bald nahm eine solche, niemals fehlende Kugel dem Witsch die Mütze vom Kopf, bald fuhr sie ihm durch den Rock, einmal, als er es recht eilig hatte, und nach einer Stelle lief, wo er den Kaiser vermuthete, streifte ihm eine Kugel die Ferse. Da wandte der Witsch auch Freikugeln an, und zeichnete sie. Ehe er sichs versah, fand er eine solche Kugel, die er nach dem Kaiser abgeschossen, in seiner Schnupftabaksdose wieder, denn der Kaiser fing jede nach ihm geschossene Kugel mit dem Hute auf, und zauberte diese dann an jeden andern beliebigen Ort. Da aber der Witsch dem Kaiser dadurch mehr und mehr aufsässig wurde, so machte letzterer jenen einmal im Walde fest, bindet ihn, prügelt ihn durch, und läßt ihn gebunden im Walde liegen, wo er durch Hunger, Durst und Ungeziefer die grimmigste Pein erdulden mußte, bis endlich Weiber ihn fanden, die ins Streuzeug gegangen waren. Nun wurde mit allem Ernst von der Jägerei in der Ruhl auf den Kaiser gefahndet, und am hohen Kiesel, einem Bergkopfe zwischen der Ruhl und Waldfisch wurde der Wildschütz endlich gefangen und nach der Ruhl gebracht. Man setzte ihn fest, und am folgenden Morgen saß er wieder ruhig daheim in Gumpelstedt beim Warmbier, als man ihn zum Verhöre in das Amt abführen wollte, und statt seiner – einen Strohwisch fand.

Zigeuner kamen sonst oft in diese Gegend, die weiten Waldstrecken boten dem Wandervolke lustige Gehege. Auch sie übten Freischützen- und sonstige Zauberkünste, wahrsagten, bettelten und stahlen nebenbei. So lange die gute Jahreszeit es irgend litt, übernachteten sie in keinem Hause, [257] einmal aber war das Herbstwetter gar zu schlimm, da kam eine Bande nach Steinbach, und bat flehendlich um ein Obdach. Da war ein altes gutmüthiges Bäuerlein, das Reeschen (Andreschen) geheißen, der nahm sie auf, und gönnte ihnen, die Nacht in seiner Scheune, in der die ganze Aernte lag, zuzubringen. Wie erschrak aber das gute Reeschen, als die Leute schreiend durcheinander liefen, und ihm ansagten: die „Ziehüner“ hätten mitten in der Scheune ein Feuer angemacht, das bis hinauf zum Bärn lohe. Und dem war wirklich so, aber wie nun das Reeschen die Zigeuner wüthend schalt, so bedeuteten ihn diese, er möge ganz außer Sorgen sein, die Zigeuner haben Macht über das Feuer, das dürfe kein Getraidestroh oder Heu anbrennen. Zum Beweise dessen nahmen sie ein Paar Schütten Stroh auf eine Heugabel, hielten sie mitten in das lodernde Feuer, besprachen dieß in ihrer kauderwälschen Sprache, und siehe da, es brannte kein Halm an. Weiter sagten die Zigeuner: So lange wir in einem Dorfe sind, kommt in demselben nie ein Brand aus, auch wollten sie dem Reeschen sein Haus und seine Scheuer zum Danke für seine Aufnahme also besprechen und bewahren, daß beide nie in Feuer aufgehen könnten, und wenn auch rings um sie das ganze Dorf abbrenne.

Croaten spuken in der Ruhl, wie in der Nähe von Altenstein. Ueber den „Croatengräbern“ bei Waldfisch am Walde erwachen alle sieben Jahre die in einer Schlacht zwischen Schweden und Croaten gefallenen Krieger unter Schlachtgetöse, in der Mitternachtstunde des Schlachttages, und kämpfen erbittert mit einander, bis die Glocke Eins schlägt. Auch bei der „Siegwiese“ und am „Haderkopf“ fiel eine Schlacht vor, davon so viel Blut der Schweden [258] und Kaiserlichen den Boden bedeckte, daß er noch immer roth davon ist, und „die Röthe“ heißt. Alle 7 Jahre erscheint dort ein Reiter-Officier, der nachsieht, ob eine von ihm vergrabene Kriegskasse noch in der Erde steht? Womit er nachsieht, weiß man so eigentlich nicht, denn er hat keinen Kopf.