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Tagebuch 1841 2

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Titel: Tagebuch 1841 2
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aus: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jg., Band 1, S. 67–68
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1841
Verlag: Herbig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Band 1: SUUB Bremen = Commons
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Tagebuch.
Göthe und die Flamänder.


Kaum haben wir die Uebersetzung des Egmont angekündigt, da kömmt uns von Antwerpen die Nachricht zu, daß man eine flamändische Uebersetzung des ganzen Göthe beabsichtige. Wir zweiflen an der Möglichkeit der Ausführung, und offen gestanden, wir rathen auch nicht dazu. Jede Nation hat gewisse Geister, in welchen sich ihr Erziehungsprozeß spiegelt. Die deutsche Literatur ist an Göthe herangewachsen, und darum interessirt sie Alles, was dieser Geist hervorgesprudelt, seine Sünden wie seine Tugenden, seine Mannheit wie seine Kindheit. Die Gesammtwerke von Göthe haben hunderttausende von Zeilen, die, wenn sie aus einer andern Feder geflossen wären, dem Papierkorbe zugeworfen würden. Aber zur Geschichte Göthes, sind sie wichtig! Sie sind nicht das Eigenthum der Poesie, sondern das Eigenthum der Geschichte, welche die Consequenzen eines ihrer größten geistigen Helden aus seinen Verirrungen studiert. Es sind wichtige Aktenstücke, die seiner Nation angehören. Die flamändische Literatur muß Ganzes, Fertiges übersetzen, aber nicht Archiv-Materialien. Sie übersetze die Hauptwerke Göthe’s, den Tasso, den Faust, den Götz, den Egmont, die Wahlverwandschaften, den Meister, Herrmann und Dorothea etc., aber es wäre unzweckmäßig, ja sogar schädlich, wollte sie alle Reliquien, welche die deutsche Pietät für einen ihrer Hohenpriester aufbewahrt hat, in die Bundeslade ihrer neuauflebenden Literatur als wahre Heiligthümer aufstellen.


Musikalische Blasphemie.

In Gutzkow’s Telegraph ward über den großen Schöpfer des Don Juan ein Urtheil gefällt, welches bisher noch wenig seines Gleichen hatte. „Bei einer genauen Analyse von Mozart’s Werken“ — heißt es dort — „und hierunter besonders wieder von seinen Opern, giebt sich eine dreifache Manier zu erkennen, die wiederum zu einer einzigen in dem Ganzen verschmolzen ist.

Die erste ist diejenige, welche er dem Einflusse von Zeit und Mitwelt verdankt. Wäre Mozart ein freies Genie gewesen, so würde er mit der Tonweise seines Zeitalters völlig gebrochen haben. Aber dieser Componist stand mit nichten erhaben über dem Geiste und Geschmacke seiner Zeit. So sind viele Melodieen seiner Chöre nichts weiter, als der triviale Abdruck damaliger Gegenwart. Ich erinnere nur an den „Figaro,“ eine Oper, die noch am meisten Frische und Leben athmet. Wie viel anders würde hier Verfahren seyn, hätte dem Geiste die bezeichnete Energie eines Sebastian Bach und Gluck voll feurigen, ungefesselten Ausdrucks innegewohnt. So scheiterte das Talent unmittelbar, wo es nur eben berührt wurde, die Illusion des Rhetorischen und Phantastischen aufzugeben und sich mit der Auffassung des Gewöhnlichen gemein zu machen. Wir können gerade heraussagen, daß Mozart nicht Kraft und Consequenz genug hatte, um seinem Charakter, seiner Weise der combinatorischen Elemente getreu zu bleiben.

Die zweite Manier besteht in der Aneignung italienischer Gesangesweise. Es ist bekannt genug, daß Mozart gegen die Theilnahme, welche man damals noch mehr wie jetzt den Italienern zollte, keinesweges unempfindlich blieb. Er hat ihr theilweise die Deutschheit geopfert und der südlichen, wollüstigen Melodie in seinen Opern die Thüre geöffnet. So kann Mozart als ein Vorläufer Meyer Beer’s betrachtet werden, oder vielmehr kann dieser sich auf jenen berufen, um eine Autorität für seine, freilich mit noch einem, nämlich dem französischen Volke, coquettirende Muse zu haben.

Erst die dritte Manier gehört Mozart an, aber auch hier mehr der Bildung, der guten harmonischen Schule, als dem freien Talent. So könnte man denn ohne Schwärmerei und pietistische Dumpfheit mit unbefangenen, klaren Augen an Mozart bemerken, daß hier nicht das stolze Sternbild eines ewigen, tadellosen Musikers glüht, als welches man ihn noch immer gerne betrachten möchte. Mozart verdankte mehr der unfreigebigen Erfahrung, als der freigebigen Natur. Seine Compositionen sind ungleichmäßig, mehr im Einzelnen, als im Ganzen vollendet, weil nicht der eigentliche Genius, sondern die cultivirte Erfahrung die Mittel hergab.“



Ein neues Compagnie-Lustspiel.

Abermals ein Compagnie Lustspiel, dießmal in vier Acten. Gerle ist wieder einer der Mitarbeiter, der andere Herr Lederer, Doctor Juris, in Prag. Urtheilsfähige Männer rühmen tüchtige Characteristik und geistvollen Dialog an diesem neuen Lustspiel. Wollte Gott! Wir brauchen derlei. Die Preisausschreibung in Berlin läßt wenig Glänzendes hoffen. Das Stück führt den Titel: Zwei Kranke, Lustspiel von Beiden. Es kömmt in Stuttgart zuerst in die Scene. Stuttgart ist ein freundliches Feld für die junge dramatische Literatur, und der feingebildete Regisseur Moritz ein tüchtiger Taufpathe.



Nachahmungswürdig!

Antwerpen, die Geburtsstadt so vieler großer Männer, hat unlängst in einer seiner Magistratssitzungen den Beschluß gefaßt, alle jene Häuser, in welchen einer ihrer berühmten Söhne geboren wurde, oder gelebt hat (Rubens, Van Dyk, Jordaens, Quentin Metsys etc. sind bekanntlich Antwerpner Bürger gewesen), durch eine in Stein gehauene Tafel, worauf Name, Datum etc. sich befinden, auszuzeichnen. Es wäre zu wünschen, daß man in Deutschland diesem Beispiele folgte.