Tabulae votivae
Was der Gott mich gelehrt, was mir durchs Leben geholfen,
Häng ich dankbar und fromm hier in dem Heiligthum auf.
Millionen sorgen dafür, daß die Gattung bestehe,
Aber durch wenige nur pflanzet die Menschheit sich fort.
Tausend Keime zerstreuet der Herbst, doch bringet kaum einer
Früchte, zum Element kehren die meisten zurück.
Aber entfaltet sich auch nur Einer, der einzige streuet
Eine lebendige Welt ewiger Bildungen aus.
Nur an des Lebens Gipfel, der Blume, zündet sich neues
In der organischen Welt, in der empfindenden an.
Wirke Gutes, du nährst der Menschheit göttliche Pflanze,
Bilde Schönes, du streust Keime der göttlichen aus.
Auch in der sittlichen Welt ist ein Adel; gemeine Naturen
Zahlen mit dem, was sie thun, schöne mit dem, was sie sind.
Hast du etwas, so gieb es her und ich zahle was recht ist,
Bist du etwas o dann tauschen die Seelen wir aus.
Repräsentant ist jener der ganzen Geistergemeine,
Aber das schöne Gemüth zählt schon allein für sich selbst.
Kannst du nicht schön empfinden, dir bleibt doch vernünftig zu wollen,
Und als ein Geist zu thun, was du als Mensch nicht vermagst.
Aus der schlechtesten Hand kann Wahrheit mächtig noch wirken,
Bey der Schönheit allein macht das Gefäß den Gehalt.
Theile mir mit, was du weißt, ich werd es dankbar empfangen,
Aber du giebst mir dich selbst, damit verschone mich, Freund.
Du willst wahres mich lehren? Bemühe dich nicht, nicht die Sache
Will ich durch dich, ich will dich durch die Sache nur sehn.
Dich erwähl ich zum Lehrer, zum Freund. Dein lebendiges Bilden
Lehrt mich, dein lehrendes Wort rühret lebendig mein Herz.
Wie beklag ich es tief, wenn eine herrliche Seele
Werth, mit zum Zwecke zu gehn, mich nur als Mittel begreift.
Kinder werfen den Ball an die Wand und fangen ihn wieder,
Aber ich lobe das Spiel, wirft mir der Freund ihn zurück.
Was ich ohne dich wäre, ich weiß es nicht; aber mir grauet
Seh ich, was ohne dich hundert’ und tausende sind.
Nimmer belohnt ihn des Baumes Frucht, den er mühsam erziehet,
Nur der Geschmack genießt, was die Gelehrsamkeit pflanzt.
Mit dem Philister stirbt auch sein Ruhm; du, himmlische Muse,
Trägst, die dich lieben, die du liebst, in Mnemosynens Schooß.
Immer strebe zum Ganzen und kannst du selber kein Ganzes
Werden, als dienendes Glied schließ’ an ein Ganzes dich an.
Nur das leichtere trägt auf leichten Schultern der Schöngeist,
Aber der schöne Geist trägt das gewichtige leicht.
Jener mag gelten, er dient doch als fleißiger Knecht noch der Wahrheit,
Aber dieser bestiehlt Wahrheit und Schönheit zugleich.
Wahrheit suchen wir beyde; du aussen im Leben, ich innen
In dem Herzen, und so findet sie jeder gewiß.
Ist das Auge gesund, so begegnet es aussen dem Schöpfer,
Ist es das Herz, dann gewiß spiegelt es innen die Welt.
Wärt ihr, Schwärmer, im Stande die Ideale zu fassen,
O so verehrtet ihr auch, wie sich’s gebührt, die Natur.
Wärt ihr, Philister, im Stand, die Natur im Großen zu sehen,
Sicher führte sie selbst euch zu Ideen empor.
Willst du dich selber erkennen, so sieh wie die andern es treiben,
Willst du die andern verstehn, blick in dein eigenes Herz.
Wichtig wohl ist die Kunst und schwer, sich selbst zu bewahren,
Aber schwüriger ist diese: sich selbst zu entfliehn.
Wem zu glauben ist, redliche Freunde, das kann ich euch sagen,
Glaubt dem Leben, es lehrt besser als Redner und Buch.
Schädliche Wahrheit, wie zieh ich sie vor dem nützlichen Irrthum!
Wahrheit heilet den Schmerz, den sie vielleicht uns erregt.
Ist ein Irrthum wohl schädlich? Nicht immer, aber das Irren
Immer ists schädlich, wie sehr, sieht man am Ende des Wegs.
Wahrheit ist niemals schädlich, sie straft – und die Strafe der Mutter
Bildet das schwankende Kind, wehret der schmeichelnden Magd.
Fremde Kinder lieben wir nie so sehr als die eignen,
Irrthum, das eigene Kind, ist uns dem Herzen so nah.
Nie verläßt uns der Irrthum, doch zieht ein höher Bedürfniß
Immer den strebenden Geist leise zur Wahrheit hinan.
Spaltet immer das Licht! wie öfters strebt ihr zu trennen,
Was euch allen zum Trutz Eins und ein Einziges bleibt.
Alles will jetzt den Menschen von innen, von aussen ergründen,
Wahrheit, wo rettest du dich hin vor der grausamen Jagd?
Dich zu greifen ziehen sie aus mit Netzen und Stangen,
Aber mit leisem Tritt schreitest du mitten hindurch.
Trefliche Künste dankt man der Noth und dankt man dem Zufall,
Nur zur Wissenschaft hat keines von beyden geführt.
Daß ihr den sichersten Pfad gewählt, wer möchte das läugnen?
Aber ihr tappet nur blind auf dem gebahntesten Pfad.
Ihr verfahrt nach Gesetzen, auch würdet ihrs sicherlich treffen,
Wäre der Obersatz nur, wäre der Untersatz wahr!
Vornehm schaut ihr im Glück auf den blinden Empiriker nieder,
Aber, seid ihr in Noth, ist er der delphische Gott.
Prächtig habt ihr gebaut. Du lieber Himmel! Wie treibt man,
Nun er so königlich erst wohnet, den Irrthum heraus!
Welche wohl bleibt von allen den Philosophieen? Ich weiß nicht,
Aber die Philosophie, hoff ich, soll immer bestehn.
Astronomen seyd ihr und kennet viele Gestirne,
Aber der Horizont decket manch Sternbild euch zu.
Welche Religion ich bekenne? Keine von allen,
Die du mir nennst! „Und warum keine"? Aus Religion.
Wie sie mit ihrer reinen Moral uns, die schmutzigen, quälen!
Freilich, der groben Natur dürfen sie gar nichts vertraun!
Bis in die Geisterwelt müssen sie fliehn, dem Thier zu entlaufen,
Menschlich können sie selbst auch nicht das menschlichste thun.
Hätten sie kein Gewissen, und spräche die Pflicht nicht so heilig,
Warlich, sie plünderten selbst in der Umarmung die Braut.
Herzlich ist mir das Laster zuwider und doppelt zuwider
Ist mirs, weil es so viel schwatzen von Tugend gemacht.
„Wie, du hassest die Tugend? – Ich wollte wir übten sie alle,
Und so spräche, wills Gott, ferner kein Mensch mehr davon.
Jener fodert durchaus, daß dir das Gute misfalle,
Dieser will gar, daß du liebst, was dir von Herzen misfällt.
Muß ich wählen, so seys in Gottes Nahmen die Tugend,
Denn ich kann einmal nicht lieben, was abgeschmackt ist.
Diesen ist alles Genuß. Sie essen Ideen, und bringen
In das Himmelreich selbst Messer und Gabel hinauf.
Fromme gesunde Natur! Wie stellt die Moral dich an Pranger!
Heilge Vernunft! Wie tief stürzt dich der Schwärmer herab!
Jede, wohin sie gehört! Erhabene Seelen nur kleidet
Jene, die andere steht schönen Gemüthern nur an.
Aber widrigers kenn ich auch nichts, als wenn sich durch Bande
Zarter geistiger Lieb’ Grobes mit Grobem vermählt.
Und verächtlicher nichts, als die Moral der Dämonen
In dem Munde des Volks, dem noch die Menschlichkeit fehlt.
Jener steht auf der Erde, doch schauet das Auge zum Himmel,
Dieser, die Augen im Koth, recket die Beine hinauf.
Himmelan flögen sie gern, doch hat auch der Körper sein Gutes,
Und man packt es geschickt hinten dem Seraph noch auf.
Was sie im Himmel wohl suchen, das, Freunde, will ich euch sagen,
Vor der Hand suchen sie nur Schutz vor der höllischen Glut.
Immer treibe die Furcht den Sclaven mit eisernem Stabe,
Freude, führe du mich immer an rosigtem Band.
Das ist eben das wahre Geheimniß, das allen vor Augen
Liegt, euch ewig umgiebt, aber von keinem gesehn.
Wohne du ewiglich Eines dort bey dem ewiglich Einen,
Farbe, du wechselnde, komm freundlich zum Menschen herab.
Eine nur ist sie für alle, doch siehet sie jeder verschieden,
Daß es Eines doch bleibt, macht das verschiedene wahr.
Schönheit ist ewig nur Eine, doch mannichfach wechselt das Schöne,
Daß es wechselt, das macht eben das Eine nur schön.
Keiner sey gleich dem andern, doch gleich sey jeder dem höchsten,
Wie das zu machen? Es sey jeder vollendet in sich.
Ewig strebst du umsonst, dich dem göttlichen ähnlich zu machen,
Hast du das göttliche nicht erst zu dem deinen gemacht.
Allen gehört, was du denkst, dein eigen ist nur, was du fühlest,
Soll er dein Eigenthum seyn, fühle den Gott, den du denkst.
Einig sollst du zwar seyn, doch Eines nicht mit dem Ganzen,
Durch die Vernunft bist du eins, einig mit ihm durch das Herz.
Stimme des Ganzen ist deine Vernunft, dein Herz bist du selber,
Wohl dir, wenn die Vernunft immer im Herzen dir wohnt.
Ueber das Herz zu siegen ist groß, ich verehre den Tapfern,
Aber wer durch sein Herz sieget, er gilt mir doch mehr.
Bürger erzieht ihr der sittlichen Welt, wir wollten euch loben,
Stricht ihr sie nur nicht zugleich aus der empfindenden aus.
Viele sind gut und verständig, doch zählen für Einen nur Alle.
Denn sie regiert der Begriff ach nicht das liebende Herz.
Traurig herrscht der Begriff, aus tausendfach spielenden Formen
Bringet er dürftig und leer immer nur Eine hervor.
Aber von Leben rauscht es und Lust, wo liebend die Schönheit,
Herrschet, das ewige Eins wandelt sie tausendfach neu.
Wäre sie unverwelklich die Schönheit, ihr könnte nichts gleichen,
Nichts, wo die Göttliche blüht, weiß ich der göttlichen gleich.
Ein unendliches ahndet, ein höchstes erschafft die Vernunft sich,
In der schönen Gestalt lebt es dem Herzen, dem Blick.
Bilden wohl kann der Verstand, doch der todte kann nicht beseelen.
Aus dem Lebendigen quillt alles lebendige nur.
Schaffen wohl kann sie den Stoff, doch die wilde kann nicht gestalten.
Aus dem harmonischen quillt alles harmonische nur.
Daß dein Leben Gestalt, dein Gedanke Leben gewinne,
Laß die belebende Kraft stets auch die bildende seyn.
Wiederhohlen zwar kann der Verstand, was da schon gewesen,
Was die Natur gebaut, bauet er wählend ihr nach.
Ueber Natur hinaus baut die Vernunft, doch nur in das Leere,
Du nur Genius mehrst in der Natur die Natur.
Gutes aus Gutem das kann jedweder verständige bilden,
Aber der Genius ruft Gutes aus Schlechtem hervor.
An Gebildetem nur darfst du, Nachahmer, dich üben,
Selbst das Gebildete ist Stoff nur dem bildenden Geist.
Wodurch giebt sich der Genius kund? Wodurch sich der Schöpfer,
Kund giebt in der Natur, in dem unendlichen All.
Klar ist der Aether und doch von unergründlieber Tiefe,
Offen dem Aug’, dem Verstand bleibt er doch ewig geheim.
Der ist zu furchtsam, jener zu kühn; nur dem Genius ward es
In der Nüchternheit kühn, fromm in der Freyheit zu seyn.
Ueberspringt sich der Witz, so lachen wir über den Thoren,
Gleitet der Genius aus, ist er dem Rasenden gleich.
Lächelnd sehn wir den Tänzer auf glatter Ebene straucheln,
Aber auf ernstlichem Seil, wer mag den Schwindelnden sehn?
Warum will sich Geschmack und Genie so selten vereinen?
Jener fürchtet die Kraft, dieses verachtet den Zaum.
Frey von Tadel zu seyn, ist der niedrigte Grad und der höchste,
Denn nur die Ohnmacht führt oder die Größe dazu.
Daß du der Fehler schlimmsten, die Mittelmäßigkeit, meidest,
Jüngling, so meide doch ja keinen der andern zu früh!
Willst du jenem den Preiß verschaffen, zähle die Fehler,
Willst du dieses erhöhn, zähle die Tugenden ab.
Blößen giebt nur das Reiche dem Tadel, am Werke der Armuth
Ist nichts Schlechtes, es ist Gutes daran nichts zu sehn.
Nur das feurige Roß, das muthige, stürzt auf der Rennbahn,
Mit bedächtigem Paß schreitet der Esel daher.
So wars immer mein Freund, und so wirds bleiben. Die Ohnmacht
Hat die Regel für sich, aber die Kraft den Erfolg.
Fortzupflanzen die Welt sind alle vernünftgen Discurse
Unvermögend, durch sie kommt auch kein Kunstwerk hervor.
Alle Schöpfung ist Werk der Natur. Von Jupiters Throne
Zuckt der allmächtige Strahl, nährt und erschüttert die Welt.
Pflanzet über die Häuser die leitenden Spitzen und Ketten,
Ueber die ganze Natur wirkt die allmächtige Kraft.
Was heißt zärtlicher Tadel? Der deine Schwäche verschonet?
Nein, der deinen Begriff von dem Vollkommenen stärkt.
Kannst du nicht allen gefallen durch deine That und dein Kunstwerk,
Mach es wenigen recht, vielen gefallen ist schlimm.
Warum kann der lebendige Geist dem Geist nicht erscheinen!
Spricht die Seele so spricht ach! schon die Seele nicht mehr.
Laß die Sprache dir seyn, was der Körper den Liebenden; er nur
Ists, der die Wesen trennt und der die Wesen vereint.
Jeden anderen Meister erkennt man an dem was er ausspricht.
Was er weise verschweigt zeigt mir den Meister des Stils.
Weil ein Vers dir gelingt in einer gebildeten Sprache,
Die für dich dichtet und denkt, glaubst du schon Dichter zu seyn.
Wer ist zum Richter bestellt? Nur der Bessere? Nein, wem das Gute
Ueber das Beste noch gilt, der ist zum Richter bestellt.
Welchen Leser ich wünsche? den unbefangensten, der mich,
Sich und die Welt vergißt und in dem Buche nur lebt.
Du vereinigest jedes Talent, das den Autor vollendet,
O entschließe dich, Freund, nichts als ein Leser zu seyn.
Willst du in Deutschland wirken als Autor, so triff sie nur tüchtig,
Denn zum Beschauen des Werks finden sich wenige nur.
Tadeln ist leicht, erschaffen so schwer; ihr Tadler des schwachen,
Habt ihr das trefliche denn auch zu belohnen ein Herz?
Was belohnet den Meister? der zartantwortende Nachklang,
Und der reine Reflex aus der begegnenden Brust.
Hast du an liebender Brust das Kind der Empfindung gepfleget,
Einen Wechselbalg nur giebt dir der Leser zurück.
Glücklich nenn ich den Autor, der in der Höhe den Beyfall
Findet, der deutsche muß nieder sich bücken dazu.
„Was bedeutet dein Werk“? so fragt ihr den Bildner des Schönen,
Frager, ihr habt nur die Magd, niemals die Göttinn gesehn.
Lehret! Das ziemet euch wohl, auch wir verehren die Sitte,
Aber die Muse läßt sich nicht gebieten von euch.
Nicht von dem Architect erwart ich melodische Weisen,
Und, Moralist, von dir nicht zu dem Epos den Plan.
Vielfach sind die Kräfte des Menschen, o daß sich doch jede
Selbst beherrsche, sich selbst bilde zum herrlichsten aus!
Nimm dem Prometheus die Fackel o Muse, belebe die Menschen,
Nimm sie dem Amor und rasch quäl’ und beglücke, wie er.
Gutes in Künsten verlangt ihr? Seid ihr denn würdig des Guten,
Das nur der ewige Krieg gegen euch selber erzeugt?
Gabe von obenher ist, was wir schönes in Künsten besitzen,
Warlich, von unten herauf bringt es der Grund nicht hervor.
Muß der Künstler nicht selbst den Schößling von aussen sich hohlen?
Nicht aus Rom und Athen borgen die Sonne, die Luft?
Todte Sprachen, nennt ihr die Sprache des Flakkus und Pindar,
Und von beiden nur kommt, was in der unsrigen lebt!
Ringe, Deutscher, nach römischer Kraft, nach griechischer Schönheit,
Beides gelang dir, doch nie glückte der gallische Sprung.
Freunde, treibet nur alles mit Ernst und Liebe, die beyden
Stehen dem Deutschen so schön, den ach! so vieles entstellt.