TBHB 1948-03-25
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1948-03-25 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 25. März 1948. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Wir verließen gestern früh 1/2 5 Uhr das Haus. Es war Vollmond u. recht kalt. Unsere Anni fuhr das Gepäck mit der Karre nach Niehagen. Fritz war am Abend vorher wieder nicht wohl gewesen u. blieb deshalb liegen, aber Paschke fuhr als Gemeindebote ebenfalls nach Ribnitz u. war uns mit dem Gepäck behilflich. Von Niehagen fährt neuerdings ein sehr großer Postomnibus, der ab Wustrow bereits stark überfüllt war.
In Ribnitz waren sehr viele Menschen auf der Bahn, die aber zumeist mit dem vorausgehenden Personenzug nach Rostock fuhren. Für unseren Eilzug nach Schwerin brauchte man ein behördliche Reisegenehmigung, die uns Fritz von seiten des Kulturbundes ausgeschrieben u. vom Gemeindeamt bestätigt war. Der Eilzug war ab Ribnitz zwar voll, aber jeder bekam einen Sitzplatz. Wir waren im letzten Wagen. In Rostock stellte sich leider heraus, daß dieser Wagen abgehängt wurde [2] u. wir mußten uns einen neuen Platz in einem anderen Wagen suchen, was zum Glück auch gelang. In Wismar aber gab es gewaltigen Zustrom. Von da an war der Zug überfüllt u. alle neu Hinzugekommenen mußten sehr eng gedrängt stehen.
In Schwerin, wo der Bahnhof mit Menschen verstopft war, wurden wir von den Kindern Kaspar u. Barbara abgeholt. Das Gepäck ließen wir durch eine Handkarre besorgen, die sich am Bahnhof anbot. Bei Riemschneiders sind alle sehr nett wie immer. Wir haben ein Zimmer ganz für uns, da die Wirtschafterin ihr Zimmer für uns abgetreten hat. Diese ist übrigens katholisch. Wir aßen mit der Familie zu Mittag u. ruhten dann etwas aus. Nachher gingen wir zur Kirche, wo gebeichtet u. Rosenkranz gebetet wurde. Abends ging Martha mit Riemschneiders in die Volkshochschule, wo Frau Dr. R. einen Vortrag zu halten hatte, ich aber blieb mit Barbara zuhause.
Heute war um 8 Uhr früh Hochamt. Nachher frühstückten wir zuhause allein in unserem Zimmer. Später gingen wir in die Stadt, zuerst zum „Haus der Kultur“, in dem wir Pastor Kleinschmidt aufsuchten. Ich erzählte ihm von meiner bevorstehenden Ausstellung. Er sagte mir, er habe mit Herrn Dr. Bredel über meine Angelegenheiten gesprochen u. dieser habe geleugnet, irgendetwas jemals gegen mich unternommen zu haben. Der Mann ist also auch noch feige. Zufällig kam das Gepräch darauf, daß Frau Havemann aus Bln. heute zu Kleinschmidts zu Besuch kommt. Er forderte uns auf morgen Vormittag in seine Privatwohnung zu kommen, um Frau H. zu besuchen. Diese Frau ist für meine Ausstellung von Wichtigkeit, da sie enge Verbindung zum Aufbau-Verlag hat. Herr Kl. machte übrigens einen völlig verwirrten Eindruck, ich glaube nicht, daß er eine wichtige Persönlichkeit ist. Er sieht aus wie einer, der immer Angst hat. – Er hatte im Herbst versprochen, einen Artikel über mich zu schreiben, was er aber nie getan hat. Er behauptete, daß es nur unterblieben wäre, weil er von mir keine Fotos bekommen hätte, doch hat er nie solche angefordert. Er ist ein völlig unzuverlässiger Mensch.
Kaspar hatte am Morgen versucht, für uns die Fahrkarten für den D=Zug nach Berlin zu besorgen u. hat dazu am Schalter angestanden, hat aber keine Karten bekommen, da der Schalter vorher geschlossen wurde, ehe er ran kam. Ich bat Kleinschmidt, mir behilflich zu sein, der einen Mann, eine Art uniformierten Hausdiener des Kulturbundes beauftragte. Ich gab diesem Mann 10,– Rm. Trinkgeld u. er versicherte mir, daß ich die Karten am Sonnabend im Kulturbund abholen könnte. –
Danach gingen wir noch rasch zu Ursula Höffner u. Frau Besendahl, mit denen wir für morgen Nachmittag 4 Uhr eine Kaffeestunde in ihrer Wohnung verabredeten. – Heute abend gehen wir ins Theater, wo eine gute Aufführung von Hamlet gegeben werden soll. Es fängt bereits um 1/2 7 Uhr an u. dauert bis 11 Uhr.
Leider ist das Wetter wieder recht kalt u. trübe.
Im Kulturbund haben die Herren Kleinschmidt u. Bredel ein gemeinsames Vorzimmer, Herr Kl. ist links, Herr B. rechts. Als wir von Herrn Kl. herauskamen, wollte es die Fügung, daß Herr B. gerade aus der gegenüberliegenden Tür heraustrat. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als uns zu begrüßen. Er tat es mit süßsaurer Miene.
Ueber die Umstände des Todes von Adam Scharrer erzählt Frau Dr. Riemschneider, daß auch hier dieser [3] Herr Bredel seine Finger im Spiel hatte. Er hat das cholerische Temperament des naiven Scharrer benutzt, um diesen zu veranlassen, dem Ehm Welk eins auszuwischen u. hat ihm dazu die Spalten seines Blättchens „Heute u. Morgen“ zur Verfügung gestellt. Herr Scharrer, der ja nicht ganz frei von Eitelkeit war u. sich für einen großen Geist hielt, ist prompt auf diese Ermunterung reingefallen u. hat einen Artikel gegen Ehm Welk geschrieben, der von Bredel erheblich gekürzt werden mußte, weil er gar zu unverschämt war. Ehm Welk hat daraufhin Herrn Sch. in demselben Blättchen mit überlegener Ironie abgefertigt. Darüber hinaus hat Ehm Welk dann einen Vortrag im Kulturbund gehalten über irgend ein Thema, bei dem er sich Herrn Sch. noch einmal gründlich vorgeknöpft hat. Herr Sch., der darum wußte, daß Ehm Welk das tun würde, hat sich darauf präpariert, indem er ein umfangreiches Manuscribt vorher verfaßte, das er bei der Diskussion über diesen Vortrag vorzulesen beabsichtigte, was er denn auch getan hat. – Am Abend des Vortrages ist dem braven Sch. aber schon nicht ganz geheuer gewesen u. er wollte nicht kommen. Er wurde dann aber von seinen Parteifreunden sehr bedrängt, die sogar einen Wagen besorgten, um ihren Helden in den Kampf zu fahren. – Wie nicht anders zu erwarten war, hat Ehm Welk dann seinen Gegner so gründlich erledigt, daß schließlich selbst Bredel nicht mehr offen zu Scharrer stand, sondern kniff. Scharrer hat sich dann über seine Niederlage so aufgeregt, daß er einen Schlaganfall erlitt u. zwei Stunden später den Geist aufgab. – Die Frau des Herrn Dr. Bredel hat dann noch ihrer Wut über den Ausgang dieser Sache Ausdruck gegeben, daß sie Ehm Welk den „Mörder“ des Sch. genannt hat.
Ehm Welk ist die ganze Geschichte natürlich höchst peinlich.