TBHB 1947-09-10
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1947-09-10 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 10. September 1947. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über eine Seite.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Gestern Nachmittag besuchte mich der Maler Hinrichs aus Schwerin, ein sehr netter Kerl, aus einfachen, bäuerlichen Verhältnissen stammend. Er will nicht mehr sein, als er ist, sehr bescheiden, dabei aber doch seiner selbst bewußt; Autodidakt, sehr bemüht um seine Entwicklung u. sehr aufgeschlossen für den Expressionismus, wenngleich er selbst auch noch im Naturstudium befangen ist. Der Wille, sich selbst vor der Natur zu behaupten, ist aber stark fühlbar. Er zeigte mir einige Federzeichnungen, alte Katen usw., die mit Schwung gemacht sind. Er hat noch nicht ganz romantische Vorstellungen überwunden, er ist noch nicht zu sich selbst gekommen, aber wenn ihm einmal der Durchbruch zu sich selbst gelungen sein wird, kann man von ihm wohl etwas erwarten. – Er war in Begleitung seiner Freundin, eine ganz bescheidene junge Frau, hübsch u. wie sie nicht ohne Befriedigung betonte: katholisch. Hinrichs ist sehr unzufrieden mit den Schweriner Kunst=Verhältnissen u. er möchte von dort weg. Er erwägt den Gedanken, hierher nach Ahrenshoop zu kommen, was sehr nett wäre, ich würde mich gern seiner annehmen. Besonders auf Venzmer ist er sehr ärgerlich, da dieser nicht nur nichts für die Künstler tut, sondern bei seiner reaktionären Gesinnung jeden Fortschritt hemmt.
Abends kam kurz Dr. Longard mit seiner Frau. Der Kurdirektor Karsten ist schon seit dem Frühjahr bemüht, das Haus Longard zu kaufen oder zu pachten. Was dieser junge, 24jährige Mensch mit diesem Hause will, ist unklar. Jetzt ist ein Herr Heyer (oder ähnlich) mit seiner Familie als Sommergast im Hause. Er ist angeblich ein Onkel von Karsten, aber es bestehen Zweifel, ob das stimmt. Dieser Herr will nun das Haus kaufen oder pachten u. er benimmt sich, als ob er schon der Besitzer wäre. Longards wollen aber nicht verkaufen u. sind sehr mißtrauisch, da offenber bei dieser ganzen Sache etwas unklar ist u. irgend welche Dinge im Hintergrunde zu stehen scheinen, die man nicht durchschaut.
Während Longards da waren –, wir saßen unten in der Diele, kamen Dr. Kunze u. Frau, mit denen wir, nachdem Longards gegangen waren, im Seezimmer saßen. Sie gingen erst kurz vor 12 Uhr. Sie gaben uns Einblick in ihre Familienverhältnisse, in denen auch nicht alles so kleinstädtisch=ehrpusselig ist, wie man denken sollte.
Das Wetter ist nun endlich umgeschlagen, es ist windig, regnerisch u. kühl.
Nachmittags wie gewöhnlich Triebsch.
Vormittags ein mir nicht bekannter Herr aus Brunshaupten im Atelier, um Bilder zu sehen.
Sandberg schreibt, daß ich im das Bild „Der Leuchtturm“ schicken soll.