TBHB 1947-08-31
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1947-08-31 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 31. August 1947. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über eine Seite.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Vormittags Prof. Gadamer aus Leipzig mit seiner Tochter, um nochmals das Bild „Der Wartende“ zu sehen. Das Selbstporträt stand auf der Staffelei u. machte eine starke Wirkung. Ich zeigte dann auch noch einige andere, vorjährige Bilder. Gadamer ist ein ungemein sympatischer Mann von sehr viel größerem Format als Rienäcker. Er war wohl eine Stunde da. Er hat einen Ruf nach Frankfurt a. M. u. wird am 1. Oktober dort antreten.
Mittags war Frau Dr. Umnus mit ihrem Sohn da, der in Rostock Medizin studiert u. viel ehrliches Verständnis für meine Bilder hat.
Morgens nach dem Frühstück packten wir ein Paket von Ruth Laub-Wendt aus Amerika aus mit Lebensmitteln. Sehr schön u. auch einige Kleidungsstücke waren darin, für mich ein wollenes Unterhemd, ein ausgezeichneter verknautschter Hut u. eine schöne Kravatte von blau-grüner Farbe.
Herr Benthin aus Hagenow ist wieder da. In seiner Begleitung sind zwei Nichten, schlichte, brave Mädchen, die mich durch ihren Onkel um ein Autogramm gebeten haben. Ich gab ihm dieses, als Herr B. mittags am Hause vorbeiging. Er freute sich u. meinte, er wolle diesen beiden Nichten zu Weihnachten ein Bild von mir oder eine Zeichnung schenken.
Prof. Gadamer sagte u.a., daß, falls die SED. so weitermacht, wie bisher, eines Tages überhaupt kein intelligenter Mensch mehr dieser Partei angehören würde. Er hatte dabei in erster Linie die ekelhafte u. würdelose Liebedienerei gegenüber den Russen im Auge, dann aber auch den dummdreisten Anspruch dieser Partei, in allen Dingen führend bestimmen zu wollen. Die Leipziger Kunstakademie sei völlig in den Händen der SED u. deshalb bedeutungslos. Er hatte weit entschiedenere Ansichten als Prof. Rienäcker, der gern allzuklug sein will u. überall Kompromisse schließt. Ueber Becher meinte er, daß dieser bestimmt keine persönliche Animosität gegen mich hätte, sondern daß er durch meine Aeußerung über die Russen zu seiner Haltung gezwungen sei. Diese Sache sei nun einmal nach Moskau gemeldet worden u. deshalb könne sich der Kulturbund nicht für mich einsetzen, da die Russen sonst dem Kulturbunde den Vorwurf machen würden, einen Russenfeind zu fördern. Dieser Ansicht war ja auch Rienäcker. Es scheint also, daß ich endgültig als Russenfeind abgestempelt bin.
Nachmittags war Prof. Gadamer nochmals mit seiner Tochter bei mir, weil ich deren erste Versuche in der Malerei sehen wollte. Sie scheint nicht unbegabt zu sein.