TBHB 1947-08-23
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1947-08-23 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 23. August 1947. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] „Der Wartende“ wurde heute fertig. Walter Papenhagen machte mir gleich einen Rahmen, bzw. änderte einen alten Rahmen um. Gerade, nachdem ich das Bild signiert hatte, kam Prof. Gadamer mit seiner Tochter. Er ist Rektor der Universität Leipzig u. war schon im vorigen Jahre hier Heute hatte er sich bei mir mit Kleinschmidt verabredet, der dann auch kam. Wir sprachen u. a. auch über die morgige Veranstaltung. Kleinschmidt sagte mir, daß er nur über die drei Bilder „Mann im Kerker“ „Der Alte“ u. über das neue Bild sprechen wolle. Prof. Gadamer war ebenfalls eingeladen, wie überhaupt alle Leute, die etwas bedeuten. – Am Nachmittag aber kam Herr Weisenborn, der mit Sandberg zusammen den Ulenspiegel herausgibt u. der der eigentliche Veranstalter der morgigen Sache war, in die BuStu. u. sagte Martha, daß die Veranstaltung abgesagt werden müsse, weil gewisse Leute, die er nicht benannte, entschieden dagegen wären. Herr W. war sehr ärgerlich u. versicherte Martha, daß der Ulenspiegel nach wie vor zu mir stände, aber jetzt wäre gegen den Widerstand nichts zu machen. – Es scheint mir, daß eine Auseinandersetzung, die gestern zwischen den Herren Joh. R. Becher u. Abusch einerseits u. Nikisch andererseits stattgefunden haben soll u. die sehr heftig gewesen sein soll, bei dieser neuen Entwicklung eine bedeutende Rolle spielt. Herr Nikisch hat nämlich als Dozent des Referentenkursus öffentlich Partei für Ernst Jünger genommen, worüber Abusch höchst empört war. Diese Sache hat nun die Wut dieser Leute zum Sieden gebracht u. sie haben deshalb nun auch diese Veranstaltung mit mir verboten, weil ich mich über die Russen ungünstig geäußert habe. –
Herr Prof Rienäcker hat bisher immer noch nicht den Weg zu mir gefunden, obgleich er mir mehrfach versichert hat, daß er kommen wird. Wenn er wirklich kommt, werde ich ihn fragen, ob er immer noch der Meinung ist, daß der Kulturbund so unpolitisch ist, wie er tut. Man hört jetzt allgemein von den Referenten, daß jetzt zum Schluß [2] des Kursus die Politik stark in den Vordergrund gerückt wird. – Prof. Gadamer äußerte sich über Herrn Abusch sehr abfällig. Er sagte mir, daß er wenn er öffentlich sprechen müsse, dies niemals ohne Stenogramm tue, da er bereits selbst die Erfahrung gemacht habe, daß ihm das Wort im Munde rumgedreht würde.
Sehr gespannt bin ich, was Kleinschmidt u. Sandberg zu diesem neuen Boykott sagen.
Abends war der Fotograf Toelle da, der mir beim Arrangement der Bilder zum morgigen Vortrag helfen wollte u. der sehr erstaunt war, zu hören, daß alles abgesagt worden ist. Er meint, daß diese Veranstaltung allgemein bekannt geworden sei u. daß niemand etwas von der Absage wußte. Die Leute werden also morgen wohl alle vor verschlossene Türe kommen.