TBHB 1947-08
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1947-08 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom August 1947. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über 22 Seiten.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Entwurf für das neue Bild „Der Wartende“, dessen Eingebung mir P. Beckmann gegeben hat. Es ist mir gleich sehr gut gelungen.
Nachmittags Frau Dr. Riemschneider mit ihren beiden Kindern. Der Mann wird erst morgen kommen. Sie erzählte von den kunstpolitischen Vorgängen in Schwerin, von ihrer berliner Reise u. Herrn William Wauer usw. Sie wird morgen mit ihrem Mann wiederkommen, um sich um 7 Uhr am Radio sprechen zu hören, da der Landessender ein Interview mit ihr veranstaltet hat über die im Augenblick im Landesmuseum stattfindende Ausstellung von Graphiken von Sella Hasse. [2] Nachmittags Sitzung der Sektion, die sehr lebhaft gewesen zu sein scheint, wie Fritz, der dort war, erzählt. Das Ehepaar Holtz verfolgt offenbar ehrgeizige Pläne u. scheint sich dazu mit Herrn Venzmer zusammengetan zu haben. Sie haben eine „Verfügung“ erwirkt, nach welcher die Sektion keinen anderen Schriftführer haben darf als die Wirkungsgruppe des Kulturbundes. Dieser ist Herr Neumann – Wustrow. Fritz hat daraufhin sehr erleichtert seinen Posten als Schriftführer der Sektion zur Verfügung gestellt. Herr Holtz will außerdem den Kunstkaten wieder aufgeben, da er angeblich Aussicht hat, die Mühle von Niemann als Ausstellungsraum einzurichten. Es mag sein, daß ihm das von irgend einer Seite versprochen worden ist, aber bis zur Ausführung ist ein weiter Weg. Es bedarf zur Herrichtung dieses sehr baufälligen Dinges sehr viel Material u. ich kann mir schwer denken, daß dieses zur Verfügung gestellt wird. Außerdem gehört die Mühle Dernburg. So erklärt sich wohl das Interesse, daß man plötzlich für Frau D. hat, die sich momentan hier aufhält. Frau D. war gestern bei Martha u. sofort danach erschien der Herr Kurdirektor Karsten u. fragte, was Frau D. gewollt hätte. Dieses Interesse war sehr auffällig, erklärt sich aber nun. Was Herr Holtz sonst noch im Schilde führt ist noch nicht zu erkennen, doch bestärkt mich all dies in meinem Entschluß, mich künftig von allen Sachen des Kulturbundes zurückzuziehen. Ich werde das um so mehr tun, da auch Koch-Gotha, wie Fritz erzählt, dasselbe tun will. Dieser war in der Sitzung u. soll überaus niedergeschlagen gewesen sein. Er hat die Absicht gehabt, seine Zeichnungen, die momentan im Kunstkaten ausgestellt sind sofort abzuhängen, man hat ihn überreden müssen, dies nicht zu tun. Der Grund dazu ist, daß er eine Verwarnung erhalten hat wegen unvorsichtiger Aeußerungen über die Russen. Ich möchte gern wissen, was da vorgefallen ist u. werde wohl noch Näheres erfahren. – Es zeigt das wieder, wie vorsichtig man sein muß u. ich fürchte fast, daß auch ich damit rechnen muß, daß meine Sache noch irgend ein Nachspiel haben wird. Man ist keinen Moment sicher.
Die Kriminalpolizei wütet immer noch im Ort. Unser Nachbar Möller hat 3000,– M. zahlen müssen. Heute war der Bäcker Hagedorn dran, der ebenfalls in hohe Strafe genommen wurde, wobei Herr Karsten anscheinend eine Rolle gespielt hat, zusammen mit seiner Freundin Sachse. Auch mehrere Fischer sind reingelegt worden. Der ganze Ort ist in Angst. Herr Brüning von der Defa, der hier als Sommergast war, ist flüchtig u. wird von der Kriminalpolizei gesucht, doch wird er sich wohl schon nach dem Westen in Sicherheit gehracht haben. Er wollte sich vor seiner Abreise von Fritz Geld leihen, das dieser ihm auch sicher gegeben hätte, wenn wir nicht gerade in diesem Augenblick die Strafe hätten zahlen müssen. So hat er, wie ich höre, Herrn Karsten angepumpt, der sein Geld wohl nie wiedersehen wird.
Fritz hat die Schwester von Herrn Dr. Wolter, die [3] momentan hier ist, gefragt, ob Dr. W. Unannehmlichkeiten gehabt hätte aus Anlaß jener Kulturbund-Veranstaltung mit Prof. Rienäcker, bei der er sich doch sehr viel herausfordernder geäußert hat als ich. Die Schwester behauptet, daß Dr. W. überhaupt nicht vernommen worden sei. Die ganze Geschichte richtete sich also nur gegen mich persönlich. – Prof. R. wird nun ja hierherkommen u. ich bin gespannt, ob er sich bei mir melden wird.
Das Leuchtturm-Bild geht seiner Vollendung entgegen, es wird sehr schön werden. –
Heute sollten u. wollten die Prerower Künstler ihre Arbeiten hersenden zur Ausstellung im Kunstkaten, u. gleichzeitig sollten von uns Arbeiten nach Prerow gehen zur Ausstellung dort. Es war das nicht möglich, weil die Russen den Darss gesperrt haben u. jeder Verkehr zwischen hier u. Prerow unmöglich ist. Mir ist es egal, da ich so wie so nicht die Absicht hatte, mich, zu beteiligen. Von Frau Dr. Riemschneider hörte ich, daß Herr Matern als Ministerialdirektor nach Schwerin berufen ist. Rostock wird dann wohl gänzlich einschlafen u. meine Ausstellung dort, die Herr M. wünschte, zerrinnt dann abermals ins Nichts, was wohl so wie so der Fall gewesen wäre. Herr M., der so bestimmt erklärt hat, daß er mit mir über diese Ausstellung verhandeln wolle, hat sich bis jetzt bei mir nicht wieder sehen lassen.
Abends kam überraschend Rechtsanwalt Weiß aus Berlin. Er will sich Sachen abholen, die er hier stehen gelassen hatte u. benutzte die Gelegenheit eines großen Omnibusses, welcher die Teilnehmer an einer Referentenschulung des Kulturbundes hierher gebracht hat, um her zukommen u. morgen früh wieder zurückzufahren. Er war nur auf etwa eine halbe Stunde bei uns, die aber lang genug war, um ihm zu schildern, was geschehen ist, seit er fort ist. Wir haben kein Blatt vor den Mund genommen. Herr W. will gleich versuchen, Herrn Sandberg zu sprechen, doch glaube ich nicht, daß ihm das glücken wird, denn ich glaube, mich zu erinnern, daß Herr S. schon morgen ebenfalls hierher kommen wollte, da er bei der Referententagung Vorträge zu halten hat.
Herr Dr. Riemschneider ist heute nachmittag nicht gekommen. Auch ihre eigene Rundfunkrede konnte Frau Dr. R. nicht hören, da um 7 Uhr kein Strom war.
Das Leuchtturm-Bild wurde heute bis auf Kleinigkeiten fertig. Es ist sehr gut geworden. Am Montag werde ich die letzte Hand anlegen.
Schultze-Jasmer war hier u. aß abends mit uns. Es ist ihm doch gelungen, mit dem Auto hierher durchzukommen auf Umwegen. Er hat die Bilder der Sektion Darss hergebracht u. wollte die Bilder der Sektion Fischland mitnehmen, aber es waren keine da. Herr Holtz, der ja seit gestern Fritz rausgedrängt hat u. alles alleine machen will, hat natürlich nichts gemacht u. so fuhr Schultze-Jasmer eben ohne [4] Bilder wieder nach Prerow zurück. Das ist also gleich die erste Pleite, die Herr Holtz erlebt.
Während wir beim Frühstück saßen, kam Frau Kultusminister Grünberg mit ihrer Tochter u. verlangten Martha zu sprechen. Es handelte sich um Strandanzüge für beide. Martha wollte nichts machen u. wies auf die Schwierigkeiten der letzten Zeit hin. Frau G. meinte, sie solle sich die Dinge nicht zu Herzen nehmen, sie sei über alles informiert u. es sei alles Unsinn. Sie jedenfalls wolle für sich u. ihre Tochter je einen Strandanzug, der Preis sei völlig gleichgültig. –
Am frühen Nachmittag zogen die Russen von der Kuhweide plötzlich wieder ab. Es war eine lange Lastwagen-Kolonne mit mehreren Flak-Geschützen, Mannschaften im Stahlhelm, mehrere Mannschafts- u. Gerätewagen, Feldküche usw. Natürlich nahmen sie alles Holz, was sie hier requiriert hatten, mit sich. Ich weiß garnicht, woher die vielen Wagen kamen, von Anmarsch durch unser Dorf hatte ich nichts bemerkt, vielleicht sind sie von Prerow her gekommen.
Um 5 Uhr traf Dr. Rudlof ein, hörte hier in meinem Zimmer für Martha u. mich die Beichte u. wir gingen dann zusammen zu Herrn Dr. Thron, wo Frau Triebsch den Altar bereits schlecht u. recht aufgebaut hatte. – Der Raum für den Gottesdienst war recht geeignet, es mögen an 40 Teilnehmer gewesen sein. Dr. R. war zum Abendessen bei Throns, über Nacht bleibt er bei uns u. liest morgen früh um 8 Uhr bei uns noch eine stille Messe. Beim Gottesdienst heute erbot sich ein fremder Herr, Dr. Kaminski oder ähnlich, bei der Messe zu dienen. Ich war sehr froh darüber.
Sehr schlechte Nacht gehabt. Dr. Rudlof las 8 Uhr früh stille Messe. Herr u. Frau Degner, sonst niemand. Sehr angestrengt. – Dr. R. fuhr gleich nach dem Frühstück zurück. Ich legte letzte Hand an den „Leuchtturm“ u. machte dann den Monatsabschluß der BuStu. –
Koch-Gotha war im Kunstkaten, um seine Bilder abzuhängen. Er erzählte Fritz folgendes: Seine Frau hat zu Frau v. Achenbach geäußert, daß meine Aeußerungen über die Russen doch garnicht so schlimm gewesen wären u. daß sie vor allem berechtigt gewesen wären. Daraufhin hat Frau v. A. Koch-Gotha denunziert, daß er auf meiner Seite stünde u. meiner Ansicht sei. Man hat dann –, (wer, weiß ich nicht) – Koch-Gotha mitgeteilt, daß es unter diesen Umständen ausgeschlossen sei, daß sein Atelier, wie man ihm großspurig versprochen hatte, ausgebaut werden würde, daß er die versprochenen Russenpakete nicht erhalten würde u. daß die angeblich in Aussicht genommene Verleihung des Professortitels unterbleiben würde. –
Mit der Post erhielt ich die drei letzten Exemplare des „Ulenspiegels“ auf Sandbergs Veranlassung zugesandt. Er scheint also immer noch zu mir zu halten. Ferner sandte mir W. Wauer die Fotos zurück. Er möchte wissen, wann ich bei ihm ausstellen kann u. bittet um Nachricht. Er hat, wie er schreibt, 40 – 50 mtr. Wandfläche zur Verfügung. Das ist ja nicht viel u. ich könnte diese gut mit kleineren Bildern füllen, fragt sich nur, wie ich sie verpacken u. senden soll.
[5] Ich begrüßte abends den Maler Albrecht u. seine Frau aus Berlin am Gartenzaun.
Dr. Lindner mit Frau u. Kind aus Berlin eingetroffen. Er begrüßte mich nachmittags am Gartenzaun u. war abends kurz bei uns. Er erzählte von der politischen Stimmung in Berlin, die sich mit wachsender Schärfe gegen die SED. richtet. Man spricht mehr denn je von der Unabwendbarkeit des Krieges, der seiner Ansicht nach spätestens 1950 ausbrechen wird. –
Ich zeichnete heute den Entwurf für das neue Bild „Der Wartende“ in größerem Format als Federzeichnung. Dieses Bild kann nun wirklich die Zusammenfassung der beiden Bilder „Mann im Kerker“ u. „Der Alte“ werden. Es fehlt mir nur Ultramarinblau, werde versuchen, von Triebsch noch eine Tube zu bekommen, der mir ja schon im Frühjahr eine Tube gegeben hat.
Vormittags zeichnete ich den Entwurf „Der Wartende“ fertig, es wird das sicher ein sehr gutes Bild.
Nachmittags brachte mir Dr. Lindner ein Päckchen hochwertigen amerikanischen Rauchtabak, ein wunderbarer Genuß.
Pastor Kleinschmidt ist seit Montag hier, hat aber bisher noch nicht Gelegenheit genommen, mich aufzusuchen, ebensowenig wie sein Freund Pastor v. Jüchen. Auch diese Herren haben wohl Angst mit mir zu verkehren. Anders ist es wohl mit Prof. Resch auch Berlin, der ebenfalls seit Montag hier ist. Dieser Herr hat im vorigen Jahre eine so große Begeisterung für meine Bilder an den Tag gelegt u. hatte große Pläne für Ausstellungen der Bilder in Bln. entwickelt, daß er nun wohl allen Grund hat sich zu schämen, da er nichts von all diesen Versprechungen gehalten hat. Ich begreife, daß er sich scheu an meinem Hause vorbeidrückt, ohne den Kopf zu wenden. Nicht einmal in die BuStu. traut er sich herein. – Eine jämmerliche Gesellschaft.
Frau Triebsch sagt, daß am kommenden Montag der berliner kathol. Geistliche kommen soll. – Triebsch selbst war heute nicht bei mir, da Dr. Thron bei ihm zu Gast war.
Keilrahmen für das neue Bild bespannt. Das handgesponnene Leinen, das ich bisher benutzte, ist leider alle, Martha gab mir ein altes, sehr großes Tafeltuch. Ich leimte es erst u. grundierte dann. Das Material gibt sehr nach, doch hoffe ich, daß es gehen wird. Jetzt am Abend ist es noch nicht trocken, bin neugierig, wie es morgen sein wird. Ich spannte für dieses neue Bild den letzten Rahmen von meinen alten Bildern ab. Das Grundieren strengte mich sehr an.
Abends waren Riemschneiders da. Ich lernte ihn zum ersten Male kennen, ein sehr intelligenter Mann u. wohl auch ein fähiger Arzt. Wir sprachen über die Zustände dieses Sommers u. die Spannungen die in Schwerin offenbar nicht besser sind als hier bei uns. – Wolkenbruchartiger Regen. –
[6]Heute morgen war die Leinewand völlig schrumpelig. Ich versuchte, den Rahmen herauszukeilen, doch wurde es dadurch nicht besser, es blieb nichts anderes übrig, als sie wieder abzunehmen. Ich versuchte es nun neu mit einem anderen handgewebten Leinen, das ähnlich dem ist, was ich bisher mit gutem Erfolg verwendete u. das Martha bisher als Ueberdecke ihres Bettes benutzt hat. Da aber den ganzen Vormittag Stromsperre ist, kam ich nicht weiter, denn ich kann den Leim nicht kochen.
Nachmittags grundierte ich die Leinewand, sie wird nun gut werden.
Pastor Kleinschmidt war in der BuStu., von Frau Havemann u. Frau Dr. Riemschneider bestens u. nachdrücklichst bearbeitet. Er soll sehr nett gewesen sein u. gesagt haben, daß er in den nächsten Tagen selbst zu mir kommen würde. – Auch Prof. Resch hat sich in die BuStu. getraut u. hat so getan, als wäre die Ausstellung meiner Bilder in Berlin im vorigen Jahre einzig am Widerstande von Carl Hofer u. Pechstein gescheitert. Das mag ja zutreffen, aber wo ist dann die große Wirksamkeit des Herrn Resch geblieben, der vorher den Mund so vollgenommen hatte?
Adolf Behne ist nun auch hier, – ich bin sehr neugierig, ob er sich meine Bilder ansehen wird.
Alles in allem scheint es ja so, als wäre eine Entspannung der Situation durch eine Parteinahme Kleinschmidt's für mich eingetreten – u. vielleicht auch dadurch, daß Herr Becher z. Zt. nicht hier ist.
Das neue Bild farbig angelegt, – blau u. orange mit schwarz u. etwas gelb. Wird gut werden.
In der BuStu. scheint sich neues Leben zu entwickeln. Es sind jetzt viele junge Leute hier, die an der Referenten-Schulung teilnehmen u. somit beschäftigt sind u. sich für den Klatsch weniger interessieren wie die prominenten Größen. Sie haben alle starkes Interesse an meinen Bildern u. es wird unter ihnen anscheinend viel darüber gesprochen. Auch Prof. Rienäcker war in der BuStu u. ließ mir sagen, daß er demnächst zu mir kommen werde.
Ich habe wieder Sorge wegen meiner Nieren. Vor einigen Tagen hatte ich Schmerzen im Rücken in der Nierengegend die aber ebenso gut Muskelschmerzen rheumatischer Art sein konnten. Sie hielten etwa zwei Tage an, ohne sehr störend zu sein. Aber seither fühle ich wieder ein unangenehmes Gefühl, als ob es Nierensteine sein könnten. Hoffentlich geht es harmlos vorbei.
Abends war Ilse Schuster einen Moment da. Martha wird eine amerikan. Dame für die Nacht unterbringen müssen, vielleicht auch noch andere Leute, die mit dem Auto gekommen sind u. hier keine Unterkunft bekommen haben. Sie haben versucht, nach Prerow weiter zu fahren, sind aber stecken geblieben. Sie sollen mit Brandt's Pferden herausgeholt werden, sind aber bis jetzt 3/4 11 Uhr noch nicht wieder hier.
[7]Ein harmloser Sonntag –, Gott sei Dank! – Nachmittags auf der Terrasse Kaffee, Herr u. Frau Dr. Riemschneider, die sich später meine Bilder ansahen. Frau Dr. R. erhielt von einer Kölner Zeitung die Aufforderung zu einem Beitrag, Herr Dr. R. las uns den Artikel vor, über den beide offenbar sehr stolz waren. Ich fand ihn bemerkenswert ungeschickt u. unklug, da Frau Dr. R. sich nicht verkneifen konnte, ihre Differenzen mit Herrn Venzmer darin zum Gespräch zu machen, was die Leute in Köln kaum sehr interessieren dürfte. Ich hatte immer gedacht, daß nur ich allein solche Fehler mache, – es tröstet mich, daß andere dasselbe tun.
Morgen soll nun Herr Pfr. Thomberg aus Berlin kommen –, ich bin sehr neugierig.
Ich rauche jetzt schon Tabak aus eigener Ernte. Die Tomaten sind in diesem Jahre, wie ich sie noch nie gehabt habe, einige Stauden sind 2 mtr. hoch.
Nachmittags mit Frau Dr. Riemschneider, die mich gestern darum gebeten hatte, die Bilder in der Ausstellung umgehängt, einige Bilder neu gehängt wie z.B. „Der Zweifler“ u. „Leuchtturm“ einige alte Bilder entfernt. Ob die Bilder nun besser hängen wie vorher, mag dahinstehen, aber die Ausstellung hat jedenfalls wieder ein neues Gesicht bekommen.
Vormittags war Sella Hasse in der Ausstellung u. ich begrüßte sie.
Heute war einiges los, die Pechsträhne scheint endgültig vorüber zu sein. – Zunächst war am Nachmittag Adolf Behne in meiner Ausstellung. Martha sprach ihn an u. forderte ihn auf, mich zu besuchen. Er kam, während Dr. Riemschneider bei mir war, den ich gebeten hatte, sich von mir meine Krankengeschichte erzählen zu lassen, womit wir eben gerade fertig waren. Er versicherte mir, daß ich keinen Anlaß zu ernster Sorge hätte u. daß meine gelegentlichen Beschwerden eben die unvermeidlichen Folgen der Nierenbecken-Entzündung seien in Verbindung mit den zeitbedingten Ernährungsschwierigkeiten. Jedenfalls sei das alles nicht lebenbedrohend u. würde sich mit der Zeit weiter bessern.
Adolf Behne kam dann mit seiner Frau u. einem sehr niedlichen Enkelkinde. Ich zeigte ihm die Bilder, die ich hier oben habe. Das Bildnis von Dr. Tetzlaff und der Christkönig schienen den stärksten Eindruck auf ihn zu machen, auf jeden Fall war er von meinen Bildern beeindruckt. Er fragte, ob ich bereit sei, vor meinen Bildern zu den Teilnehmern der Referentenschulung zu sprechen u. er will versuchen, das einzurichten, obgleich es nicht einfach sein wird, einen geeigneten Zeitpunkt zu finden.
Während ich mit A. B. sprach, ließ sich ein Herr durch unsere Frau Hanschuch melden. Behne verabschiedete sich u. ich ging in die Ausstellung, wo ein Ehepaar auf mich wartete, das sich als Dr. Libau u. Frau aus Güstrow vorstellte. Herr Dr. L. [8] sagte mir, daß er mit anderen Güstrower Herren im vorigen Jahre meine Schweriner Ausstellung gesehen hätte u. daß da schon der Wunsch aufgetaucht sei für Güstrow ein Bild zu erwerben. Er glaube, daß dies nun nochviel mehr möglich sein würde. Er bat um Preise. Er sagte, daß er innerhalb der nächsten 14 Tage wiederkommen werde u. die maßgebenden Güstrower Herren, mitbringen werde u. er hoffe, daß aus der Sache etwas würde.
Frau Dr. Riemschneider war um die gleiche Zeit da u. war neugierig, zu wissen, wie die Sache ausgegangen sei, weshalb Martha noch abends zu ihr ging. Sie sagte ihr, daß Kleinschmidt so sehr gern die „Dorfstraße“ haben möchte. Er hat Frau Dr. R. nach dem mutmaßlichen Preis gefragt den diese mit 1800,– Rm. genannt hat. Dieser Preis ist für Kleinschmidt natürlich zu hoch. Ich werde ihm sehr gern das Bild zu jedem Preis verkaufen, denn es scheint ja wirklich so, daß Kl. sehr für mich eintritt u. da zu ihm viele Leute kommen, würde ein Bild in seinem Besitz sehr für mich werben. Kl. muß dann ja für mich werben u. er wird es tun. Da Riemschneiders ja auch schon ein Bild von mir haben, würde dieses das zweite Bild sein, welches in Schweriner Privathäusern hängt, u. das wäre ja sehr schön. Wenn dann noch aus der Güstrower Sache was würde, dann könnte es doch sein, daß ich langsam in diesem Lande festen Fuß fasse. –
Und schließlich ist Frau Buck-Schmitt an mich herangetreten mit dem Vorschlag, Zeichnungen von mir in dem kleinen Zimmer des Kunstkaten auszustellen, während Schmidt-Detloff im Hauptraum Aquarelle ausstellt. Ich würde das ganz gern tun, besonders, nachdem auch hier Frau Dr. Riemschneider wieder als gute Freundin mitwirken will. Sie will zur Ausstellungs-Eröffnung einige Worte sprechen u. will auch dafür sorgen, daß die maßgebenden Leute zur Eröffnung kommen. – Es kann das sehr nett werden u. ich habe heute einige Zeichnungen, die ich bisher noch nie gezeigt habe, für eine Ausstellung zurecht gemacht.
Wiederum ein Tag mit Ereignissen. Nachmittags wie gewöhnlich Triebsch, aber als er noch da war u. ich meinen Vortrag noch nicht ganz beendet hatte, kamen Frau Havemann u. Pastor Kleinschmidt, um Bilder anzusehen u. mit mir zu sprechen. Wir sprachen natürlich auch von den gehabten Schwierigkeiten, wobei sich herausstellte, daß Kl. einen Bericht über jene Vorkommnisse oder vielmehr über jene Diskussion mit Prof. Rienäcker erhalten hat, der von Herrn Karsten verfaßt war. Es war mir bereits vorher bekannt geworden, daß Herr Karsten auf Anordnung von Willi Bredel einen solchen Bericht schreiben mußte, ja, daß er ihn zweimal schreiben mußte, weil sein erster Bericht zu wenig belastend für mich war. Diesen zweiten Bericht hat also Herr Kl. erhalten, u. „irgendjemand“ –, [9] wie er sagte, hätte eine Bemerkung dazu geschrieben, die dem Sinne nach eine Forderung gewesen ist, mich aus dem Kulturbunde zu entfernen. Dieser „Irgendjemand“ kann ja kein anderer gewesen sein als Herr Dr. h.c. Willi Bredel! – Herr Kl. hat seinerseits aber keinen Grund gefunden, mich aus dem Kulturbunde rauszuschmeißen, besonders nicht, da er von Herrn Prof. Rienäcker Auskunft über den Sachverhalt eingeholt hat, die ergeben hat, daß mir kein Vorwurf gemacht werden kann. – Es ergibt sich also daraus, daß diese ganze Angelegenheit noch viel hintergründiger gewesen ist, als ich bisher gedacht hatte. –
Während wir über diese Dinge sprachen, betrat unerwartet Sandberg das Zimmer. Er war eben aus Berlin gekommen mit Frau u. Kind. Er soll in Wustrow wohnen, dort ist aber das Quartier noch nicht frei. Kleinschmidt bot ihm sofort bei sich Quartier an, er wohnt im Hause Bachmann. In meiner Ausstellungsangelegenheit hat Sandbg. auch nichts erreicht, da alle Berliner Galerien bis zum Frühjahr bereits besetzt sind. So werde ich nun also William Wauer zusagen, doch meint Frau Havemann, daß sie mir eine bessere Ausstellungsmöglichkeit im „Haus am Waldsee“ in Zehlendorf vermitteln könnte.
Auch diese drei waren noch nicht fort, als Sella Hasse kam. Ich zeigte auch ihr meine Bilder u. sie zeichnete mich, während ich mit ihr sprach. Auch Martha hat sie heute morgen in dieser Weise gezeichnet, leider habe ich beide Zeichnungen selbst nicht gesehen.
Auch sie war noch nicht fort, als Pfr. Thomberge aus Berlin=Schöneberg=St. Norbert, sich meldete. Er ist, wie mir vorher schon Triebsch gesagt hatte, gestern Abend aus Bln. gekommen u. wohnt bei Triebsch: Leider hat er weder Wein noch Hostien mit, wir müssen dies erst aus Ribnitz von P. Beckmann kommen lassen u. hoffen, wenigstens am Freitag zu Mariä Himmelfahrt, alles hier zu haben. Pfr. Th. hält morgen in der Referentenschulung einen Vortrag über christlichen Humanismus. Ich will mit Martha hingehen. Er will bis Ende August hier bleiben. Er ist ein gebildeter u. sehr sympatischer Herr. –
Zum Mittag- u. Abendessen war Schultze-Jasmer unser Gast. Er schläft in der Nacht bei Fritz u. wandert morgen früh nach Prerow zurück.
Abends spät kam nochmals Sandberg u. bat um einen kleinen Kochtopf, um Fenchel zu kochen, da sein 5 Monate altes Kind Leibschmerzen hat. Er sagte mir, daß Kleinschmidt sich sehr freute, von mir gehört zu haben, daß ich willens sei, ihm das Bild „Dorfstraße“ zu überlassen. – Ich werde ihn selbst einen Preis machen lassen. Er ist offensichtlich sehr freundschaftlich gesinnt u. es wird nur gut sein, wenn ich mir diese Freundschaft erhalte. Als Vize=Präsident des Kulturbundes hat er Gewicht, wenngleich man auch nie wissen kann, wie lange er in dieser Position bleiben wird. Es kratzt ja da einer dem anderen die Augen aus.
[10]Vormittags waren Martha u. ich beim Vortrage des Pfr. Thomberge über christlichen Humanismus in der Referenten-Schulung im Saal des Balt. Hofes, der im Tageslicht einen geradezu traurigen Eindruck macht, als würde er jeden Augenblick in sich zusammenbrechen. Der Verputz ist an vielen Stellen der Wände heruntergefallen u. es kommen darunter die rohen Lehmkluten zum Vorschein aus denen die Wände errichtet sind. Die Deckenverschalung weist große Lücken auf.
Pfr. Thomberge sprach vor den sehr aufmerksamen Zuhörern, zu denen auch die anderen Referenten u. Vortragenden gehörten u. ziemlich viele Gäste wie Triebsch, Dr. Thron u.a. eine Stunde über den christlichen Menschen, unter Zugrundelegung der vier Kardinaltugenden: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit u. Maß. Es war das um so schwerer, als der Redner bei den jungen Zuhörern so gut wie garkein Wissen um den christlichen Gedanken u. darüber hinaus eine mehr oder weniger einmütige Ablehnung dieses Gedankens voraussetzen durfte. Dennoch war die Diskussion, die sich anschloß u. sich bis gegen 1 Uhr hinzog, doch recht lebendig. An ihr beteiligten sich auch lebhaft die Professoren u. Lehrer, wodurch das Niveau recht gut war. Auch Pastor Kleinschmidt, der neben Martha saß, beteiligte sich sehr gut. Der Erfolg freilich ist wohl kaum größer als der, daß diese jungen Leute das Gefühl mitbekommen haben werden, daß der Katholizismus bei der Wiedergeburt einen neuen Geistes in Deutschland ein Wort mitzureden hat, ohne daß bei den jungen Leuten eine Bereitschaft geweckt worden ist, diesen Anspruch des Katholizismus zu bejahen. Das kann man ja auch nicht erwarten. Aber jedenfalls sprach Pfr. Thomberge sehr geschickt, sehr klug, sehr leidenschaftslos u. er hat sich, wie ich später feststellen konnte, besonders bei den älteren Hörern starke Sympatie erworben. – Prof. Ad. Behne begrüßte mich u. wiederholte seinen Wunsch, daß auch ich, wenn es anginge, an einem Nachmittag über moderne Kunst sprechen möchte. – Nach dem Vortrage gingen Ad. Behne u. Kleinschmidt mit uns die Dorfstraße lang, wobei ich Kleinschmidt scherzhaft darauf aufmerksam machte, daß dies für ihn kompromittierend sei.
Nachmittags lernte ich Sandbergs junge, sehr niedliche Frau, mit der er in die BuStu. gekommen, war, kennen. Wir sprachen über die Schwierigkeit das Bild „Der Zweifler“ nach Berlin zur Reproduktion zu senden. Er sah das neue Bild „Der Leuchtturm“ das ihm so gut gefiel, daß er meinte, es sei ja einfacher, dieses Bild nach Bln. zu bringen, u. daß eine farbige Reproduktion dieses Bildes nicht weniger wirksam sein würde. –
Abends kam noch ein Ehepaar Dr. Krohn, ein Chirurg aus Sachsen, überaus nette Menschen, die 14 Tage hier waren u. morgen abreisen werden. Herr Dr. Kr. hatte schon mehrfach davon gesprochen, [11] das kleine Bild „Winteraster“ kaufen zu wollen. Martha hatte als Preis 1200,– Rm genannt, aber ich hatte das nicht ernst genommen. Heute Abend aber wiederholte Dr. Kr. seinen Wunsch u. sagte, daß sein Freund Dr. Kunze, der in den nächsten Tagen herkommen wird, endgültig Bescheid bringen würde, ob er das Bild kaufen wird oder nicht. Dieser Dr. Kunze ist Fritzens Stabsarzt im Felde gewesen, unter dem er bis zuletzt Sanitätsgefreiter gewesen ist. –
Wir haben uns vergeblich bemüht, Wein u. Hostien von Ribnitz her zu bekommen. Wenn nicht noch jetzt spät abends ein Auto aus Ribnitz beides mitbringt, können wir morgen keine hl. Messe haben. –
Nachmittags mit Riemschneiders auf der Terrasse Bohnenkaffee getrunken. R's mußten plötzlich aus ihrem Quartier im Lukas hinaus, da ihre 14 Tage abgelaufen sind. Auch im Kurhause bekommen sie ab morgen kein Essen mehr. Es gelang Fritz, für sie ein neues Quartier bei Linkenbach zu finden, essen werden sie bis Montag bei uns. Es lag uns viel daran, daß Frau Dr. R. über Sonntag noch hier ist, da ich Zeichnungen im Kunstkaten ausstellen will, die Frau Dr. R. morgen hängen soll, u. zur Eröffnung soll sie u. Ehm Welk, der ebenfalls hier ist, am Sonntag Vormittag sprechen. Nachher kamen auch noch Sandberg u. seine Frau dazu. – Abends hielt Prof. Adolf Behne im Kunstkaten einen Vortrag über neue Kunst. Es waren etwa 50 – 60 Zuhörer da. Der Vortrag war wohl gut, aber keineswegs erschöpfend. Ich hatte das Gefühl, es besser machen zu können. –
Im Kurhause u. im Kulturbunde ist man voll nervöser Erwartung, weil morgen der Oberst Tulpanow kommen soll. Er ist der russische Beauftragte für die kulturellen Belange in der Ostzone. Er soll ein sehr gebildeter, deutschsprechender Russe sein. Ich werde diesen Herrn wohl kaum zu Gesicht bekommen.
Morgen Abend haben wir Prof. Behne u. Frau sowie Pfr. Kleinschmidt u. Frau eingeladen, zusammen mit Riemschneiders.
Sandberg ist immer noch von der Idee besessen, mich als Professor nach Berlin zu holen u. redet mich einstweilen schon mit diesem Titel an. Er ist nach wie vor ein Mann, der mir mit großer, offener Herzlichkeit entgegenkommt, wofür ich ihm recht dankbar bin.
Jetzt hat die eine Henne angefangen zu glucken, nachdem ich den ganzen Sommer vergeblich darauf gewartet habe. Ich nehme sie täglich mehrmals aus dem Nest u. setze sie auf die Erde, wobei sie mich wütend in den Arm hackt. Nachher setzt sie sich wieder ins Nest u. brütet, obgleich ich die Eier fortgenommen habe.
Vom Tabak ernte ich bereits. Die Blätter hängen im Schlafzimmer am Fenster. Ich hoffe, daß ich bis Weihnachten zu rauchen haben werde.
Nach Behnes Vortrag tranken Riemschneiders noch eine Tasse Tee bei uns.
[12]Gestern Abend waren Herr u. Frau Prof. Adolf Behne bei uns, dazu Herr + Frau Dr. Riemschneider sowie Frau Charlotte Buck-Schmitt. Es war ein sehr anregender u. glücklicher Abend im Seezimmer bei Thee u. Blaubeerkuchen. Das Ehepaar Behne ist überaus nett. Herr B. gab mir nützliche Aufklärungen über verschiedene wichtige Dinge, so vor allem, daß die sog. Hochschule in Weißensee eine betont russische Angelegenheit ist, bei der die SED. die ausschlaggebende Rolle spielt. Leiter dieser Schule ist ein Dr. Strauß, ein betonter Atheist, der aus dieser Einstellung heraus auch die im Vorjahre geplant gewesene Ausstellung meiner Bilder im Kulturbund Berlin verhindert hat. Sandberg irrt also vollkommen, wenn er meint, mich mit dieser Schule in Verbindung bringen zu können, u. falls das aus irgend einem Grunde doch gelingen sollte, bin ich gewarnt, dergleichen anzunehmen.
Ueber William Wauer urteilte B., daß dieser ein nicht ernst zu nehmender Mensch sei, ein Narr, dessen sogen. „Kunsthaus Tempelhof“ eine recht zweitrangige Angelegenheit sei. – Auch erzählte B., daß Herr Joh. R. Becher ihn nach meiner künstlerischen Qualität gefragt habe. – Es war ein sehr interessanter u. guter Abend.
Heute hat Frau Dr. Riemschneider Geburtstag, es ist, glaube ich, der fünfzigste. Der Mann u. die Kinder bereiteten ihr eine kleine Feier hier bei uns im Hause, wo sie auch frühstückten, während wir in der hl. Messe waren. Diese war im „KaffeeMusikzimmer“. Der Raum war gut geeignet. Pfr. Tomberge holte das Fest Mariä Himmelfahrt nach u. sprach ausgezeichnet. – Nach der hl. Messe hatten wir noch Zeit, zu frühstücken. Um 11 Uhr war die Eröffnung der Ausstellung von Aquarellen von Schmidt-Detloff u. meiner Zeichnungen im Kunstkaten. Für Schmidt-Detloff sprach Ehm-Welk sehr gut, für mich sprach Frau Dr. Riemschneider weit, weit besser. Ich war einfach gerührt über das, was sie sagte. Sie sprach ganz nüchtern u. sachlich, wie es ihre Art ist u. dabei doch so eindringlich. Das Persönliche u. Individuelle ließ sie ganz im Hintergrunde, sie sprach garnicht davon, u. dennoch wurde es beleuchtet, ja, so sehr, daß es rein zum Ausdruck kam u. mich jedenfalls sehr bewegte. Der Erfolg davon war, daß sich nachher die Leute in meinem kleinen Zimmer drängten u. nur wenige bei Schmidt-Detloff blieben.
Herr u. Frau Pfr. Kleinschmidt konnten gestern Abend leider nicht bei uns sein, da er sich dem russ. Herrn Oberst Tulpanow widmen mußte.
Nachmittags tranken wir mit Riemschneiders auf der Terrasse Kaffee u. saßen bis zum Abend. Kaspar fuhr, da sich eine Autogelegenheit ergab, um 4 Uhr mit einem Teil des Gepäcks voraus nach Schwerin, Riemschneiders fahren morgen früh. Der Aufenthalt Riemschneiders hier war für uns sehr nützlich, sie sind treue Freunde, dennoch bin ich froh, daß sie morgen fahren, denn daß sie in den letzten beiden Tagen bei uns aßen u. auch sonst trotz aller Rücksicht u. Zurückhaltung uns beanspruchten, war doch noch anstrengend für uns.
[13]Morgens 8 Uhr stille Messe bei uns. – Elisabeth Langgässer dankt für Uebersendung des Fotos des Dämon. – Nachmittags lernte ich einen Architekten Prof. Hoff oder Hopf oder ähnlich kennen mit seiner sehr netten Frau. Er ist Direktor der Kunstschule Burg Giebichenstein = Halle u. bestellte Grüße von jenem Oberspielleiter, der hier war u. bei uns einmal Kaffee getrunken hat. – Außerdem war Frau Dr. Umnus mit ihrer wiedergefundenen Tochter da u. schließlich eine noch sehr junge Dame aus Düsseldorf oder Bonn oder aus jener Gegend, die ein bemerkenswertes Verständnis für meine Bilder zeigte.
Frau Lang-Scheer besuchte mich. Sie ist für zwei Tage hier, um sich etwas von der sehr anstrengenden Arbeit in der Rostocker Kirche zu erholen. Sie zeigte mir Fotos dieser Malereien, vor denen noch das 12 mtr. hohe Gerüst steht. Was sie mir zeigte, war sehr vielversprechend sie ist eine sehr begabte Künstlerin, dabei ein frommes u. einfältiges Wesen. Sie hat in ihrem ganzen Gebahren etwas Ernst=Feierliches, das anfangs seltsam anmutet, fast komisch, an das man sich aber bald gewöhnt. Der stärkste Eindruck von ihr ist der einer unerschütterlichen Anständigkeit u. Reinheit u. eines sehr großen, sittlichen Ernstes. Sie ist unter allen Künstlern, die ich kenne, die markanteste Persönlichheit, ich schätze sie überaus hoch.
Vormittags war Dr. Rudlof da. Er brachte Wein u. Hostien u. aß bei Triebsch zu mittag. Leider brachte er auch die Nachricht, daß P. Beckmann's Zeit demnächst abgelaufen sein wird. Er wird nach Berlin zurückkehren, um sein Studium abzuschließen u. das letzte Examen zu machen.
Das Bild „Der Wartende“ geht seiner Vollendung entgegen. Es wird vielleicht das beste Bild sein, das ich bisher gemacht habe.
Morgen will Pastor Kleinschmidt unser Gast sein.
Prof. Resch war in der BuStu. u. hat erzählt, daß Herr Abusch den Vorschlag des Prof. Ad. Behne, daß ich einen Vortrag über meine Bilder halten soll, wegen meiner Ablehnung der Russen abgelehnt habe!!! Dieser Herr Abusch ist zweifellos einer der intelligentesten Vertreter der SED. Was müssen da die anderen für Banausen sein! – Ich bin neugierig, was Behne dazu sagen wird. –
Morgens hatten wir wieder eine stille Messe.
Nachmittags wie immer Triebsch, abends zum Essen das Ehepaar Kleinschmidt u. Frau Havemann. Kleinschmidt erzählte, daß er die offizielle Nachricht erhalten habe, Frau Dr. Riemschneider sei ihres Postens als Museumsleiterin enthoben. Damit ist ein Gerede Wahrheit geworden, das schon seit mehreren Wochen umgeht. Frau Dr. R. hat sich nach Kleinschmidts Darstellungen einige erhebliche Dummheiten u. Dickköpfigkeiten geleistet, die sich über eine lange Zeit hinziehen u. nun endlich zu diesem Erfolg geführt haben. Es wird das für sie ein harter Schlag sein. Sie war hier noch so sicher u. glaubte, [14] über ihre zahlreichen Feinde triumphieren zu können. Ich war deshalb stets skeptisch, aber nun tut es mir um sie herzlich leid. –
Ich einigte mich mit Kleinschmidlt über das Bild „Dorfstraße“ u. sagte ihm, er möge selber einen Preis dafür machen, der seinen materiellen Verhältnissen entspräche, er könne auch Raten zahlen. Ich sagte ihm, daß ich ihm das Bild auch schenken könne, doch glaubte ich, daß es mehr in seinem Sinne sei, wenn er das Gefühl hätte, etwas bezahlt zu haben. Er freute sich u. dankte mir. Ich nehme an, daß er sich in irgend einer anderen Weise schon revanchieren wird. – Frau Havemann, die morgen nach Berlin fährt, will abermals versuchen, eine Ausstellung meiner Bilder in Zehlendorf im „Haus am Walden“ zu arrangieren. Es wird bestimmt nicht glücken, aber es schadet ja nichts, wenn die Leute in Berlin immer wieder meinen Namen hören. –
Auch heute hatten wir früh eine stille Messe.
Die Tochter von Dr. Jaeger u. Dr. Barbara v. Renthe war zwei Tage hier. Sie hat sich zu Weihnachten die Zeichnung zu „Weidenkätzchen“ bestellt für 250, – Rm. nachdem sie zum letzten Weihnachten bereits die Zeichnung zum „Pfarrer von Ars“ bekommen hatte.
Nachmittags waren zwei Herren hier, Herr Mansfeld u. Herr Hopf (?), welche mit Martha u. mir Ueberlegungen anstellten, wie unser Ort für den Kulturbund organisiert werden kann. Der Gedankengang ist der, daß, falls die gegenwärtige Lage anhält, die kleineren Ostseebäder –, vielleicht auch die großen, allmählich ganz in den Machtbereich des FDGB. geraten u. für Gewerkschaftsmitglieder ausgenützt werden. Dasselbe sagte gestern auch Kleinschmidt. Ahrenshoop –, u. vielleicht das ganze Fischland, sollte deshalb für den Kulturbund reserviert bleiben. Augenblicklich ist Berlin an diesem Gedanken noch interessiert, aber es fragt sich, wie lange dieses Interesse dauern wird. Deshalb ist es notwendig, die augenblickliche Konjunktur auszunutzen u. aus Ahrenshoop in diesem Sinne etwas zu machen, was später auch selbständig bestehen kann. Es ist deshalb geplant, sämtliche Häuser, die dafür in Betracht kommen, so eng mit dem Kulturbunde zu verbinden, daß der Kulturbund ein Bestimmungsrecht oder wenigstens einen gewissen Einfluß hat. Wir sind planmäßig alle Häuser durchgegangen. Die Idee ist sehr gut, vielleicht wird etwas daraus? –
Fritz macht uns Sorge. Er war gestern in Rostock u. ist auf dem Bahnhof ohnmächtig geworden, nachdem er in letzter Zeit öfter schon darüber geklagt hat, daß er leichte Schwindelanfälle hätte. Es wird nötig sein, daß er sich gründlich untersuchen läßt.
Pfr. Tomberge eröffnete uns heute früh nach der stillen Messe, daß er sich erholen wolle u. erst am Sonntag wieder einen Gottesdienst halten werde.
Abends war Frau Dr. Remée=Sudeck aus Hamburg bei uns. Wie besprachen mit ihr die Aussichten ihres Hauses u. empfahlen ihr, es an den Kulturbund zu verpachten, womit sie einverstanden war. Wir werden sie mit Kleinschmidt bekannt machen, mit dem sie dann [15] selbst verhandeln kann. –
Während sie da war, kam Prof. Resch. Man hat sich, wie er sagt, nun so mit Abusch geeinigt, daß ich zwar keinen Vortrag halten werde, daß aber am Sonntag um 1/2 12 Uhr eine Veranstaltung in dem Ausstellungsraum der BuStu. stattfinden soll, welche vom „Ulenspiegel“ gemacht wird. Einleitend soll Sandberg sprechen, dann Kleinschmidt. Es soll dann eine Diskussion stattfinden, bei der auch Prof. Behne sprechen wird u. falls dann noch Gelegenheit dazu sein wird, darf auch ich ein paar Worte sagen. Ich habe mich damit einverstanden erklärt, werde aber wahrscheinlich darauf verzichten, etwas zu sagen.
Nachmittags auf der Terrasse der Maler Albrecht und seine Frau, sowie der Fotograph Toelle zum Kaffee. Sehr viel gelacht. – Das Wetter ist immer noch heiß u. trocken, sodaß eine sehr schlechte Kartoffelernte zu erwarten ist.
„Der Wartende“ wurde heute fertig. Walter Papenhagen machte mir gleich einen Rahmen, bzw. änderte einen alten Rahmen um. Gerade, nachdem ich das Bild signiert hatte, kam Prof. Gadamer mit seiner Tochter. Er ist Rektor der Universität Leipzig u. war schon im vorigen Jahre hier Heute hatte er sich bei mir mit Kleinschmidt verabredet, der dann auch kam. Wir sprachen u. a. auch über die morgige Veranstaltung. Kleinschmidt sagte mir, daß er nur über die drei Bilder „Mann im Kerker“ „Der Alte“ u. über das neue Bild sprechen wolle. Prof. Gadamer war ebenfalls eingeladen, wie überhaupt alle Leute, die etwas bedeuten. – Am Nachmittag aber kam Herr Weisenborn, der mit Sandberg zusammen den Ulenspiegel herausgibt u. der der eigentliche Veranstalter der morgigen Sache war, in die BuStu. u. sagte Martha, daß die Veranstaltung abgesagt werden müsse, weil gewisse Leute, die er nicht benannte, entschieden dagegen wären. Herr W. war sehr ärgerlich u. versicherte Martha, daß der Ulenspiegel nach wie vor zu mir stände, aber jetzt wäre gegen den Widerstand nichts zu machen. – Es scheint mir, daß eine Auseinandersetzung, die gestern zwischen den Herren Joh. R. Becher u. Abusch einerseits u. Nikisch andererseits stattgefunden haben soll u. die sehr heftig gewesen sein soll, bei dieser neuen Entwicklung eine bedeutende Rolle spielt. Herr Nikisch hat nämlich als Dozent des Referentenkursus öffentlich Partei für Ernst Jünger genommen, worüber Abusch höchst empört war. Diese Sache hat nun die Wut dieser Leute zum Sieden gebracht u. sie haben deshalb nun auch diese Veranstaltung mit mir verboten, weil ich mich über die Russen ungünstig geäußert habe. –
Herr Prof Rienäcker hat bisher immer noch nicht den Weg zu mir gefunden, obgleich er mir mehrfach versichert hat, daß er kommen wird. Wenn er wirklich kommt, werde ich ihn fragen, ob er immer noch der Meinung ist, daß der Kulturbund so unpolitisch ist, wie er tut. Man hört jetzt allgemein von den Referenten, daß jetzt zum Schluß [16] des Kursus die Politik stark in den Vordergrund gerückt wird. – Prof. Gadamer äußerte sich über Herrn Abusch sehr abfällig. Er sagte mir, daß er wenn er öffentlich sprechen müsse, dies niemals ohne Stenogramm tue, da er bereits selbst die Erfahrung gemacht habe, daß ihm das Wort im Munde rumgedreht würde.
Sehr gespannt bin ich, was Kleinschmidt u. Sandberg zu diesem neuen Boykott sagen.
Abends war der Fotograf Toelle da, der mir beim Arrangement der Bilder zum morgigen Vortrag helfen wollte u. der sehr erstaunt war, zu hören, daß alles abgesagt worden ist. Er meint, daß diese Veranstaltung allgemein bekannt geworden sei u. daß niemand etwas von der Absage wußte. Die Leute werden also morgen wohl alle vor verschlossene Türe kommen.
Um 9 Uhr hatten wir wieder im Kaffee Musikzimmer hl. Messe. Als wir zurück kamen, erzählte Fritz, Prof. Resch sei dagewesen, um zu sagen, daß die Veranstaltung in meiner Ausstellung trotzdem stattfinden solle. Es würden zwar die eingeladenen hohen Gäste nicht kommen, dafür aber alle Teilnehmer des Referentenkursus u. sehr viele andere Menschen, die alle mit Spannung auf dieses Ereignis warteten. Den Vortrag müßte ich eben selber halten. Da heute Regenwetter ist, war mit einer starken Teilnahme zu rechnen.
Während wir frühstückten, kam Kleinschmidt. Er war sehr erregt u. sagte, der gestrige Abend u. die Nacht seien für ihn voll stärkster Erregungen gewesen. Becher habe Weisenborn gezwungen, von der Veranstaltung zurückzutreten mit dem Hinweis, daß der Verlag des Ulenspiegel nicht in der russischen, sondern in der amerikanischen Zone lizensiert sei man würde, dem Verlag im Weigerungsfalle große Schwierigkeiten bereiten.
Nachdem man Weisenborn auf diese Weise unter Druck gesetzt hat, habe Kleinschmidt gefragt, ob denn gegen mich der Verdacht vorläge, daß ich Faschist sei oder sonst gegen die bestehenden politischen Verhältnisse konspiriere. Dies wurde von Becher verneint. Also habe Kleinschmidt festgestellt, daß diese ganze Hetze gegen mich nicht gegen meine Person, sondern gegen mein Werk ginge. Dies aber stehe im Widerspruch zu der zwei Tage vorher im Falle Ernst Jünger ausgesprochenen Ansicht Bechers, daß er zwar gegen die Person Jüngers sei, nicht aber gegen dessen Werk u. daß man also dieses Werk unangetastet lassen müsse. Jetzt tat Herr B. das Gegenteil. Des Rätsels Lösung liegt nach Kleinschm. Ansicht in einem früheren Ausspruch, nach dem Herr B. u. andere Leute Kleinschmidt u. Rienäcker den Vorwurf gemacht haben, daß sie beide die Schuld hätten, daß die BuStu. heute nicht schon im Besitze des Kulturbundes sei. Meine angeblich russenfeindliche Bemerkung in Verbindung mit jener Schwarzhandel=Affäre wäre ein vorzüglicher Anlaß gewesen, die BuStu. in den Besitz des Kulturbundes zu bringen, nur Kleinschmidt u. Rienäcker hätten dies verhindert. Kleinschmidt sagte mir, daß es überhaupt garnicht darauf ankomme, welche politische Gesinnung jemand hat, sondern nur darauf ob einer ein Haus u. ein gut gehendes Geschäftsunternehmen hat.
Es muß zwischen Kleinschmidt u. Becher zu sehr [17] scharfen Auseinandersetzungen gekommen sein, im Verlauf deren Kleinschmidt mit seinem Rücktritt vom Vice Präsidium gedroht hat Becher hat darauf gesagt, daß es mir privat unbenommen sei, die Veranstaltung abzuhalten, wobei er vielleicht wirklich geglaubt haben mag, daß so wie so niemand kommen würde.
Nach dieser Erklärung Kleinschmidts sagte ich, daß es sich für mich nunmehr nicht darum handeln könne, zu meinem Werk zu stehen, sondern darum, daß ich dadurch den Besitz u. die Existenz meiner Frau u. deren Kinder gefährden könnte. Wenn man auch nicht in der Lage gewesen wäre die Veranstaltung zu verhindern, so würde man doch aus Wut darüber hinterher weitere Hetzen gegen mich unternehmen u. da die Macht dieser Leute sehr groß sei, würden sie schließlich Erfolg haben. Ich würde also die Veranstaltung ausfallen lassen.
Kleinschmidt stimmte dem zu, besonders deshalb, weil er selbst dadurch in die Lage versetzt würde, bei einer zweiten Auseinandersetzung mit Becher, die unvermeidlich sein würde, auf meine nachgibige Haltung hinzuweisen. – Während wir noch über das Für u. Wider sprachen, kam Frl. v. Tigerström u. sagte, daß viele Menschen vor der BuStu. ständen u. auf die Veranstaltung warteten. Bald darauf kam auch Prof. Resch um mich zu holen. – Wir setzen ihm die Situation auseinander. Er war dann bereit, mit Martha runter zu gehen, um den Leuten zu sagen, daß die Veranstaltung ausfallen müsse. Es waren inzwischen noch viel mehr Leute gekommen u. es kamen immer noch mehr. Während dieser Zeit kam Frau Kleinschmidt u. Kleinschmidts Sekretärin, Frl. Schäfer, zu uns. Kleinschmidt fragte mich auch nach der Frau Söhlke, in deren Haus Herr Dr. Bredel wohnt, der das Haus gern an sich bringen möchte. Ich sagte ihm, daß Frau S. immer scharfe Gegnerin der Nazis gewesen sei. Aber darauf kommt es nicht an. Sie besitzt ein Haus, das Herrn Bredel sehr gefällt, u. das genügt vollauf.
Kleinschmidts gingen dann fort. Dafür kamen im gleichen Augenblick Herr Mansfeld u. Herr v. Hamm mit seiner Frau u. mit einer Frau Dr. Kirchner, Aerztin, Jüdin u. Opfer des Faschismus. Sie wollten ebenfalls an der Veranstaltung teilnehmen u. sahen sich nun das Bild „Der Wartende“ an. Besonders Herr Mansfeld ist sehr begeistert von dem Bilde. – So ging der ganze Vormittag auf diese Weise hin.
Der Nachmittag verlief ereignislos. Abends erzählte Hainar Schmitt, der Sohn von Charl. Buck-Schmitt, daß Kleinschmidt mit Sandberg u. Prof. Resch ins Kurhaus gekommen seien, als sie dort aßen. Sie seien gleich auf Becher losgegangen u. es hätte einen sehr erregten Wortwechsel gegeben. –
Das Wetter hat sich wieder aufgeklärt, der Regen, hat gut getan, Tabak u. Tomaten, die schon ganz schlaff gewesen waren, haben sich gut erholt. –
Sandberg möchte ein Foto oder ein Selbstporträt von mir haben. Zu diesem Zweck zeichnete ich vor einigen Tagen ein Porträt von mir in Kohle u. Kreide, um danach eine Zeichnung zu machen. Nach zwei Versuchen habe ich eine dritte Bleistiftzeichnung gemacht, die einigermaßen befriedigend ist, aber keineswegs endgültig. Heute machte ich nach dieser Zeichnung eine neue in der Weise, wie ich es [18] mir schon seit längerer Zeit denke: Im Hintergrunde den Tod, davor mein Bildnis u. davor einen Dämon, der die Lüsternheit des Lebens vorgaukelt. Es ist ganz gut geworden.
Herr Dr. Kuntze aus Meissen, Fritzens Stabsarzt aus dem Kriege, ist eingetroffen. Er brachte einen Brief seines Kollegen W. Krohn mit, in dem dieser mir mitteilt, daß er das Bild „Winteraster“ zum Preise von 1200,– Rm. kaufen möchte. Er hatte das schon gesagt, als er hier war. Er schickt 500,– Rm. in bar u. wird im nächsten Monat die restlichen 500,– Rm. überweisen.
Nachmittags zum Kaffee war Herr Prof Hoff (oder Hopf?) mit seiner Frau bei uns. Er ist Leiter der Schule Burg Gibichenstein b. Halle. Astrologe. Er nahm Fotos meiner Bilder mit u. möchte gern, daß ich in Halle ausstelle. Es ist das vielleicht ein Sprungbrett, um in Halle einen Lehrauftrag zu bekommen. Einen solchen würde ich gern annehmen, da Halle vom Kriege völlig unzerstört ist u. dort die politische Einstellung nicht so sehr im Vordergrunde steht. Während er da war, kam Prof. Resch. Nach seiner Meinung ist es ausgeschlossen, daß die mißglückte Veranstaltung mit meinen Bildern sich nun noch verwirklichen ließe. Abends aber erzählte Fritz, daß Kleinschmidt in der BuStu war u. gesagt hat, die Veranstaltung würde nun doch noch stattfinden.
Abends war Pfr. Tomberge bei uns. Auch er hat mich Becher über jene Veranstaltung gesprochen. Becher hat ihm die Sache so dargestellt, daß lediglich politische Gründe bei der Sache maßgebend gewesen seien. Er behauptet, daß der Kulturbund in Schwierigkeiten geraten wäre, wenn er einen Künstler unterstützte, der sich über die Russen unliebsam geäußert hat. Die Folge würde sein, daß die Russen dem Kulturbunde eine Parteinahme für mich vorwerfen würden. Das ist nun wieder ganz neu, da die Russen von der Sache, – falls sie davon überhaupt Kenntnis haben –, eben nur durch den Kulturbund selbst erfahren haben können, bzw. durch Herrn Dr. Bredel, der sich ja bekanntlich einen Bericht von Herrn Karsten machen ließ. Diesen Bericht hat er aber, so viel ich weiß, nur an Kleinschmidt weitergegeben. Aber man sieht bei der ganzen Sache nicht durch. Hat er am Ende noch mehr getan? – Kleinschmidt sagte mir am Sonntag, Becher habe sich geäußert, daß „gegen mich ein Verfahren schwebe“. Ich bezog das auf meine Vernehmung durch den Rostocker Kriminalbeamten u. sagte Kleinschmidt, daß danach garkein Verfahren gegen mich schwebe, da ja meine Vernehmung klar die Belanglosigkeit erwiesen habe. Kleinschmidt wußte davon nichts, meinte aber, daß es besser sei, überhaupt nicht davon zu sprechen, da es sonst Leute geben könne, die ein neues Verfahren gegen mich anzetteln könnten.
Während Pfr. Tomberge bei uns war, kam Prof. Rienäcker mit Frau, der aber wieder ging, als er hörte, daß Pfr. T. bei mir war. Er wollte mich, wie er sagte, lieber allein sprechen.
Es sind das alles immer noch Wichtigkeiten! –
[19]Nochmals das Selbstporträt ganz neu gezeichnet, die Gestalten des Todes u. des Dämon sind jetzt besser mit dem Porträt verschmolzen.
Nachmittags lernte ich in der Bustu. Herrn Dr. Kuntze u. seine Frau kennen. Herr Dr. Krohn hat das ganze Geld für die „Winteraster“ bezahlt. Abends war Maria Wendelstadt mit ihrer Freundin, ein Frl. Schmidt, zum Abendessen bei uns. Nachher im Seezimmer.
Triebsch hat heute abgesagt. – Walter Papenhagen habe ich einen Keilrahmen 60 x 60 für das Selbstporträt in Auftrag gegeben. Der alte P'hagen ist sehr krank, Gürtelrose u. sonstige Beschwerden. Schrecklich, wie solch ein alter, glaubensloser Mann mit seinen körperlichen Altersleiden nicht fertig wird.
Nachmittags war ganz kurz der Leiter des Museums in Freiberg i. Sa da, um noch rasch meine Bilder zu sehen, ich glaube, er heißt Dr. Maedenbach oder so ähnlich.
An Dr. W. Krohn in Meißen geschrieben u. ihm den Empfang des Geldes bestätigt.
Gestern Abend waren Herr u. Frau Dr. Kunze bei uns, erst zum Abendbrot nachher im Seezimmer. Herr Dr. K. erzählte mir nun von meiner Tochter Ruth u. ihrem Mann, seinem Freunde Heinrich Isensee. Was er sagte, war wenig erfreulich. Ruth schilderte er als eine unschöne Frau ohne jeden Charme. Sie wohnt jetzt in Bln-Moabit, hat einen fünfjährigen Jungen Thomas u. erwartet im Januar ein zweites Kind, was Dr. K. Anlaß gab zu der Aeußerung, daß er sich eine geschlechtliche Beziehung zu dieser Frau überhaupt nicht vorstellen könne. Er sagte von ihr, daß sie ein stiller u. sehr zurückhaltender Mensch sei, der auf den Gebrauch jeglicher Höflichkeitsformeln verzichtet. Man konnte merken, daß sie dem Dr. K. äußerst unsympathisch ist u. daß er seinen Freund bedauert. Dieser ist nach seiner Meinung ein ungemein begabter, aber ebenfalls gefühlsarmer Verstandesmensch von fanatischer Ehrlichkeit u. Sauberkeit der Gesinnung. Chemiker. Dr. K. las mir u. zeigte mir einen Brief vor, den er letzthin von ihm erhalten hat u. nach dem es ihm nicht besonders gut geht. Er ist seit Jahren bei der Osram-Gesellschaft angestellt, bekam früher ein sehr gutes Gehalt, jetzt aber nur noch 400,– Rm. monatl. Er scheint sich mit der Absicht zu tragen, nach dem Westen zu gehen. – Mit den beiden zusammen wohnt die Mutter Ruth's in sehr enger Wohnung, wodurch das Leben der kleinen Familie keineswegs angenehmer wird. Dr. K., der meine ehemalige Frau kaum kennt, hat aber doch den Eindruck, daß eine Annäherung zwischen mir u. Ruth kaum möglich sein dürfte, solange diese Frau lebt –, u. nachher ist seiner Meinung nach eine Annäherung ebenfalls kaum möglich, da meine Tochter äußerst stur ist u. jeden Gedanken an eine solche Annäherung entschieden zurückweist. Dr. K. hat den Eindruck, daß Ruth so vollkommen angefüllt ist mit einer vorgefaßten Meinung gegen mich, daß eine Korrektur dieser Meinung bei ihrer Charakteranlage kaum möglich sein wird. – Dagegen glaubt er, daß der Mann [20] ein sehr starkes Bedürfnis hat, den Vater seiner Frau kennen zu lernen u. daß er Ruth's schroffem Urteil über mich stets entgegentritt mit dem Hinweis, daß Ruth mich ja überhaupt nicht kennt. Hinzu kommt, daß dieser Heinr. Isensee selbst ein uneheliches Kind ohne Vater ist u. aus sehr bescheidenen Verhältnissen stammt u. sich nach einem Vater sehnt. Dr. K. meint, daß ich diesem Mann sehr notwendig sein würde. –
Dr. K. u. seine Frau sind recht nette Menschen, er scheint ein sehr guter u. gewissenhafter Arzt zu sein, den ich über meine eigene Gesundheit fragen werde.
Heute Nachmittag 5 Uhr soll nun doch noch mein Vortrag in meiner Ausstellung stattfinden. Der Referentenkursus ist heute zu Ende, morgen reisen die Teilnehmer ab. Es wird wahrscheinlich sehr voll werden, nachdem die Oberbonzen mit ihrem Klamauk ja genug Reklame für mich gemacht haben. Kleinschmidt war gestern in der BuStu u. hat gemeint, daß die ganze Hetze gegen mich von Becher ausgegangen sei, der wütend darüber gewesen wäre, daß von allen Seiten das Verlangen ausgesprochen worden sei, etwas über meine Bilder zu hören während niemand danach verlangt habe, Bechers Gedichte zu hören. – Kleinschmidt war auch in Wustrow bei dem Ehepaar Holtz, das versucht hat, ihn gegen uns einzunehmen, was aber völlig fehlgeschlagen ist. Kl. wird nun dafür sorgen, daß die Vereinigung des Kulturbundes des ganzen Fischlandes wieder aufgehoben wird u. Wustrow für sich bleibt. Es besteht die Absicht, Fritz zum Vorsitzenden des Kulturbundes von Ahrenshoop – Alt= u. Niehagen zu machen. Fritz genießt jedenfalls das vollste Vertrauen Kleinschmidts, der Herrn Venzmer zum Vorwurf macht, daß er Herrn Holtz als ehemaligen Nazi überhaupt als Vorsitzenden der Sektion bestätigt hat. – Herr Venzmer ist gegenwärtig hier. Er hat sich einen Schnurrbart wachsen lassen, wodurch seine Erscheinung noch um einen Grad vulgärer geworden ist.
Nachmittags 5 Uhr stieg also endlich mein Vortrag. Es war nicht so voll, wie ich erwartet hatte, aber fast ausschließlich junge Menschen. Außerdem war Prof. Ad. Behne mit Frau da, sowie Herr Nikisch mit Frau. Auch Dr. Kunze mit Frau war da, sowie ein Musik-Dirigent aus Güstrow, Herr Dr. Kupsch (oder so ähnlich) – Der Vortrag war ein ganz voller Erfolg, die jungen Leute waren begeistert, Behne gratulierte mir u. meinte, man könne so etwas garnicht besser machen. Es war also in jeder Weise sehr erfreulich. Besondere Freude machte mir ein ganz junger Mensch namens Richter aus Chemnitz, der mit einem ganz erstaunlichen Verständnis über meine Bilder sprach. Auch viele andere junge Leute bedankten sich.
Abends kam noch Frl. Dodell, um mir ihre Freude über den Vortrag auszusprechen. Sie ist eine Nichte des Malers Kallmorgen.
Pfr. Tomberge reist morgen wieder ab. Wir haben von diesem Geistlichen nicht viel gehabt.
[21]Vormittags traf Anneliese Wegscheider ein für einige Tage, sie kam gemeinsam mit Nina Bittner. –
Leinewand für das Selbstportät aufgespannt. Ich verwendete dazu das Tafeltuch, das ich ursprünglich für „Der Wartende“ grundiert hatte, das aber nicht glatt geworden war. Ich habe diese Leinewand nochmals naß gemacht u. dann erst gespannt, dann nochmals mit dünner Leimfarbe grundiert. Sie ist nun, nachdem ich den Rahmen rausgekeilt habe, auch ganz schön glatt geworden, nur sieht man immer noch ein wenig das eingewebte Muster. Ich hoffe, daß das beim Malen fortgehen wird.
Nachmittags war Herr Kubsch bei mir. Er war gestern in meinem Vortrag. Er ist Studienrat in Güstrow u. gleichzeitig Dirigent des dortigen Kirchenchores, eines anscheinend sehr namhaften Sängerchores. Außerdem Organist. Er ist ein ganz besonders sympatischer Mann. Zweck seines Besuches war, mich zu fragen, ob ich bereit sei, gegebenenfalls im Kulturbunde Güstrow einen ähnlichen Vortrag wie gestern über Expressionismus zu halten u. vielleicht in G. eine Ausstellung meiner Bilder zu machen. Damit rückt Güstrow abermals in das Blickfeld, nachdem vor etwa 14 Tagen ein Dr. Libau aus G. bei mir war, um sich über die Preise meiner Bilder zu informieren, da er versuchen möchte, ein Bild für Güstrow zu kaufen. Herr Kubsch verriet mir, daß Herr Dr. Libau der Stadtkämmerer von Güstrow sei. Im Sommer war auch der Intendant des Stadttheaters in G. hier, ein Herr Kähler u. seine Frau, beide sehr nett u. sehr angetan von meinen Bildern. – Ich unterhielt mich sehr gut mit Herrn Kubsch, dem ich auch meine anderen Bilder zeigte u. bei dem ich ein starkes Verständnis besonders für die religiösen Bilder fand. Güstrow scheint die lebendigste aller Mecklenburgischen Städte zu sein mit sehr viel geistiger Regsamkeit.
Abends war endlich Prof. Rienäcker mit seiner Frau da. Er ist ein sehr pedantischer Gelehrter, etwas langweilig, aber sehr anständig, leider sehr weich. Er wird das ehemals Siegert'sche Haus in Verwaltung übernehmen. – Wir sprachen über meine Affäre u. er gab mir ein Bild von Becher, das mich interessierte. Danach ist B. ein Mann, der aus innerster Ueberzeugung einen Weg des Ausgleichs mit Rußland sucht u. tief beleidigt ist, wenn jemand in irgend einer Weise solchen Ausgleich stört. Ich verstehe nun wenigstens einigermaßen Bechers Haltung in dieser Sache.
Kleinschmidt ist heute abgereist u. hat das Bild „Die Dorfstraße“ mitgenommen. Gesprochen habe ich ihn nicht mehr, er wird aber im September nochmals herkommen. – Auch Sandberg ist abgereist, ohne daß ich ihn noch gesprochen habe. Ich weiß nun nicht, ob er nach wie vor den „Leuchtturm“ reproduzieren will, oder ob er anderen Sinnes geworden ist. – Ich bin immer mißtrauisch. –
[22]Es ist unentwegt schönes Wetter. Mit Ausnahme eines kurzen Regens vor einigen Tagen haben wir seit Wochen keinen Regen mehr gehabt u. die Trockenheit ist enorm. Die Kartoffelernte wird sehr schlecht werden.
Das Selbstportät habe ich heute auf die Leinewand übertragen u. farbig angelegt. Es wird das ein außergewöhnliches Bild werden.
Abends war Dr. Kunze mit seiner Frau da. Martha war nicht wohl u. ging früh ins Bett sodaß ich mit Kunzes allein sitzen mußte. Sowas ist immer schwierig für mich, ich weiß nicht, womit ich die Leute unterhalten soll. Sie gingen denn auch bald.
Vormittags Prof. Gadamer aus Leipzig mit seiner Tochter, um nochmals das Bild „Der Wartende“ zu sehen. Das Selbstporträt stand auf der Staffelei u. machte eine starke Wirkung. Ich zeigte dann auch noch einige andere, vorjährige Bilder. Gadamer ist ein ungemein sympatischer Mann von sehr viel größerem Format als Rienäcker. Er war wohl eine Stunde da. Er hat einen Ruf nach Frankfurt a. M. u. wird am 1. Oktober dort antreten.
Mittags war Frau Dr. Umnus mit ihrem Sohn da, der in Rostock Medizin studiert u. viel ehrliches Verständnis für meine Bilder hat.
Morgens nach dem Frühstück packten wir ein Paket von Ruth Laub-Wendt aus Amerika aus mit Lebensmitteln. Sehr schön u. auch einige Kleidungsstücke waren darin, für mich ein wollenes Unterhemd, ein ausgezeichneter verknautschter Hut u. eine schöne Kravatte von blau-grüner Farbe.
Herr Benthin aus Hagenow ist wieder da. In seiner Begleitung sind zwei Nichten, schlichte, brave Mädchen, die mich durch ihren Onkel um ein Autogramm gebeten haben. Ich gab ihm dieses, als Herr B. mittags am Hause vorbeiging. Er freute sich u. meinte, er wolle diesen beiden Nichten zu Weihnachten ein Bild von mir oder eine Zeichnung schenken.
Prof. Gadamer sagte u.a., daß, falls die SED. so weitermacht, wie bisher, eines Tages überhaupt kein intelligenter Mensch mehr dieser Partei angehören würde. Er hatte dabei in erster Linie die ekelhafte u. würdelose Liebedienerei gegenüber den Russen im Auge, dann aber auch den dummdreisten Anspruch dieser Partei, in allen Dingen führend bestimmen zu wollen. Die Leipziger Kunstakademie sei völlig in den Händen der SED u. deshalb bedeutungslos. Er hatte weit entschiedenere Ansichten als Prof. Rienäcker, der gern allzuklug sein will u. überall Kompromisse schließt. Ueber Becher meinte er, daß dieser bestimmt keine persönliche Animosität gegen mich hätte, sondern daß er durch meine Aeußerung über die Russen zu seiner Haltung gezwungen sei. Diese Sache sei nun einmal nach Moskau gemeldet worden u. deshalb könne sich der Kulturbund nicht für mich einsetzen, da die Russen sonst dem Kulturbunde den Vorwurf machen würden, einen Russenfeind zu fördern. Dieser Ansicht war ja auch Rienäcker. Es scheint also, daß ich endgültig als Russenfeind abgestempelt bin.
Nachmittags war Prof. Gadamer nochmals mit seiner Tochter bei mir, weil ich deren erste Versuche in der Malerei sehen wollte. Sie scheint nicht unbegabt zu sein.