TBHB 1947-06
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1947-06 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom Juni 1947. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über 14 Seiten.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Die Tulpen-Studie mit Aquarellfarben angelegt. Die Technik liegt mir nicht, aber wenigstens bin ich mir über die Farbe klar geworden.
Abends kam Lotte Buck-Schmitt. Am Dienstag will ich vor einigen Leuten eine Einführung in meine Ausstellung geben, Frau Sch. hat die sehr gute Idee, anschließend einige Gedichte von Rilke vorzulesen, die in der Tat zu meinen Bildern sehr passend sind.
Es ist sehr heiß. Mückenplage. Hoffentlich ist es am Dienstag kühler, da sonst die BuStu. zu heiß ist.
[1][1] Sehr heiß. – Margot Seeberg stellt den Katholiken ihr Haus für den Gottesdienst zur Verfügung.
Tomaten, die von Carmen Grantz erhaltenen, gepflanzt.
Mückenplage fürchterlich!
Letzte Hand an den „Dämon“ gelegt.
[1][1] Vormittags das Bild „Aufbruch“ wieder neu vorgenommen u. sehr stark hineingemalt. Es hat nun fast keine Aehnlichkeit mehr mit seinem ersten Zustand, sodaß ich im Zweifel bin, ob ich es noch zweckmäßig „Aufbruch“ nennen soll. Der Brand, der bisher nur die linke Seite beherrschte, hat sich nun über das ganze Bild ausgedehnt, sodaß alles im Feuer steht u. die Figuren ganz davon umgeben sind. Ich sollte das Bild nun lieber „Feuersbrunst“ oder so ähnlich nennen.
Abends um 8 Uhr hielt ich in der Ausstellung in der BuStu einen Vortrag vor 30 Personen über meine Bilder. Ich besprach jedes einzelne Bild. Anschließend trug Charlotte Buck-Schmitt Gedichte von Rilke vor, sehr gut u. sehr passend. Offensichtlich hat mein Vortrag einen starken Eindruck gemacht, die Anwesenden drückten mir jedenfalls nachher ihre Sympatie aus, die bei Frau Richter leider die Folge hatte, daß sie noch spät abends mit einem kostbar in Leder gebundenen Album kam mit der Bitte, daß ich ihr etwas hineinschreiben möchte.
[2]Wie üblich nachmittags Herr Triebsch, der von meinem gestrigen Vortrag, den auch er mitgehört hatte, sehr angetan war, obgleich ich die naturalistische Kunst ablehnend kritisiert hatte. Er hat es nicht übel genommen u. erkannte das, was ich sonst gesagt habe, sehr an.
Abkühlung, gegen Abend bedeckter Himmel, Gewitterneigung.
Nachmittags 6 Uhr Gottesdienst im Hause Longard. Dr. Rudlof. Ein guter, braver Mann, aber ein langweiliger Prediger.
Abends große Aufregung. Aus Ribnitz kam die telephon. Nachricht, daß sich morgen früh 9 Uhr alle Männer von 18 bis 40 Jahren in Ribnitz zu melden haben. Ein Grund wurde nicht angegeben. Es gehen die tollsten Gerüchte um. Dr. Rudlof erzählte, daß aus der Ribnitzer Gegend die jungen Männer bereits zu Hunderten nach dem Westen geflüchtet seien. Auch unsere Männer wollen sich, so weit ich gehört habe, dem Befehl widersetzen u. nicht erscheinen. Fritz, der 39 Jahre alt ist, will ebenfalls nicht hinfahren. Mir scheint das auch das Beste zu sein. Man muß erst einmal abwarten, was daraus wird.
Anneliese Wegscheider rief abends aus Ribnitz an, sie wird morgen früh um 5 Uhr hier sein.
Leute, die aus dem Westen kommen, erzählen schon seit langer Zeit von Kriegsrüstung. Auch hier gehen solche Gerüchte um u. die Spannung zwischen Amerika u. England einereits u. Rußland andererseits hat in der Tat seit der Moskauer Konferenz immer noch weiter zugenommen. Neuerdings sind in Ungarn wieder ganz dunkle Ereignisse eingetreten. Truman hat ganz offen von einem kommunistischen Staatsstreich mit Hilfe Rußlands in Ungarn gesprochen u. hat erklärt, daß Amerika diesem Treiben nicht länger zusehen, könne. Die Spannung ist bereits so groß, daß eine geringe Zunahme zur Katastrophe führen kann. Die Welt kommt nicht zur Ruhe u. alles ist möglich.
Von Dr. Rudlof bekam ich das Kirchenblatt aus Berlin vom 1. Juni, in dem die Pfingstpredigt des Kardinals von Preysing abgedruckt ist. Diese Predigt ist sehr kurz, aber von sehr großer Schärfe. Es kommt darin zwar das Wort „Rußland“ nicht vor aber jeder sieht, daß Rußland gemeint ist. Diese Predigt hat ein großes Echo im Westen gefunden, der Nordwestdeutsche Rundfunk berichtete bereits vor einigen Tagen darüber.
Heute Abkühlung u. Regenwetter, das sehr nötig war.
Vormittags den „Aufbruch“ fertig gemalt. Der Titel kann bleiben.
Nachmittags Sitzung der Sektion im Seezeichen. Schultze-Jasmer aus Prerow war dazu herübergekommen. Es war sehr langweilig, ich zog mich aus der Jury zurück. Nina Bittner, die bei uns im sog. „D.Zug“ wohnt, ist mit ihrer Freundin gekommen, beide werden in der [3] BuStu. arbeiten. Ein Telegramm von Ruth, daß sie kommt, worüber große Freude herrscht. –
Triebsch will im Radio gehört haben, daß die fünf Länder=Präsidenten der Ostzone, welche zu einer Konferenz der Ministerpräsidenten, die heute in München beginnt, eingeladen waren, zwar dort erschienen sind, jedoch sofort wieder abgereist sein sollen. Den Grund wußte er nicht.
In Ribnitz scheinen nicht viele Männer vom Fischlande gewesen zu sein, es ist noch nichts Näheres bekannt. –
Abends: Die aus Ribnitz zurückgekehrten erzählen, daß ihnen gesagt worden sei, sie müßten von Montag an in Rostock Hafenarbeit verrichten, wer nicht erscheint, würde verhaftet werden. Rücksichten würden keine genommen, jedoch kümmerte man sich nicht weiter darum, ob auch alle Männer erschienen sind, wer gekommen war, war eben der Dumme, er wurde registiert, wer nicht gekommen war, war frei. Es ist eine Willkürherrschaft, die ihresgleichen nicht hat, u. dabei wird von nichts anderem als „Demokratie“ geredet. Es ist empörend. –
Nachmittags 2 Uhr Betriebsfeier aus Anlaß des morgigen Geburtstages. Zwanzig Personen. Es war im Ausstellungs-Saal der BuStu. ein lange Kaffeetafel gedeckt u. alles sehr hübsch mit Blumen geschmückt, aber es war dennoch entsetzlich langweilig.
Am Abend kam wieder einmal die Malerin Lang-Scheer, die nun ihre Arbeit in der Rostocker Kirche angefangen hat. Sie ist eine treue Seele, wenn auch etwas „langscherig“. Ich zeigte ihr den fertigen „Aufbruch“, den „Dämon“ u. die „Passion“. Sie erzählte, sie habe in Stralsund bei Leuten gewohnt, von denen einer Schofför bei der russischen Kommandantur sei u. gut russisch spricht. Dieser habe gesagt, daß die Russen viel von dem unvermeidlichen neuen Kriege sprächen, zu dem sie aber im übrigen keine Lust hätten. Es sei bekannt, daß die Russen in Rostock, Stralsund u. Wismar sehr viel Rüstungsmaterial landeten. Dasselbe berichtet Anneliese, die in Michendorf b. Berlin eine Wohnlaube hat. Dort rollt auf der großen Heerstraße nachts ununterbrochen Kriegsmaterial.
Ich zeichnete in das Album der Frau Richter eine Vignette mit einem Goethe-Vers, – sehr zum Vorteil dieses Albums, in dem sonst viel Mist ist.
Wir erwarteten heute vergebens Ruth u. hoffen, daß sie morgen kommen wird.
Martha's Geburtstag. Zum Frühstück bauten Fritz u. ich den Geburtstagstisch auf in meinem Atelier, der allerdings nur aus Päckchen bestand, die von M's Geschwistern u. von Ruth gekommen waren, nebst einem großen Blumenkorb von den Mitgliedern der Werkstatt. Diese hatten schon gestern eine recht nette Puppe geschenkt, die dort gemacht worden war u. die ebenfalls auf dem Geburtstagstisch ihren Platz fand. Es war Post gekommen, die Fritz gesammelt hatte, darunter besonders nette Briefe von Hans Wendt u. von [4] Ruth Laub aus Amerika, die zum ersten Male von ihrer Mitgliedschaft der Quäker näher schrieb. Es scheint, daß sie sich innerlich sehr gewandelt hat.
Leider warten wir bis jetzt, 5 Uhr nachmittags, immer noch vergeblich auf Ruth's Ankunf. Sie ist am Donnerstag von Regensburg abgefahren u. immer noch nicht hier.
Am Vormittag zeichnete ich eine Studie zu einem Bilde vom hl. Altarsakrament, das mir schon sehr lange vorschwebt u. nun zum ersten Male klarere Gestalt gewonnen hat.
8 Uhr Abends: Inzwischen hat Ruth aus Schwerin angerufen, daß sie abends 9 Uhr in Ribnitz sein wird. Fritz hat gegen Hergabe von 10 ltr. Benzin von Frau Matusch in Wustrow erreicht, daß sie ihn nach Ribnitz fährt u. wieder zurück, sodaß Ruth gegen 10 Uhr hier sein wird, vorausgesetzt, daß der Zug einigermaßen pünktlich in Ribnitz ankommt.
Nachmittags war Herr Morhaupt vom Defa=Film bei uns, der nach wie vor die Absicht hat, hier einen Kulturfilm zu drehen.
Den ganzen Tag über fühlte ich mich äußerst unwohl, verbrachte den Vormittag in meinem Zimmer in halbschlafendem Zustande im Sessel. Nach Tisch raffte ich mich auf, schnitt eine Sperrholzplatte für das Tulpenbild zu u. zeichnete dieses auf, legte mich dann aber wieder auf's Bett bis gegen Abend. Es ist merkwürdig, wie wenig ich vertragen kann, der gestrige Geburtstag u. die Ankunft Ruths, die vorhergehende Sorge wegen ihres langen Ausbleibens, – alles das war zu viel für mich. Am Abend wurde es besser. Wir tranken die Flasche Wein, die uns neulich Dr. Longard geschenkt hatte. Jeder bekam nur ein Glas. Fritz packte ein Paket aus, welches Anneliese aus Berlin mitgebracht hat u. das von den schwedischen Verwandten dort schon vor Weihnachten an uns abgesandt worden war. Es war sehr reichhaltig mit Kaffee, Thee, Seife, Schokolade usw., eine große Freude. – Ruth erzählte von ihrem Leben in Regensburg, dadurch bei mir erneut große Sehnsucht, auch dort leben zu können. Dieses Land ist mir immer fremd gewesen, aber nun, wo die Russen hier sind, ist es schrecklich. –
Ruth's Reise hierher ist fürchterlich gewesen. Sie fuhr am Donnerstag früh von Regensburg ab u. kam am Sonntag Abend spät hier an, total erschöpft.
P. Beckmann hat Nachricht gegeben, daß die Einweihung der neuen, kathol. Kapelle in Ribnitz am Donnerstag um 2 Uhr nachm. stattfinden wird, wozu er uns einläd.
Das Tulpenbild angelegt, sehr glühend in der Farbe. – Sturm u. Regen u. recht kalt. –
Fühlte mich sehr unwohl, lag den ganzen Vormittag auf dem Bett, fast den ganzen Nachmittag ebenfalls mit Ausnahme einer Zeit, in der ich Tabakpflanzen pflanzen mußte, welche die Gärtnerei Lange heute früh geliefert hatte u. die [5] unbedingt in den Boden mußten. Morgen früh muß ich um 1/2 5 Uhr aufstehen, um nach Ribnitz zur Einweihung der Kapelle zu fahren.
Früh um 1/2 6 Uhr Abfahrt mit dem sogen. „Fischland=Express“, ein altes Lieferauto, in dem zwei Bänke längsseit stehen u. in dem man nur gebückt stenen kann. Der Wagen wurde gleich in Ahrenshoop voll, nahm aber dessen ungeachtet unterwegs immer noch mehr Leute auf, sodaß eine fürchterliche Enge herrschte. Nachdem wir kurz vor Ribnitz eine Reifenpanne hatten, kamen wir um 7 Uhr am Bahnhof Ribnitz an u. gingen von dort zum ehemaligen Kloster. Vor der Kirchentür stand eine alte Flüchtlingsfrau aus dem Sudetenlande, die wir nach dem Gottesdienst fragten u. die die Gelegenheit benutzte, uns anzubetteln, was wir natürlich gern u. zu ihrem Erfolge geschehen ließen. Wir gingen dann noch spazieren, da der Gottesdienst erst um 8 Uhr anfing.
Die Kirche u. die sonstigen Baulichkeiten des ehemaligen Klosters, welches heute ein Stift für alte Damen, meist adelige, ist, sehen von außen überaus anheimelnd aus, aber innen ist die Kirche ein scheußlicher Raum mit weiß gekalkten Wänden u. häßlichen Emporen u. Einbauten u. einer sehr häßlichen hölzernen Altarwand in einer verlogenen Gotik. Ueber dem Altar ist ein nicht schlecht gemaltes, aber langweiliges Christusbild mit goldenem Kelch, rotem Gewand u. blauem Mantel. Links an der Wand ist das sehr große Grabmahl der letzten Aebtissin Ursula von Ribnitz, einer Schwester oder Tocher des Herzogs von Mecklenburg, die lange über die Reformation hinaus das Kloster katholisch erhalten hat. Sie liegt dort begraben. Ueber einem Sarkophag, auf dem die Tote liegt, – sehr kunstlos –, erhebt sich eine dekorative Architektur mit plastischen Figuren u. dem Stammbaum der Toten, alles sehr kunstlos u. platt. Die ganze Kirche wirkt kalt, unfreundlich u. verschmutzt.
Dr. Rudlof hielt eine Stille Messe, bei der wir kommunizierten. Anschließend las P. Beckmann eine stille Messe, der wir ebenfalls beiwohnten. Als dritter las dann der alte Dechant Pich, der s. Zt. hier in Wustrow war, u. der gestern in Wustrow zum Besuch seiner dortigen Verwandten aus dem Sudetenlande gewesen war u. mit dem Dampfer gekommen war, ebenfalls eine Messe, doch gingen wir mit P. Beckmann zum neuen kathol. Pfarramt. Es liegt in der Langen Straße unmittelbar bei der Stadtkirche zur ebenen Erde. Es ist ein ehemaliger Laden sehr klein, u. eine dahinter liegende Wohnung, in der P. Beckmann ein größeres Zimmer bewohnt, welches unmittelbar an den Laden anschließt u. ihm als Schlaf= Wohn= Eß= Arbeits= u. Sprechzimmer dient. Die dahinter liegenden kleinen Zimmer werden von der vierköpfigen Familie des Dr. Rudlof [6] bewohnt, der selbst aber wo anders wohnt.
Wir frühstückten im Zimmer von P. Beckmann, hatten uns Kaffee in Thermosflaschen u. Brote mitgebracht u. besichtigten dann den ehemaligen Laden, der sehr hübsch u. geschmackvoll zu einer kleinen Kapelle umgewandelt worden ist. Diese Kapelle soll des Wochentags den beiden Herren dienen u. den wenigen Leuten, die werktags zur Messe kommen. Dafür ist die Kapelle ausreichend u. man ist wenigstens wochentags frei von der protestantischen Gastfreundschaft. Nur an Sonn= u. Feiertagen wird der Gottesdienst in der Klosterkirche gehalten.
Martha hatte bis zum Mittag allerhand in Ribnitz zu erledigen, ich selbst blieb im Pfarrhause u. las in den „Stimmen der Zeit“. Mittags kamen dann der Vertreter des Bischof, Herr Dr. Schräder aus Schwerin, ferner der Herr Dechant aus Rostock, der die Einweihung der Kapelle vornehmen sollte, sowie Herr P. Beyer S.J. aus Rostock u. Herr P. Dross. Später kam auch noch Herr Pfarrer Kolodzig aus Marlow an, zu dessen Amtsbezirk Ribnitz bisher gehörte, sodaß insgesamt acht geistliche Herren zugegen waren. Mit Ausnahme des Pfarres K. aus Marlow waren wir alle Mittagsgäste der Pfarrei, die ein erstaunliches Essen aus weißen Bohnen bot. Ich saß mit P. Dross zusammen am untersten Ende der großen Tafel u. freute mich über sein allzeit fröhliches u. ungezwungenes Wesen.
Um 2 Uhr fand dann die Einweihung statt. P. Beckmann leitete alles mit großer Ruhe u. Ueberlegenheit. Es wurde kräftig gesungen, da hierzu auch noch andere Katholiken zugegen waren u. P. Beckmann las nach einigen Gebeten einen Abschnitt aus der Geh. Offenbarung. Sodann hielt P. Dross eine herzliche u. schlichte, ungezwungene Predigt u. der Dechant aus Rostock nahm dann die Einweihung vor. Darauf wurde das Allerheiligste in der Monstranz ausgesetzt u. der sakramentale Segen in der üblichen Form erteilt. –
Anschließend gab es wieder eine Kaffeetafel mit Kuchen, Cigaretten u. einigen Cigarren. Herr Dr. Schräder u. P. Beckmann hielten kurze Reden. Ich ließ durch P. Dross anfragen, ob auch ich eine kleine Rede halten dürfe u. sprach, da mir das Herz voll war, kurz, aber offenbar so gut, daß alle meinen Worten durch spontanes Händeklatschen ihren Beifall zollten. Ich freute mich, daß mir dies so gut gelungen war, da ich vorher garnicht auf den Gedanken gekommen war, eine Rede zu halten u. ganz aus der augenblicklichen Eingebung sprach.
Wir waren dann alle in sehr angeregtem Gespräch zusammen, bis die Rostocker, bzw. Schweriner Herren abfahren mußten. Pfarrer K. aus Marlow u. Herr Dechant Pich blieben länger, letzterer bis ganz zuletzt, da er den Abendzug nach Stralsund benutzte. P. Beckmann brachte uns zum Bahnhof, von wo wir wieder mit dem „Fischland-Expreß“ zurückfuhren u. um 10 Uhr abends wieder zuhause waren.
[7] Ein Gespräch sei noch vermerkt. Es hat irgendwo, ich glaube in Berlin, eine Konferenz geistlicher Herren stattgefunden, an der auch der Bischof Münch teilgenommen hat. Dieser ist Amerikaner u. Beauftragter des Hl. Vaters in Deutschland. Es ist darüber gesprochen worden, auf welche Weise die deutschen Geistlichen zu schwarzem Tuch kommen könnten, um sich Anzüge machen zu lassen. Bischof Münch hat darauf gesagt, daß nicht einmal er selbst als Amerikaner aus Amerika schwarzes Tuch beziehen könne, daß alle Amerikanischen Spinnereien ausschließlich mit der Herstellung von Uniformstoffen beschäftigt seien u. andere Stoffe nicht hergestellt würden. Also rüstet Amerika für einen Krieg. – Dazu paßt der Bericht eines Seemannes, der von Hamburg schwarz über die Grenze gekommen ist u. eben im „Fischland-Expreß“ mitfuhr. Er berichtete, daß in Hamburg mächtige 10000 Tonnen-Dampfer aus Amerika voll von Mehl ausgeladen würden daß aber gleichwohl die Bevölkerung nichts zu essen hätte. Er erklärte das damit, daß dieses Mehl eben für den Krieg aufgespeichert würde. –
Am Tulpenbilde gemalt.
Heute sollte die Saison eröffnet werden, aber die Schwierigkeiten der Ernährung sind noch nicht gelöst, sodaß die Gäste nur vereinzelt eintreffen. Auch die Eröffnung des „Kunstkaten“ hat sich verzögert.
Ich brachte am Sonnabend 3 Bilder hin: „Abend am Meer“ – „Das Gnadenbild“ – „Stilleben“, – alles kleine Bilder aus dem Jahr 1944, nicht schlecht, aber auch nichts Besonderes. Andere Bilder waren noch nicht da. Die Herrichtung des Ausstellungsraumes hatte Fritz übernommen u. trotz mancher Schwierigkeiten rechtzeitig fertig gestellt. Zur Zeit wird das Dach des Kunstkaten neu gedeckt. Auch dies hat große Schwierigkeiten bereitet. Schon im Winter mußte das Rohr geschnitten u. dann herangefahren werden, es mußte der notwendige Draht beschafft werden. Alles hat Fritz mit Geschick durchgeführt.
Ruth zeigt, daß sie die Gesinnungslosigkeit, die den Wegscheiders eigen ist, zu 100 Prozent geerbt hat. Sie war schon, als sie zum letzten Male hier war, zu Frau Ristow gegangen. Ich habe sie damals zur Rede gestellt u. sie auf diese Gesinnungslosigkeit aufmerksam gemacht. Ich sagte, ihr, daß darin ein bedauerlicher Mangel an Solidaritätsgefühl läge, wenn sie eine Frau besucht, die ihre Mutter in beleidigender Weise auf der Straße nicht grüßt. Ich nahm an, daß sie ihren Fehler eingesehen haben würde; aber ich habe mich darin leider geirrt. Sie war gestern wieder bei Frau R. u. ist erst spät in der Nacht von dort nachhause gekommen. Dieses Verhalten ist also nicht mehr mit Gedankenlosigkeit zu entschuldigen, sondern beweist einfach eine Gesinnungslumperei. Martha hat ihr das heute morgen gesagt, ich selbst habe darauf verzichtet, ein Wort darüber zu verlieren, werde sie aber die Folgen durch mein Verhalten spüren lassen.
[8] An Otto Wendt geschrieben u. mich für die Farben bedankt, die er mir vor einigen Tagen sandte.
Politisch spitzen sich die Dinge weiter zu. Die Amerikaner haben eine große, europäische Hilfsaktion in Aussicht gestellt, falls sich die europäischen Länder über gewisse Punkte einigen. Welches diese Punkte sind, habe ich bisher nicht erfahren können, aber man geht wohl nicht fehl, wenn man darin den ersten praktischen Schritt zur Vereinigung der Staaten Europas sieht. Rußland u. die übrigen, slavischen Länder sind dazu eingeladen, doch hat Rußland bisher dazu geschwiegen. Verhandlungen sind im Gange zwischen England, Frankreich, Belgien, Holland, Luxemburg. Es ist ohne weiteres klar, daß die ganze westliche Zone Deutschlands in diese Pläne einbegriffen ist. – Heute wurde im Rundfunk bekannt, daß die Russen für die Ostzone eine oberste Wirtschafts-Instanz einsetzen wollen, die den Länderregierungen übergeordnet sein soll. Dies dürfte der erste Schritt zu einer Zentralregierung der Ostzone sein. Damit ist der Bruch zwischen Ost u. West fertig u. die sogen. Potsdamer Beschlüsse sind endgültig begraben. – Der Machtkampf zwischen Ost u. West spitzt sich damit mehr u. mehr zu u. treibt unfehlbar zur Entscheidung. Die Lage in Ungarn ist weiter sehr gespannt, der ehemalige Ministerpräsident Nagy, der vor den Russen nach der Schweiz geflohen ist, ist im Flugzeug nach Amerika weiter geflogen. Italien hat sich ebenfalls dem Westen angeschlossen. Möglicherweise wird Ungarn der Funke sein, der das Pulver zur Explosion bringt. Wenn es zum Kriege kommt, hoffe ich, daß die Amerikaner wenigstens so rasch operieren werden, daß die Russen keine Zeit mehr haben, die Ostzone in Schult u. Asche zu legen.
Abends ging ich mit Martha, Fritz u. Ruth in den Kunstkaten, wo die Kommission heute die Bilder gehängt hat. Obwohl Koch-Gotha mit in der Kommission ist, sind die Bilder technisch nicht gut gehängt. Ich habe mit Fritz meine drei Bilder wenigstens so geändert, daß sie in gleichmäßiger Höhe u. niedriger hängen. Im übrigen sind sämtliche Bilder außer zwei Bildern von Frau Holtz-Sommer, ein Stilleben u. ein Blumenstück in Aquarell, unter dem Niveau der Mittelmäßigkeit.
Vormittags besuchte Koch-Gotha meine Ausstellung in der BuStu. Die beiden Engel-Bilder sowie das Rosenbild schienen ihm am besten zu gefallen. Es fällt ihm schwer, zu manchen der Bilder Stellung zu nehmen. So sagte er z.B. von dem Bilde „Der Alte“, daß er es sehr schön fände, aber daß sich ihm die Frage aufdränge, warum es gerade so gemalt sei u. warum nicht naturalistisch. Er behauptet, daß man dasselbe auch naturalistisch erreichen könne, was ich entschieden bestritt.
Abends geht das Gerücht, Amerika hätte an Rußland eine diplomatische Note wegen Ungarn [9] gerichtet. Eine Bestätigung, konnte ich noch nicht erhalten.
Ruth ist heute Nachmittag wieder nachhause gefahren, ohne daß die Verstimmung, die sie durch den Besuch bei Frau Ristow verursacht hatte, beseitigt worden wäre, vielmehr habe ich den Eindruck, daß sie diese Verstimmung überhaupt nicht bemerkt oder mindestens nicht ernst genommen hat. – Fritz ist mit ihr gefahren, da er zu Dr. Lindner muß u. noch andere Dinge zu erledigen hat. Auch ist wieder ein Paket aus Schweden für uns angekommen, das in Berlin abgeholt werden muß.
Für die Ausstellung im Kunstkaten habe ich heute noch drei Zeichnungen hingegeben. Der Maler Holtz brachte mir sechs Zeichnungen von jenen, die in Schwerin gewesen waren. Es fehlen mir nun noch zwei Zeichnungen von denen, die die Sektion Rostock von mir bekommen hat. Ich habe deshalb heute in Rostock nach dem Verbleib dieser Zeichnungen angefragt.
Triebsch zum Mittwoch-Vortrag war da. – Das Tulpenbild wird morgen voraussichtlich fertig werden. Sehr gutes Bild. – Danach werde ich abermals den „Aufbruch“ vornehmen, um noch einige Aenderungen zu machen. Danach wird der „Dämon“ nochmals bearbeitet werden müssen.
Dr. Anders aus Prerow hat heute Nachricht geschickt, daß er am 28. Juli mit zwei Lastwagen voll Kulturbund-Leuten hierher kommen wird, um meine Ausstellung zu besichtigen u. einen Vortrag von mir zu hören.
Heute sind die ersten Kulturbund-Gäste aus Schwerin eingetroffen, unter ihnen auch Frau Häffner (oder so ähnlich) vom Schweriner Landessender, die meinen Bildern so viel Verständnis entgegenbringt. Ich habe sie noch nicht gesehen.
Das Tulpenbild wurde fertig. Außerdem auch das Bild „Aufbruch“ an dem ich einige Aenderungen anbrachte, sodaß es jetzt wirklich fertig ist.
Abends waren Charl. Buck-Schmitt mit Gräfin Dohna bei uns. – Es hat sich ein sehr trauriges Ereignis zugetragen: der älteste Sohn der Frau Schönherr in Wustrow ist ertrunken, die Eltern sind z. Zt. beide im Westen, der Junge war in der Obhut der Großmutter, welche über dieses Unglück ganz von Sinnen sein soll. Frl. v. Tigerström, die die Kusine von Frau S. ist, ist nach Wustrow gefahren u. wird über Nacht wohl dort bleiben.
Wir bekamen einen kleinen Prospekt der Galerie Bremer in Berlin über eine Ausstellung des Malers Heinz Trückes. Es ist das ein ungemein begabter junger Maler, von dem man sehr viel erwarten darf.
[10]Das Bild „Dämon“ von neuem in Arbeit. Sehr starke Veränderung, starke Abstraktion. Es wird noch Arbeit machen.
Politische Situation sehr schwierig. Der engl. Außenminister Bevin hielt eine Rede, in der er sagte, Rußland möge wissen, daß der Punkt erreicht sei, wo England keine Zugeständnisse mehr machen könne. In Ungarn scheint es hoch her zu gehen. Nachdem mehrere Botschafter ihre Aemter niedergelegt haben u. sich weigern, nach Ungarn zurückzukehren, hat die neue Regierung einen neuen Botschafter für irgend ein Land ernannt, doch ist auch dieser nach der Schweiz geflohen. Der ungar. Staatspräsident hat seinen Rücktritt angeboten. In Budapest brennt heute eine große Kathedrale (Reichstagsbrand!) – Auf den Amerika=Plan zur Hilfe Europas hat Rußland immer noch nicht geantwortet. Es heißt hier, daß die Russen alle Autos gezwungen hatten nach Rostock zu kommen, wo angeblich Munition gefahren werden soll; aber das ist wohl bloß Gerücht.
Von Else Antwort auf meinen letzten Brief. Sie schreibt nett u. einsichtsvoll versteht aber wohl noch nicht recht, worum es sich gehandelt hat.
Für meine Bilder in der BuStu. scheint ziemlich viel Interesse zu sein.
Nachmittags zeigte ich Herrn Sorg, der vorgestern mit seinem Auto aus Berlin kam u. einen Freund u. dessen Frau mitgebracht hatte (natürlich hatte Herr S. für sich auch wieder eine neue Freundin mitgebracht) in der BuStu. meine Bilder u. sprach etwas dazu. Auch Frau Bittner u. Frau Toberenz waren dabei, sowie die sympathische Braut der Herrn Brüning von der Defa. – Alle waren recht sehr interessiert besonders der Freund des Herrn S., für Kaufleute bemerkenswert. Dieser Herr hat eine katholische Frau, jedoch lau. Ich redete ihr ins Gewissen. Gewitter u. starker Regen, abends wieder klar. Martha ist abends noch zum Hause Seeberg gegangen, wo morgen Gottesdienst sein soll.
Schlechtes Wetter mit Regen u. Wind. Vormittags an Else ausführlich geschrieben. Um 5 Uhr nachm. kam Dr. Rudlof u. ich brachte ihn zum Hause Seeberg. Der Raum ist für uns außerordentlich gut geeignet leider aber steht er uns schon für den nächsten Gottesdienst, der am 13. Juli sein soll, nicht mehr zur Verfügung. Einen anderen Raum wissen wir bis jetzt noch nicht. – Das Hochamt war sehr schön, besonders, da Dr. R. einen Hirtenbrief von der letzten Bischofskonferenz verlas u. uns dadurch seine Predigt erspart blieb. Er [11] mußte sofort nach dem Gottesdienst nach Dierhagen zurück fahren, wo noch abends 10 Uhr eine Beerdigung stattfand. – Es sind in dieser Woche hier auf dem Fischlande fünf Jungens ertrunken u. drei sind in Putnitz beim Spielen mit einer gefundenen Flak-Granate getötet worden.
Die hl. Kommunion war heute sehr eindrucksvoll u. andächtig.
Abends beschäftigten Martha u. ich uns mit dem Auftrennen eines Fallschirmes, den Sorg mitgebracht hat. Das Ding kostet 2500,– Rm, enthält aber sehr viel beste Seide. Die Arbeitsstube wird reichlich damit zu tun haben, die Nähte aufzutrennen, es ist eine langwierige Arbeit, aber die Nähseide soll ja auch möglichst verwendungsfähig bleiben. -
Man erwartet für die nächsten 24 Stunden die Antwort Rußlands auf den Amerika=Plan. Die Russen werden es kaum auf sich nehmen, den Plan durch Fernbleiben zu sabotieren, aber sicher werden sie alle Schwierigkeiten, die nur denkbar sind, machen. Es scheint, daß das Schicksal Europas von diesem Plan abhängt. Vielleicht gelingt es den Westmächten, Rußland bei dieser Gelegenheit so gründlich diplomatisch zu besiegen, daß ein Krieg vermeidbar wird, der sonst unvermeidlich zu sein scheint.
Der alte Rewoldt brachte mir heute einige wenige Tabakpflanzen, die aber sehr kräftig sind.
Die Russen haben die Einladung zum Marshall=Plan angenommen. Am Freitag wird bereits eine Konferenz in Paris stattfinden, ohne daß Molotow Bedingungen gestellt hat.
Die Tabakpflanzen eingepflanzt im Hofraum, ich habe jetzt über 60 Pflanzen.
Der „Dämon“ macht gute Fortschritte, doch wird das Bild sehr stark verändert.
Fritz kam heute morgen zurück.
Nachmittags ging ich in den Kunstkaten, um die immer noch sehr langweilige Ausstellung zu besichtigen. Herr u. Frau Holtz haben zusammen allein 14 Bilder u. Zeichnungen dort hängen. Frau Buck-Schmitt klagte mir ihr Leid, weil sie mit Herrn Holtz nicht zurecht kommt, der eifersüchtig darauf bedacht ist, im Vordergrunde zu sein. Ich lernte dort den jungen Maler Breuer kennen, ein Expressionist, der abstrakte Bilder malt. Gesehen habe ich von ihm nichts.
Als ich von da nachhause gehen wollte, rief Martha mich in die BuStu., da Herr Dr. Bredel mich kennen zu lernen wünschte. Er ist ein kleiner, breitschultriger u. vierschrötiger Mann, der wie ein Häusermakler oder dergleichen aussieht. Ein völlig ungeistiger Mensch. Er begrüßte mich sehr freundschaftlich, als wenn er niemals einen groben Brief von mir bekommen hätte, u. sagte, daß er Abbildungen meiner Bilder in seiner neuen Zeitschrift „Heute u. Morgen" bringen [12] wolle. Ich wehrte ab u. sagte, daß meine Bilder nicht in den Rahmen seiner Zeitschrift passen, er aber meinte, daß dieser Rahmen eben besser werden solle, das erste Heft sei sehr schlecht. Ich widersprach dem nicht, sondern bestätigte das. Wir gingen dann in meine Ausstellung. Er meinte, daß meine Ausstellung in Schwerin ja doch eine enorme Wirkung gehabt hätte u. er tat so, als wäre er immer von meinen Bildern überzeugt gewesen. Er sagte, daß besonders Pastor Kleinschmidt für meine Bilder mannhaft eingetreten sei. Es scheint, daß Herr Dr. B. kein Freund von Herrn Venzmer ist. Er fragte mich, ob ich mit Herrn V. verfeindet sei, worauf ich sagte, daß Herr V. mir völlig gleichgültig sei, er aber anscheinend gegen mich arbeite. Darauf sagte er: „Um so besser“.
Herr Dr. B. ließ erkennen, daß von Seiten der Regierung in Schwerin irgend etwas im Gange gewesen ist gegen uns. Es sei von dort im Kulturbunde angefragt worden, welche Verbindung zwischen Herrn Kramer – Ribnitz u. Braß bestünde. Ich bin nicht ganz klug daraus geworden u. hatte den Eindruck, daß es sich dabei um das Monheim'sche Haus handelt, welches der Kulturbund gern für seine Zwecke haben möchte u. das wir an die Fischlandschmuck=G.m.b.H. verpachtet haben. Möglicherweise will man da einen Druck ausüben, indem Herr Dr. B. jetzt behauptet, daß Pastor Kleinschmidt schon im vorigen Jahre wegen Verpachtung des Hauses an den K-B. mit uns verhandelt hätte. Das stimmt aber nicht. Ich bin in dieser Sache ziemlich kühl geblieben u. gab Herrn Dr. B. zu verstehen, daß es mir gleichgültig sei, wie man in der Regierung über mich denkt, da ich von dort so wie so keine Förderung zu erwarten hätte. – Herr Dr. B. blieb bei all dem äußerst freundlich. Er bat mich, ihm vier Abbildungen meiner Bilder zu senden u. Herrn Dr. Burgartz zu sagen, daß er einen Artikel dazu schreiben möchte. – Ich sehe noch nicht klar, was ihn zu dieser Haltung veranlaßt, die seiner früheren Haltung vollkommen widerspricht. Er macht eigentlich nicht den Eindruck eines Intriganten, wenngleich er auch ein schlauer u. gerissener Mann ist.
Prächtiges Sommerwetter. – Vormittags den „Dämon“ fertig gemacht, das Bild ist jetzt gut, im Gegensatz zum „Aufbruch“, der mir immer noch nicht gefällt, aber ich denke, daß ich das Bild trotzdem so lassen werde, wie es jetzt ist.
Nachmittags Herr Triebsch. Martha fuhr nach Ribnitz. – Ich sprach mittags mit Frau Burgartz wegen des Artikels in „Heute u. Morgen“, gab ihr vier Fotos mit: „Der Alte“ – „Mann im Kerker“ – „Dorfstraße“ – „Dirne“. Zu jedem Bilde habe ich einen Waschzettel gemacht u. Frau B. mitgegeben. Sie war zwar der Meinung, daß ihr Mann den Artikel nicht schreiben wollen würde, erstens, weil er Musik= u. nicht Kunstkritiker ist u. zweitens, weil er mit Dr. Bredel u. dem Kulturbunde verzankt ist. Ich ließ ihn trotzdem bitten erstens, weil es ihm gewiß Spaß machen wird u. zweitens aus Freundschaft zu mir.
[13]Martha kam gestern erst nachts nach 1 Uhr aus Ribnitz zurück, da das Auto, der sog. „Fischland-Express“, eine Panne nach der anderen gehabt hatte u. zuletzt überhaupt liegen blieb. Es war eine große Torheit, überhaupt zu fahren.
Vormittags machte ich mich nun doch noch einmal an das Bild „Aufbruch“. Ich nahm einige sehr starke Aenderungen vor u. glaube, daß es nun so bleiben kann, obgleich ich mir klar bin, daß dieses Bild keine restlose Lösung bedeutet. Vielleicht wird sich später noch eine bessere Lösung finden lassen.
Dr. Burgartz hat die Fotos meiner Bilder an mich zurückgeben lassen. Er versprach, heute Abend selbst zu kommen, doch kam er nicht. Es ist ärgerlich, daß er den Artikel nicht schreiben will, aber es ist da bei seiner hypochondrischen Anlage nichts zu machen.
Leinewand grundiert für das neue Bild Gespenster, welches in Anregung durch den niederländischen Stich „Versuchung des hl. Antonius“ entstanden ist u. dessen Entwurf ich schon längere Zeit als Federzeichnung sehr gut durchgearbeitet habe. Gleichzeitig grundierte ich Sperrholz als Malgrund für das neue Bild „Sakrament“, dessen Entwurf in Bleistift ebenfalls schon einige Zeit vor mir steht.
Vormittags Zeichnungen in der BuStu. aufgehangen, da Fritz jetzt die Wände des Raumes vor dem eigentlichen Ausstellungsraum fertig gemacht hat. Jede Zeichnung ist im Rahmen ohne Glas, alle Rahmen sind gleichartig, sodaß setzt auch dieser Teil sehr schön ist u. die eigentliche Ausstellung nicht mehr so unvermittelt für sich allein steht.
Ich arbeitete an einem Artikel in „Heute u. Morgen“ für mich selbst. Ich glaube, daß ich den richtigen Dreh gefunden habe u. die Sache etwas werden kann. –
Es ist herrliches, warmes Sommerwetter.
In der heutigen Nacht sollen die Uhren wohl wieder um eine Stunde zurückgestellt werden. Damit hört dann wenigsten der Blödsinn auf, daß um 11 Uhr nachts die Sonne noch am Himmel steht. In dieser Nacht kann man also eine Stunde länger schlafen. In der Zeitung hat von all dem nichts gestanden, man folgt einfach einem Gerücht, das von irgendwoher kommt.
Am Artikel weiter gearbeitet. Abends hielt Prof. Rienäcker im Kulturbund einen Vortrag über den Kulturbund, sein Wesen, seine Aufgaben u. Ziele. Er sprach sehr anregend 1 1/2 Stunden in der Veranda zum Seezeichen, etwa 30 Hörer. Er u. seine Frau begrüßten uns sehr freundschaftlich u. setzten sich zu uns. Da noch Zeit war u. er den Wunsch aussprach, zeigte ich ihm vorher meine Bilder in der BuStu, die ihn interessierten. Als ich [14] das Mißglücken der Ausstellung in Rostock erwähnte, tat er so, als wüßte er nicht mehr recht, wie das gekommen sei, es war ihm peinlich. Er war auch in der Ausstellung des Kunstkaten gewesen, die er langweilig fand. Er kommt erst im August wieder hierher in Urlaub.
[14][14] Gestern war ein sehr heißer Tag, 35° im Schatten. Heute war es etwas kühler, da irgendwo Gewitter gewesen sein müssen, die etwas Luftbewegung auch zu uns gebracht haben.
Vormittags übertrug ich die Zeichnung des neuen Bildes auf die Leinewand. Ich werde es wohl „Gespenster“ nennen. Später war ich in der BuStu, wo ich meine Zeichnungen, so weit sie ungerahmt sind, unter Glas im Vorraum der Ausstellung neu auslegte. Dieser Vorraum macht sich jetzt recht gut. Fritz hat nun auch das Bild „Wohnstube“ wieder in der BuStu. auf den Platz gehängt, wo es schon im vorigen Jahre hin u. recht gut dort aussieht. – Nachmittags arbeitete ich weiter an dem Artikel für Dr. Bredel, ich glaube, er kann nun so bleiben. – Abends den Rabarber im Vorgarten gegossen, der schon fast verschmachtet war. – Martha ist überanstrengt, die Hitze bekommt ihr nicht. Sie ging gleich nach dem Abendessen zu Bett. Mir bekommt diese Hitze vorzüglich.