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TBHB 1947-05

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Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1947-05
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Entstehungsdatum: 1947
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Originaltitel: Mai 1947
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom Mai 1947
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Einführung

[Bearbeiten]

Der Artikel TBHB 1947-05 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom Mai 1947. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über 12 Seiten.

Tagebuchauszüge

[Bearbeiten]
[1]
Donnerstag, 1. Mai 1947.     

[1]      Gestern u. heute hatten wir fast ununterbrochen Regen bei sehr kaltem Nordost. An Malen war gestern bei dieser Kälte nicht zu denken. Triebsch der Mittwochs zu mir kommt, ließ sich durch seine Frau entschuldigen.

     Heute morgen ließ ich im Atelier heizen, um malen zu können. Das Bild wird sehr abstrakt. – Leider bin ich scheußlich erkältet, trank gestern Abend einen Grog. Heute Nacht will ich eine Kompresse machen.

     Frl. v. Tigerström kam gestern Abend aus Schwerin, zurück Martha ist mit Fritz heute früh nach Berlin weiter gefahren. – Nach dem Rundfunk soll die Kälte weiter anhalten.

[1]
Freitag, 2. Mai 1947.     

[1]      Es ist heute noch etwas kälter als gestern. Meine Erkältung ist sehr unangenehm, ich nehme Aspirin.

     Vormittags war Feueralarm. Es brannte draußen bei Hoffmann, scheint aber unbedeutend gewesen zu sein.

[1]
Sonnabend, 3. Mai 1947.     

[1]      Heute vor zwei Jahren, früh 7 Uhr, rückten die ersten Russen im Dorf ein.

     Als ich heute erwachte, fühlte ich mich sehr unwohl, zog mich aber trotzdem an, versorgte die Hühner, merkte aber dann, daß es so nicht weiterging. Ich maß die Temperatur u. stellte 37,3° fest. Ich zog mich wieder aus u. legte mich ins Bett. – Als Trude dann kam, versorgte sie mich sehr nett mit Frühstück u. heizte bei mir den Ofen. Später bemühte sich auch Frl. v. Tigerstr. um mich besonders am Nachmittag. Ich selbst war sehr elend. Mittags Temperatur 7,7° Am Nachmittag [2] wurde es dann besser, Frl. v. T. hatte einige Tabletten Aspirin besorgt. Ich stand dann gegen 6 Uhr auf, abends war die Temperatur wieder normal. – Irgend jemand hat Dr. Meyer Bescheid gesagt, der noch um 8 Uhr abds. bei mir einsah, was wirklich sehr nett von ihm war. Er ermahnte mich, sofort ins Bett zu gehen, wenn die Temperatur wieder ansteigen sollte. Ich werde das auch tun, aber hoffentlich wird der Fall nicht eintreten.

Sonntag, 4. Mai 1947.     

     Ich war den ganzen Tag fieberfrei, blieb aber trotzdem bis 11 Uhr im Bett, weil der Kopf benommen war u. außerdem leichte Rückenschmerzen sich bedrohlich zeigten. Ich stand dann aber auf u. blieb den ganzen Tag auf, sehr beschäftigt mit Guardini „Jesus Christus“, das ich nun durchgelesen habe, aber wohl nochmals im Zusammenhang lesen werde. Es geht mir jetzt am abend verhältnismäßig gut, obgleich der Schnupfen sehr in Blüte steht u. ich weiter vorsichtig sein muß.

Montag, 5. Mai 1947.     

     Es ging heute besser, – noch nicht so, daß ich wieder arbeiten konnte, aber ich habe gelesen u. an Else geschrieben, ihr ins Gewissen geredet wegen des Unsinnes ihres letzten Briefes. – Es war den ganzen Tag über klarer Sonnenschein u. daher wärmer, aber weil Nordwind blies, war eine scharfe Luft. Ich habe einen Kommentar zum Epheserbrief von Dillersberger zu lesen angefangen.

     In Frankreich scheint sich die Moskauer Konferenz bereits auszuwirken. Gestern sind die kommunistischen Regierungsmitglieder ausgetreten, was darauf schließen läßt, daß Frankreich engen Anschluß an Amerika u. England sucht, was – ob gewollt oder nicht –, eine Spitze gegen Rußland haben muß. Der amerikan. Außenminister Marshall soll eine Rundfunkrede über die Moskauer Konferenz gehalten haben, die in der russischen Presse in auffallend scharfer Form zurückgewiesen wird. Interessant ist die Haltung Englands nach der Konferenz. Obgleich jedermann weiß, daß es die Politik Amerikas mitmacht, ist Außenminister Bevin sehr vorsichtig u. sagt kein Wort, über das die Russen beleidigt sein könnten. Die Isolierung Rußlands ist, wie ich das erwartet hatte, das größte Ergebnis der Moskauer Konferenz, für deren Ergebnislosigkeit Rußland u. Amerika sich gegenseitig verantwortlich machen. Nur daß Amerika den längeren Arm hat. Gott sei Dank!

Mittwoch 7. Mai 1947.     

     Endlich ist schönes, warmes Frühlingswetter eingekehrt. Ich freue mich darüber um so mehr, als morgen die hl. Firmung in Ribnitz stattfindet u. viele Firmlinge vom Fischlande nach Ribnitz fahren werden. Für Firmung muß Sonnenschein sein, sonst ist es nicht richtig. – Auch Herr Triebsch wird nach Ribnitz fahren. Er war heute wieder bei mir. Ich sprach über die Menschwerdung. Er hört sehr aufmerksam zu, stellt verständige Fragen, die Anlaß geben auf einzelne Dinge tiefer einzugehen, sodaß diese Mittwoch-Nachmittage auch für mich anregend verlaufen. Vor allem aber hat Triebsch offenbar selbst seine Freude daran. Es vergeht kein Mittwoch, wo er am Ende nicht äußert, daß er sich schon auf den nächsten Mittwoch freut.

     Mit meiner Erkältung ist eine bedeutende Besserung eingetreten, aber eigentlich erst im Laufe des Tages. Ich habe vormittags gemalt, aber nicht viel fertig gebracht.

     Am Nachmittag erschien ein 13jähriger Junge Ernst Ducke, Sohn sudetendeutscher Flüchtlinge, ein sehr nett aussehender Kerl, der mir erklärte, er möchte gerne das [3] Ministrieren erlernen. Ich war hocherfreut. Auch er ist Firmling u. fährt morgen nach Ribnitz. Ich habe ihn zum Sonnabend Nachmittag bestellt u. werde ihm Unterweisungen geben so gut ich kann, denn sehr viel verstehe ich ja selbst nicht, davon.

Donnerstag, 8. Mai 1947.     

     Telegramm von Martha, daß sie morgen Abend zurück kommt. – Schönes, warmes Frühlingswetter. Grub im Vordergarten vorm großen Hause ein kleines Stück um, weil ich Strohblumen-Samen, den irgend jemand besorgt hat, säen wollte. Obwohl es nur ganz wenig war, hat mich das Graben überaus angestrengt. Ich werde nun dergleichen nicht mehr tun, lieber mag der Garten verwildern.

     Ueber die Firmung in Ribnitz habe ich noch nichts gehört.

Freitag, 9. Mai 1947.     

     Martha ist nicht gekommen. Vielleicht ist sie in Ribnitz, da das Auto den D=Zug nicht abwartet. Fühle mich immer noch wenig wohl.

Sonnabend, 10. Mai 1947.     

     Früh morgens um 20 Minuten vor 6 Uhr trafen Martha u. Fritz hier ein. – Martha war von dieser Reise sehr angestrengt, hat sich aber im Laufe des Tages gut erholt. Die Reise scheint aber in vieler Beziehung ertragreich gewesen zu sein.

     Ich selbst fühlte mich den ganzen Tag über wenig wohl. Malte morgens etwas, gab es aber bald auf u. beschnitt im Garten die kümmerlichen Reste der Rosen, die dieser Winter übrig gelassen hat. Sie sind fast alle total erfroren. Nachher legte ich mich ins Bett u. lag auch nach dem Essen bis 4 Uhr, ohne daß ich mich dann wohler fühlte. Ich versuchte, zu lesen Dillersberger: „Das Wort vom Logos“, kam aber auch damit nicht weit. – Um 5 Uhr kam der kleine Ernst Ducke, der Ministrant werden will. Ich stellte fest, daß er das Latein nicht lesen kann u. daß es noch sehr viel Arbeit kosten wird, bis er soweit ist. – Nach 7 Uhr kam P. Beckmann von Wustrow her. Er erzählte sehr anschaulich vom Bischof u. von der Firmung, die der Stadt Ribnitz an diesem Tage ein stark katholisches Gepräge gegeben hat. Es waren rd. 400 Firmlinge u. etwa 1200 Personen, die an der Firmung teilnahmen. Der Bischof war sehr überrascht über diese Entwicklung, die ihm gezeigt hat, daß plötzlich Ribnitz zu den wichtigsten Zentren seiner Diözese gehört, wovon er bis dahin nichts gewußt hat. – Es ist nun endlich in Ribnitz eine Wohnung für das kathol. Pfarramt eingerichtet worden in der Langen Straße, unmittelbar bei der Stadtkirche. Es wird dort auch eine Kapelle eingerichtet u. wir besprachen die Herstellung eines Altargemäldes. –

     Ein sehr betrübendes Ereignis ist, daß das kathol. Kirchenblatt, das Petrusblatt, von den Russen in der russischen Zone verboten worden ist u. daher nicht mehr hierher versandt werden darf. –

     Die Uhren müssen heute Nacht abermals um eine Stunde vorgestellt werden, nachdem dies schon im Anfang April geschehen war.

     Morgen früh ist im Seezeichen wieder Gottesdienst, wohl zum letzten Male, weil der Raum im Sommer nicht mehr zur Verfügung steht u. ein anderer Raum nicht vorhanden ist.

[4]
Sonntag, 11. Mai 1947.     

     Heute früh Hochamt. Da in der Nacht die Uhren um eine Stunde vorzustellen waren, viele Leute das aber nicht gewußt oder nicht beachtet hatten, so waren zu Beginn des Hochamtes auch nicht sehr viele Leute da, es wurde erst nach u. nach voll. – Nachher frühstückten wir mit P. Beckmann, der dann nach Wustrow weiterfuhr. Der nächste Gottesdienst wird am Pfingstmontag den 26. Mai sein, u. zwar wollen wir versuchen, das Haus Longard dazu zu benutzen.

     Mittags verabschiedete sich der alte Herr Glaeser der morgen mit seiner Frau in ein Altersheim nach Stralsund übersiedeln wird. Damit verschwindet hier ein Mann, dessen Existenz der Tragik nicht entbehrt. Ehemaliger zaristischer Offizier u. Ingenieur, ist er dann in Deutschland gewesen als ehemaliger Balte, so verwöhnt u. anspruchsvoll, wie diese Balten waren. Jetzt ist er total verhungert u. heruntergekommen, d.h. nur körperlich, – geistig ist er noch sehr regsam u. der alte Herrenmensch, der er immer war, aber unfähig, für sich u. seine Frau, die selbst krank ist, zu sorgen. Hoffentlich wird er es in Stralsund besser haben. Er war ein Verwandter von Erich Seeberg.

     Nach Tisch schlief ich lange, da ich mich immer noch nicht von der Erkältung erholt habe. Zum Kaffee war Robert Schneider mit seiner Frau da, die für zwei Tage von Berlin hierher gekommen sind, um in ihrem Hause nach dem rechten zu sehen. Schneider ist schon wieder auf demselben Standpunkt wie damals, als ich ihn während des Krieges sprach, als es mit dem Kriege noch gut stand. Damals war er zwar kein Nazi, aber er fand doch, daß man mit dem Nationalsozialismus gute Geschäfte machen konnte u. daß man ihn „wirtschaftlich bejahen“ müsse. Heute ist er zwar nicht russophil, meint aber, daß man „wirtschaftlich“ mit den Russen arbeiten müsse. So richten diese Leute ihre Gesinnung nach dem Geldbeutel. Die Nazis haben sich dieser Leute bedient u. sie haben die Nazis gestützt. Jetzt geht es mit den Russen ebenso.

Montag, 12. Mai 1947.     

     Heute machte ich die beiden Männerköpfe, die ich noch einmal überarbeitet habe, fertig. Das Bild ist jetzt sehr gut geworden, es hat mehr Format als vorher. Ich werde es auch nicht mehr „Der unanständige Witz“ nennen, sondern einfach „Zwei Köpfe“. –

     Das Wetter ist überaus schön, trotzdem bin ich meine Erkältung immer noch nicht los.

     Ich sah mir den Raum an, der in der BuStu. als Ausstellungsraum für meine Bilder gedacht ist. Er ist jetzt so weit fertig, daß man sich eine Vorstellung von der Wirkung machen kann. Er wird groß u. sehr hell u. wird sehr repräsentativ sein. Zur Wandbespannung müssen wir leider Rupfen von Orangefarbe nehmen, einen neutralen Ton haben wir nicht. Hoffentlich wird das die Bilder nicht zu sehr beeinträchtigen.

Dienstag, 13. Mai 1947.     

     Ein neues Bild begonnen, Kopf eines leidenden Mannes, zu dem ich die Zeichnung schon längere Zeit liegen habe.

     Abends kurzer Besuch bei Küntzels, da Eva heute Geburtstag hatte. Langweilig.

[5]
Mittwoch, 14. Mai 1947.     

     Fühlte mich sehr schlecht, wäre am liebsten heute früh im Bett geblieben, stand dann aber doch um 7 Uhr auf. Nach dem Frühstück das neue Bild farbig angelegt. Ich glaube, daß es gut wird, – aber das glaube ich immer, wenn ich ein neues Bild anlege. – Den Rest des Vormittags verbrachte ich im Hintergarten, wo ich mich in die Sonne legte. – Nach Tisch schlief ich schlecht, schmerzhaften Krampf in den Füßen wie so oft. Um 4 Uhr kam Triebsch. Ich sprach eine u. eine halbe Stunde über Johannes den Täufer lieh ihm das alte u. das neue Testament, da er nichts davon besitzt, es ist alles in Berlin verbrannt. – Den Rest des Nachmittags verbrachte ich auf der Terrasse in der Sonne. Es war heute ein richtiger Hochsommertag. – Abends kam noch Fritz mit Post, darunter ein Päckchen von Otto Wendt, der uns unseren Anteil an einem Paket von Berta Wendt aus Buenos Aires schickte. Von ihr haben wir schon einmal Schmalz bekommen u. von diesem Fett leben wir. Heute war Bohnenkaffee dabei, sowie Kakao, Thee, Seife. Solche Pakete sind unsere Rettung, wir würden sonst wirklich schwer leben können ohne solche Hilfe. Gott mag es ihr lohnen! – Ganz Deutschland ist eine einzige Bettelnation geworden, u. obwohl das Ausland hilft, sterben doch unzählige an Hunger.

Donnerstag, 15. Mai 1947.     
Christi Himmelfahrt.     

     Ein schöner, sonntäglicher Tag, sehr warm. Es scheint aber, als wolle nun das Wetter wieder umschlagen – Es ging mir heute auch besser, wenn auch noch nicht gut.

Freitag, 16. Mai 1947.     

     Fühle mich nicht wohl, bin lustlos u. unfähig, die Gedanken zu konzentrieren. Habe morgens etwas gemalt, dann aber den ganzen Tag herumgesessen, ohne irgendetwas zu tun.

     Die außenpolitische Situation wird immer gespannter. Der französ. Außenminister Bidault hat offiziell im Parlament erklärt, daß –, falls die künftige Außenminister-Konferenz, die für November in London vorgesehen ist –, ebenso ergebnislos verlaufen sollte wie die Moskauer Konferenz, ein Krieg unvermeidlich sein dürfte. Nun glaube ich zwar, daß Bidault von Marshall u. Bevin aufgefordert worden ist, dergleichen zu sagen u. daß das Ganze ein diplomat. Bluff ist, um Rußland einzuschüchtern, aber immerhin zeigt das doch, wie ernst die Situation ist. Die Lage im Inneren in Deutschland ist noch schlimmer, der Hunger ist allgemein u. dazu eine völlige Hoffnungslosigkeit, Voraussetzungen zu allen Dummheiten, die möglich sind.

     Von Joseph Faensen Brief.

Sonnabend 17. Mai 1947.     

     Wenn ich im Oberkiefer noch Zähne hätte, könnte ich sagen, daß ich eine Wurzelhaut-Entzündung des rechten Augenzahnes hätte, da ich aber diesen Zahn nicht besitze, weiß ich nicht, wie ich eine solche Entzündurg benennen soll. Es mag auch belanglos sein, Hauptsache ist, daß ich diese Entzündung habe, von der ich, seitdem ich mir alle Zähne habe rausreißen lassen, geglaubt hatte, es sei unmöglich. – Nun, die Entzündung ist nicht sehr schlimm u. durchaus erträglich, aber sie ist eben da u stört. –

     Mittags traf ich in der BuStu. Herrn Risch, mit dem [6] Paul Küntzel eine Zeit lang einen freundschaftlichen Verkehr unterhalten hat. Er, Herr Risch, sprach sich mir gegenüber sehr freimütig über Paul u. Grete aus u. auch über Eva. Er fand es unerhört, daß Paul eine sehr günstige Position, welche Grete angeboten wurde, als sie im Winter in Berlin war, abgelehnt hätte, weil diese Position angeblich unter seiner sozialen Stellung war. Man kann Herrn R. nicht Unrecht geben. Hätte Paul diese Position angenommen, dann hätte er mit seiner Familie freie u. sehr auskömmliche Verpflegung u. freie Wohnung gehabt denn es handelte sich um einen Pensionsbetrieb in Berlin, dessen Gäste ausschließlich Ausländer sind, wo es auf Geld überhaupt nicht ankommt u. wo es die besten u. reichlichsten Nahrungsmittel gibt bis zu den feinsten Delikatessen. Paul u. Grete sollten die Chefs vertreten, Grete in Küche u. Haus, Paul für die Gäste. Er fand das unter seiner Würde. Jetzt aber kommt Grete fast täglich zu uns u. jammert, daß sie verhungern müßten, bis Martha ihr irgendetwas gibt. Dabei ist es unmöglich, daß wir diese Familie mit durchfüttern, da würden wir alle verhungern. – Ebenso ist es mit Eva. Sie sitzt hier herum, anstatt nach Bln. zu gehen zu ihrer Schwester Inge u. der den Haushalt zu führen während Inge auf Arbeit geht. – Diese ganze Küntzel-Familie ist mir ein rechter Klotz am Bein. Ich bin schon längst furchtbar verärgert über alle u. dadurch geschah es leider, daß ich mich auf dieses Gespräch mit Herrn Risch einließ u. meinem Aerger gleichfalls Luft machte.

Sonntag, 18. Mai 1947.     

     Immer noch macht sich die leichte Entzündung störend bemerkbar. Sonst ein ruhiger u. schöner Sonntag, es ist kühler geworden. Nachmittags kam Vadding Rewoldt, um mir etwas von seinem selbstgebauten Tabak zu schenken, der sehr gut ist. Ein rührender, selbstloser alter Mann, der von Martha mit einigen Sämereien sehr beglückt wurde. Fritz fuhr mit dem Ehepaar Klünder nach Prerow zu einer Sitzung der dortigen Sektion für Bildende Kunst u. kam erst kurz vor 10 Uhr angeregt von dort zurück.

Donnerstag, 22. Mai 1947.     

     Ich vollendete heute morgen das neue Bild, dem ich den Namen „Passion“ geben werde. Das Bild „Vernichtung“ habe ich stark überarbeitet.

     Gestern Nachmittag Herr Triebsch. Abends war für wenige Minuten Justus Schmitt da, der seine Familie im Auto hergebracht hat u. noch am gleichen Abend wieder zurückfuhr. Er scheint sich jetzt sehr ernsthaft für meine Bilder zu interessieren.

     Von Dr. Tetzlaff aus Badenweiler ein seltener Brief. Er sendet mir einen Artikel, der im Winter in den „Frankfurter Heften“ erschienen war, Verfasserin: Ida Görres. Diese übt eine sehr scharfe Kritik an den Geistlichen der kathol. Kirche, legt aber zugleich ein leidenschaftliches Bekenntnis zur Kirche ab. Die Kritik an den Geistlichen ist m. E. nicht ganz gerechtfertigt. Es mag unter unserem deutschen Klerus einige bequeme, alte u. verkalkte Herren geben u. auch einige jüngere die wohl besser sein könnten, aber der Durchschnitt ist doch durchaus gut, so weit ich das beurteilen kann. Meine Kenntnisse sind freilich nicht sehr groß, Frau Görres [7] mag da bessere Einsichten haben als ich. Aber nun hat der Erzbischof von Freiburg einen Hirtenbrief in der Fastenzeit erlassen, u. dieser ist derart, daß dahinter der Artikel der Frau Görres völlig verblaßt. Dieser Kirchenfürst, der schon lange bekannt ist wegen seiner eigenartigen Meinungsäußerungen, beschwert sich, daß Frau Görres Neuerungen einführen wolle im religiösen Leben welches seiner Aeußerung nach „ein für immer zur Ruhe gekommenes, abgeschlossenes Ganze bilde“. Der Herr ist empört, daß man ihn aus dieser Ruhe stört. Ueber die Laien sagt er dem Sinne nach, daß diese in der Kirche nichts zu sagen, sondern zu gehorchen hätten. Er traut sich zwar nicht, etwas gegen die Gemeinschaftsmesse zu sagen, doch spürt man, wie unbequem ihm derartige „Neuerungen“ sind. Das war ja schon vorher bekannt. Er begründet seine Abneigung mit der eigenartigen Feststellung, daß die Christen der Katakombenzeit in Rom auch keine Gemeinschaftsmessen gehalten hätten, da dazu ja kein Raum gewesen sei, u. in den alten, mittelalterlichen Domen wäre es zu dunkel dazu gewesen, auch hätten die Leute damals noch nicht allgemein zu lesen verstanden. – So geht es in diesem Stil weiter. Der Artikel von Frau Görres hat sicher ungeheures Aufsehen gemacht u. hat eine leidenschaftliche Diskussion ausgelöst; aber dieser Hirtenbrief des Herrn Erzbischof stellt das alles weit in den Schatten. –

     Abends kam Herr Mohrhaupt von der Defa, d. i. eine Filmgesellschaft. Er will einen Film von Ahrenshoop drehen u. will dazu Künstler u. ihre Bilder filmen. Er sah sich meine Bilder an. Er hat früher einmal Maler werden wollen u. hat in Dresden studiert, ist dann zum Theater u. dann zum Film gegangen. Ein netter u. manierlicher Mensch von etwa 45 Jahren.

     Nachher war Frau Dr. v. Monroy bei uns. Sie ist zur Erholung hier u. bleibt über Pfingsten. Eine sehr trockene u. reichlich langweilige Aerztin aus Schwerin, Erbin des Schornschen Hauses, in dem sie für diese Tage wohnt.

[8]
Tagebuch
Heft 22.

     Begonnen: 23. Mai 1947.

     Geschlossen: 26. Oktober 1947.

[9]
Freitag, 23. Mai 1947.     

     Morgens habe ich das Bild „Dämon“ aus der Bilderkammer geholt u. nochmals auf die Staffelei gestellt. Ich hatte es gestern Abend mit den anderen Bildern Herrn Mohrhaupt gezeigt u. es war mir dabei ganz klar geworden, daß es so nicht bleiben konnte. Ich hatte es längst gewußt, den Gedanken einer Aenderung aber verdrängt, weil ich nicht wußte, wie ich das Bild verbessern sollte. Heute habe ich radikal hineingemalt u. bin wenigstens so weit gekommen, daß ich einen Weg sehe für die Weiterarbeit nach Pfingsten.

     Der Ausstellungsraum in der BuStu. ist heute fertig geworden. Ich habe Mittags alle Bilder hinüber getragen, die ich dort auszustellen gedenke. Unter diesen war auch das Bild „Aufbruch“. Obwohl ich dieses Bild weitgehend überarbeitet habe, sah ich nun, daß es immer noch nicht befriedigt. Ich habe es deshalb wieder zurückgebracht u. werde es noch einmal gründlich bearbeiten, wenn ich mit dem Dämon fertig sein werde.

     Am Nachmittag habe ich mit Fritz zusammen die Bilder gehängt. Der Raum sieht ganz überraschend gut aus, das Licht ist vorzüglich u. die Bilder, die nun dort hängen, können sich sehen lassen. Es sind insgesamt 17 Bilder, darunter die neuen: „Mann im Kerker“ – „Der Alte" – „Vernichtung“ – „Dorfstraße“. – Konow hat mir sehr rasch einen Rahmen für das Bild „Passion“ gemacht, sodaß ich auch dieses Bild ausstellen kann, wenn ich ein altes herausnehme. Der allgemeine Eindruck ist vorzüglich u. ich denke, daß diese Ausstellung [10] im Sommer eine sehr beachtliche Wirkung haben wird. –

     Nachmittags meldete sich auch die Malerin Lang=Scheer, die im letzten Herbst hier war u. die nun die neu hergerichtete Kirche in Rostock ausmalen wird bzw. in einem Teil derselben Fresken malen wird. Sie bewunderte meinen Ausstellungsraum sehr.

Sonnabend, 24. Mai 1947.     

     Vormittags am Dämon gearbeitet, der allmählich ein richtiges Gesicht bekommt, aber sehr abstrakt, wie es für ein solches Bild auch sein muß. Jeder Naturalismus macht solch ein Bild dumm u. unwahr. Gegen Abend fing ich eine Zeichnung an, zu der mich die Reproduktion eines Kupferstiches anregte, die ich in einem Heft der Zeitschrift „Athen“ fand: „Dämonen peinigen den hl. Antonius“ von einem niederländischen Meister des 15. Jahrh. Dieser Kupferstich ist sehr schön, aber eben wegen seines Naturalismus unglaubwürdig u. eher komisch als dämonisch. Ich denke mir, daß man das Dämonische besser herausbringen kann, wenn man dieses Bild ganz abstrakt malt.

     Meine Ausstellung in der BuStu. hat heute bereits eine recht gute Wirkung gehabt. Es sind zwar noch keine Fremden hier, aber es waren einige Leute dort, die einen starken Eindruck davon gehabt haben. Ich werde mit dieser Ausstellung sicher eine viel stärkere Wirkung haben wie voriges Jahr, wo ich nur Zeichnungen ausstellte u. erst später einige wenige Bilder, die aber nicht in einem abgesonderten Raum hingen wie jetzt. So, wie sie jetzt hängen, werden auch diejenigen, die keinen Sinn für solche Bilder haben, nicht mehr so leicht kritisieren, wie sie das im vorigen Jahre taten.

Pfingstsonntag, 25. Mai 1947.     

     Morgens starkes Regenwetter bis mittags, später schönes Sonnenwetter.

     Nachmittags zum Kaffee bei Frau Charlotte Buck-Schmitt. Sehr nett. Anschließend kam sie zu uns, um die Ausstellung zu sehen. Es ist mir immer wieder eine erregende Freude, den Raum zu sehen. Die Bilder wirken prächtig, es wird im Sommer der stärkste Anziehungspunkt werden.

     Abends war Carmen Grantz da, die mir einige noch sehr kleine Tomatenpflanzen in Töpfen mitbrachte.

Pfingstmontag, 26. Mai 1947.     

     In der Nacht schlief ich wenig infolge des Kaffees bei Charlotte Buck-Schmitt; dabei fiel mir endlich ein, wie das Bild „Aufbruch“ zu malen ist. –

     Nachmittags 6 Uhr Hochamt, erstmalig im Hause Longard. Es ging sehr gut. P. Beckmann sah schlecht aus, überanstrengt u. war infolge dessen später nicht mehr bei uns. Er wird im Hause Longard übernachten u. morgen früh gleich nach Ribnitz zurückfahren, ohne hier nochmals eine stille Messe zu lesen.

     Kurz vor dem Hochamt kamen Dr. Anders u. seine Frau aus Prerow mit Prof. North oder so ähnlich, ein Architekt, der ebenfalls in Prerow Besitz hat u. dessen Frau. Sie besichtigten meine Ausstellung u. waren sehr beeindruckt. Es wird immer klarer, daß diese Ausstellung im Sommer ein starker Erfolg werden wird. Der Eindruck ist sehr stark.

     Vormittags Nebel, nachmittags Sonnenschein.

[11]
Mittwoch, 28. Mai 1947.     

     Fünfzehn Tomaten gepflanzt, die ich vom Gärtner bekommen habe. Die Pflanzen von Carmen Grantz lasse ich noch in den Töpfen, sie sind zu klein. Trude und Anni halfen, Komposterde heranbringen u. Wasser.

Donnerstag, 29. Mai 1947.     

     Das Bild „Der Dämon“ ist nun so weit, daß es anfängt, zu befriedigen. Es hat noch allerhand Schwierigkeiten gemacht, bis es so weit gekommen ist. Ich hoffe, morgen oder übermorgen fertig zu werden.

     Heute den ganzen Tag nicht geraucht, weil kein Tabak mehr da ist. Dr Burgartz hat versprochen, mir noch etwas zu bringen, er tat es aber heute nicht. Hoffentlich tut er's morgen, denn ich bin ganz elend, habe einen benommenen Kopf u. kann keinen konzentrierten Gedanken fassen. Es ist ein wahres Kreuz. Ich fühle mich, so wie so nicht sehr wohl u. da ist das Entbehren des Tabaks doppelt schwer.

     Abends war der neue Kurdirektor bei uns, ein Herr Karsten aus Stavenhagen, ein noch junger Mensch, der aktiver Offizier gewesen ist, dann wegen irgendetwas degradiert wurde u. später in Gefangenschaft geriet. Er möchte für sich das Haus Longard für mehrere Jahre pachten, es scheint, daß er weltschmerzliche Anwandlungen hat.

Freitag, 30. Mai 1947.     

     Es ist sehr heiß. – Im Radio wurde durchgegeben, daß beabsichtigt sei, die doppelte Sommerzeit in die einfache zurück zu verwandeln, d.h., die Uhren wieder um eine Stunde zurückzustellen, jedoch ist nicht gesagt, wann man das tun will. Diese jetzige Zeit ist wirklich untragbar, wir mußten sie ja schon 1945 auf Befehl der Russen durchführen. Wenn die Landarbeiter früh um 5 Uhr aufstehen u. um 6 Uhr die Arbeit beginnt, ist es in Wirklichkeit 3, bzw. 4 Uhr. Die Wiesen sind dann völlig naß u. es läßt sich nicht viel tun. Wenn sie um 12 Uhr Mittagpause machen, ist es 10 Uhr, u. wenn sie um 2 Uhr mit der Arbeit wieder beginnen, ist es 12 Uhr. Sie arbeiten dann während der heißesten Zeit des ganzen Tages. – Mit den anderen Berufen ist es nicht viel besser. Auch für mich ist es lästig, ich bin morgens um 7 Uhr nicht ausgeschlafen, aber wenn es abends 11 Uhr ist, ist es noch taghell u. man kann nicht einschlafen.

     Gestern bekam ich aus Berlin einen Artikel des „Tagesspiegel“ zugesandt, in dem der Dichter u. Präsident des Kulturbundes Johannes R. Becher arg heruntergerissen wird. Heute bekam ich wieder einen Artikel derselben Zeitung, in dem der ganze, angeblich so unpolitische Kulturbund als das entlarvt wird, was er wahrhaftig ist: ein geschickt getarntes Propaganda-Organ der Kommunisten. Es ist eine Schande, wie diese wenigen Kommunisten uns alle an der Nase herumführen.

[12]
Sonnabend, 31. Mai 1947.     

[12]      Es ist sehr warm u. es herrscht eine sehr große Mückenplage. – Vormittags malte ich das Bild „Der Dämon“ fertig, es brauchen nur noch einige geringe Verbesserungen vorgenommen werden, dann ist dieses Bild sehr gut u. ausstellungsreif.

     Nachmittags kam Dr. Burgartz u. brachte mir etwas Tabak. Gott möge es ihm vergelten. Er möchte so gern wieder Katholik sein, alles drängt ihn dazu, nur seine Frau steht dem im Wege, allerdings ein großes Hindernis. Ich sagte ihm, daß ich von nun an täglich für ihn beten wolle, worüber er sich freute. Er sagte, daß Frau Longard es auch getan habe.

     Eine Studie eines Tulpenstraußes gemacht, Bleistift. – Die Federzeichnung nach der „Versuchung des Hl. Antonius“ fertig gemacht.