TBHB 1947-03-06
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1947-03-06 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 6. März 1947. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Ueber Nacht war ein heftiger Nord-Ost aufgekommen. Nachdem wir gefrühstückt hatten, machten sich Fritz u. Martha bereit, gingen zu Knecht, um das Auto von Johannsen zu erwarten, mit ihnen viele andere Menschen, doch kam Johannsen nicht. Nachdem alle vom 7 – 8 Uhr vergeblich gewartet hatten, kam die Nachricht, daß Johannsen bei der Post angerufen hatte, er stecke in Dähndorf fest u. könne nicht weiter. – Fritz, der ganz versessen darauf war, nach Leipzig zu kommen, ging zu Ziemeck, um ihn zu der Fahrt zu veranlassen, da dieser gestern Abend noch den Weg von Ribnitz hierher mit seinem 1 1/2 Tonner ohne wesentliche Schwierigkeiten gemacht hatte. Er erklärte sich zur Fahrt bereit, doch mußte Fritz seinen den ganzen Krieg hindurch sorglich gehüteten Schatz von 5 ltr. Benzin dazu opfern. Um 9 Uhr fuhr er los mit Martha u. Frau Kuhrt, die vorn geschützt beim Führer saßen, auf dem offenen Wagen waren Fritz u. Herr Strohschnitter, der ebenfalls nach Leipzig wollte. – Sie sind bis Dierhagen gekommen, von da an waren die Verwehungen so stark, daß Ziemeck nicht mehr weiter fahren wollte, denn sie mußten dauernd über den Acker fahren infolge der Verwehungen auf der Chaussee. Wohl in Wustrow hatte sich ihnen ein [2] größerer Lastwagen zugesellt. Als Ziemeck streikte, stiegen Fritz u. Strohschnitter auf den großen Lastwagen um u. Ziemeck fuhr zurück u. nahm Martha mit. Gott sei Dank! – Denn inzwischen hatte sich der Nord-Ost zum Sturm gesteigert u. ein heftiges Schneewetter hatte eingesetzt. Es schneite einen feinen Schnee, der vom Sturm getrieben wurde. So kam es, daß auch Ziemeck nur zurück bis zur Molkerei Wustrow kam. Von da an mußte Martha zu Fuß weiter. Sie machte bei Frau Stricker in Althagen Station, wo sie das Gepäck stehen ließ. Gegen 3 Uhr nachmittags kam sie körperlich u. seelisch total erschöpft hier an u. legte sich gleich ins Bett. Jetzt, am Abend nach der Stromsperre, war sie wieder auf u. ich gab ihr zwei Tassen kräftigen Grog, den sie trank, aber dann ging sie wieder ins Bett. Ich bin froh, daß sie wieder hier ist, denn ich glaube nicht daran, daß Fritz nach Leipzig kommt. Es hat ununterbrochen geschneit, es schneit zur Stunde noch u. es scheint nicht, daß es so bald aufhören wird. Der Nord-Ost hat erst jetzt am späten Abend etwas an Stärke nachgelassen, doch weht es immer noch heftig. – Es ist wirklich, als ob die ganze Hölle losgelassen wäre. Es herrscht in ganz Deutschland ein unbeschreibliches Elend. Ein Strafgericht Gottes – doch merken es die Menschen nicht, es ist alles wirklich völlig hoffnungslos, wenn es nicht noch etwas anderes gäbe als diese elende Welt. – Heute berichtet das Radio über die Reisen der verschiedenen Außenminister zur Konferenz in Moskau, die am 10. März beginnen soll. Die Völker wollen Frieden, die Politiker wünschen Frieden; aber Satan hat seine Macht u. es wird keinen Frieden geben! –
Von Ruth ein guter Brief. Sie ist nun die erste Vorsitzende des Aerztevereins von Regensburg, desgleichen desselben Vereins der Oberpfalz u. Mitglied der Landes=Aerztekammer in München, u. ist dabei doch bescheiden. Gott möge sie schützen u. segnen. Welch großer Unterschied gegenüber Fritz der sich in alberne Eitelkeiten verliert. Ruth steht fragend u. forschend vor dem Tor des Glaubens, das sich ihr noch nicht geöffnet hat, aber sie denkt nicht daran, fort zugehen, ehe es sich auftut. Fritz dagegen verschludert, sich in Eitelkeit u. Flachheit u. bildet sich noch dazu ein, etwas zu sein u. zu leisten. Er ist für mich eine sehr tiefe Enttäuschung. Möge auch ihn Gott schützen! -