TBHB 1947-02
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1947-02 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom Februar 1947. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über 11 Seiten.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Es ist noch kälter geworden, doch scheint es der Höhepunkt zu sein.
Nachmittags kam Dr. Burgartz, um sich meine letzten Bilder anzusehen.
[1][1] Gestern ruhiger, schöner Sonntag, Mariä Lichtmeß u. Sonntag Septuagesima. Kurz nach 6 Uhr kam P. Beckmann, der in Dierhagen u. Wustrow Gottesdienst gehalten hatte u. bei Frau Longard über Nacht blieb, um heute früh bei uns Gottesdienst zu halten. Er berichtete, daß heute in Rostock die Eröffnung eines Jesuitenhauses stattfinde, wobei er zugegen sein müsse sodaß er gleich nach der Messe u. dem Frühstück zurück müsse, um Mittags nach Rostock zu fahren. Die Jesuiten haben in Rostock in der Wismarschen Straße eine Wohnung gemietet. – Auch P. Beckm. hat nun in Ribnitz eine eigene Wohnung zugewiesen bekommen, die er allerdings noch nicht beziehen kann, da die Russen noch darin sind. Es ist eine Laden=Wohnung u. er will den Laden als vorläufige Kapelle herrichten.
Als ich gestern Abend schlafen ging, war ich mir sehr klar über meine Beichte heute morgen, sodaß ich mich auf die Beichte innig freute. Dies ist mir zum ersten Male vorgekommen. Ich habe heute früh in diesem Geiste gebeichtet u. habe noch nie eine so klare u. gute Beichte abgelegt. Zum ersten Male, daß ich dieses Sakrament wirklich mit vollem Bewußtsein empfangen habe. – P. Beckmann las die Messe Mariä Lichtmeß, da diese gestern vom Sonntag Septuagesima verdrängt worden war. Nach der Messe erteilte er den Blasius=Segen. In der Messe war es sehr voll, obwohl wir diesen Gottesdienst nicht bekannt gemacht hatten, weil sonst zu viele gekommen wären. –
Die Vorlesung des Lebens der hl. Theresia ist beendet. Obgleich ich das Buch für mich allein gelesen habe, ehe ich die einzelnen Abschnitte Martha vorlaß, u. obwohl ich die einzelnen Abschnitte mehrfach gelesen habe, will ich nun das ganze Buch noch einmal für mich durchlesen u. dabei ein Verzeichnis der vorkommenden Personen anlegen. Ich bin von diesem Buch, das ich früher ohne besonderen Nutzen [2] schon einmal gelesen hatte, jetzt sehr tief beeindruckt u. ich fühle deutlich, wie ich durch diesen geistigen Umgang mit der Heiligen gefördert werde. Ich bin darüber sehr beglückt, denn seit dem Sommer mit seinen vielfältigen Zerstreuungen ist mir eine Erneuerung meiner religiösen Haltung sehr notwendig gewesen, ohne daß ich selbst von mir aus die Kraft fand, eine solche Erneuerung herbeizuführen. Ich werde mich jetzt ganz der Führung der hl. Theresia anvertrauen.
Vormittags spannte ich die neue Leinewand für das Dämonenbild auf u. grundierte sie. Nachdem ich jetzt Tafelleim habe, konnte ich endlich einmal einen guten Malgrund herstellen.
Es war besonders gestern bitter kalt. Heute ist eine Milderung eingetreten, doch ist es immer noch recht kalt. Im Rheinland ist Tauwetter eingetreten, aber es langt nicht bis hierher, es schafft nur etwas Milderung.
Vormittags das Dämonenbild mit Kohle auf die Leinewand übertragen, was viel Zeit in Anspruch nahm. Dieses Bild wird allerdings sehr dämonisch.
Der Frost hat, Gott sei Dank! – nachgelassen, die Fenster sind abgetaut.
Ich habe die Lektüre des Lebens der hl. Theresia nochmals begonnen u. lege ein Personenregister an. Ich denke, daß mir dadurch die Uebersicht sehr viel klarer werden wird, außerdem werde ich dann die Briefe der Heiligen mit viel größerem Verständnis lesen können. – Abends habe ich heute angefangen, das Buch der Klosterstiftungen Martha vorzulesen. Diese Lektüre ist wesentlich einfacher, wie mir scheint. Danach werde ich hoffentlich in der Lage sein, die Seelenburg u. die anderen Schriften mit größerem Nutzen lesen zu können.
In der Stromzuteilung ist wieder eine Aenderung eingetreten, wenigstens hatten wir heute von 3 – 5 Uhr nachm. Strom, – bisher von 4 – 6 Uhr, und dann wie bisher von 1/2 10 Uhr an. In der Zeit der Dunkelheit besuchte Martha heute Küntzels, während ich mich hinlegte, um zu schlafen. Dabei hatte ich folgenden, sehr lebhaften Traum:
Ich ging in den Garten zum Birnbaum, dessen Früchte irgend jemand gestohlen hatte, nur drei sehr schöne, runde, saftige Birnen waren übrig geblieben, die ich abnahm u. ins Haus trug. Dort saß ich in einem Möbel, welches sich als Badewanne erwies. Martha saß neben mir, aber nicht in der Wanne. Wir wollten die Birnen essen u. ich holte dazu Obstmesser, fand aber nur Fischmesser. Ich fragte Frl. v. Tigerström danach, aber sie antwortete anstatt „Messer“ immer: „Messe“. Ich ging wieder in die Badewanne u. schnitt mit dem Fischmesser die eine Birne auf, welche indessen innen mulmig war. Ich schnitt das Schlechte fort u. aß das Gute, – Martha war nicht mehr da. – Die Deutung dieses Traumes scheint einfach: Meine „Früchte“, die ich bereits hatte, sind gestohlen worden vom bösen Feinde. (Vor 2 Jahren hat [3] der idiotische – vom Dämon besessene Wilhelm Meier tatsächlich alle Birnen gestohlen). Nur drei gute Früchte sind übrig geblieben, eine davon ist mulmig. Ich sitze in der Badewanne=Reinigungsort, denke an die hl. Messe u. an den Fisch=Christus u. an das Messer, mit welchem der Winzer den Rebstock beschneidet. Wollte Gott, daß ich wirklich mich reinige von den zahlreichen läßlichen Sünden den Zerstreuungen, Eitelkeiten u. Nachlässigkeiten, denen ich mich seit dem Sommer hingegeben habe u. daß der göttliche Winzer Christus mich beschneidet. – Ich möchte so gern nach dem Beispiel der hl. Th. das innerliche Gebet üben, doch fehlt mir die Gelegenheit dazu. Die Stunden der Dunkelheit wären dazu wohl geeignet, doch bin ich so müde, daß ich dabei einschlafe. Dennoch versuche ich es immer, ich denke mir, daß „es“ innerlich weiter betet, wenn ich auch schlafe. Der Traum heute scheint das zu bestätigen.
Der Frost hat weiter nachgelassen, doch ist dafür Schneewetter bei Nordwind eingetreten. Fritz will morgen per Auto nach Rostock, doch wird, wenn es über Nacht weiter schneit, daraus kaum etwas werden, da der Wind zu stark ist, sodaß es Schneeverwehungen geben wird. Er bemüht sich, Schuhe heranzubekommen, die in Rostock liegen, aber es ist bisher nicht möglich gewesen, da es an der Transportmöglichkeit mangelt.
Vormittags habe ich das Dämonenbild angelegt, ich erhoffe mir davon sehr viel. Fritz hat vorgestern meine letzten Bilder fotografiert.
Frost hat wieder zugenommen. Mehr Schnee, der Nord-Ost hat Eis angetrieben, sodaß das Meer voll Eis ist bis zum Horizont. Keine Aussicht auf baldige Besserung.
Da die Untermalung des Bildes nicht trocken war, las ich Vormittags im Leben der hl. Theresia, auch nachmittags. Fritz kam abends aus Rostock zurück. – Von Ruth ein netter Brief vom 3. Januar.
Die Malerin Margarete Federmann aus Schwerin hat mir geantwortet in einem sehr langen Brief, der indessen leider in einer Handschrift geschrieben ist, die kaum lesbar ist.
Es ist noch kälter geworden u. es scheint, daß der Höhepunkt noch nicht erreicht ist. Die ganze Bucht liegt voll Eis.
Vormittags gemalt, nachmittags hl. Theresia gelesen, mit der ich immer vertrauter werde u. ein immer festeres Verhältnis finde. In der Dunkelheit war Martha allein bei Frau Longard, die besonders nett gewesen zu sein scheint. Sie hat erzählt, daß das Ehepaar Triebsch bei ihr gewesen ist u. gesagt hat, es sei doch unrecht, mir nichts über seine Konversion zu sagen, sie wollten das jetzt nachholen. – Frau L. hat wieder nette Sachen erzählt u. reizende Aussprüche getan. So nannte sie sich selbst „eine dumme Gans“. Ferner erzählte sie, daß sie die Gelegenheit benutzt, wenn ihr [4] Mädchen Erna mal nicht im Hause ist, um rasch ihre eigenen Erbsen zu stehlen, die sie dann ihrer Tochter nach Berlin schickt. – P. Beckmann will zur Konversion von Triebsch für einige Tage herkommen, um ihm noch die letzten Unterweisungen zu geben u. sich selbst zu erholen.
Abends aus dem Buche der Klosterstiftungen der hl. Therese vorgelesen.
Der Frost hat noch mehr zugenommen, dazu ein scharfer Ostwind.
Vormittags gemalt. Nachmittags Leben der hl. Theresia gelesen, abends Klosterstiftungen vorgelesen.
Mit der Post kam eine Vermählungsanzeige des Herrn Theodor Vogt aus Neuruppin mit jener polnischen Dame, mit der er schon während des Krieges in Lodz ein Verhältnis gehabt hat u. mit der er, wie ich gehört habe, jetzt auch ein Kind haben soll. Es ist unfaßlich, wie tief ein Mensch fallen kann. Er war Rechtsanwalt in Berlin u. aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Freigeist. Dann trat er mit seiner Frau zur kathol. Kirche über u. machte ein riesiges Bewähr davon, holte sogar die kirchliche Trauung nach, fuhr nach Rom usw. Er gab sein Anwaltsbüro in Bln. auf, nachdem er sehr viel Geld verdient hatte, kaufte in Havelberg ein Haus wie ein kleines Schlößchen u. war dort Anwalt. Als die Nazis kamen trat er in die Partei ein u. ließ sich in Havelberg als Stadtrat wählen. Er besaß ein großes Bild von mir: „Der Asket“.
Als Nazi war ihm das peinlich u. er kam zu mir in die Wilhelmshöherstraße, um zu fragen, ob ich ihm nicht ein anderes Bild dafür geben könne. Ich lehnte das ab, hatte übrigens auch keins. Trotz seines Nazitums machte er aber immer noch in Katholizismus. Dann kam der Krieg. Da er früher aktiver Hauptmann gewesen war, wurde er nun wieder Offizier u. war zuletzt als Major in Lodz, wo er diese Dame kennen lernte. Jetzt hat er sich also scheiden lassen, um diese Dame zu heiraten. Er ist 63 oder 64 Jahre alt. Es ist unfaßlich. –
Die arme Frau Hanschak ist sehr krank. Nachdem sie erfolglos im Fischland-Krankenhause gelegen hat, erholt sie sich nicht mehr. Ich nehme an, daß es Krebs ist. Martha war heute bei ihr
Der Frost scheint seinen Höhepunkt überschritten zu haben, dennoch ist es kalt. – Schöner Sonntag. Vormittags im Leben der hl. Th. gelesen, ich bin jetzt damit durch. Habe ein Namens-Register angelegt, das ich nun ordnen will. Danach werde ich auch eine Zeittafel anlegen. Abends aus dem Buche der Klosterstiftungen vorgelesen, das ich nun doch, ehe ich die anderen Schriften lesen werde, nochmals für mich sorgfältig durchlesen werde u. nach dem ich ebenfalls ein Namensregister u. eine Zeittafel anfertigen werde. Ich dringe so immer tiefer in das Leben dieser wunderbaren Heiligen ein, für die ich eine immer noch wachsende Verehrung empfinde. Es ist das erste Mal, daß es mir passiert, daß ich ein festes Vertrauen zur Fürsprache eines od. einer [5] Heiligen gewinne u. mich im Gebet an sie wende.
Gestern begegnete mir etwas, was ich nicht für wert hielt, zu notieren, doch bin ich anderer Meinung geworden. Ich setzte mich, nachdem ich im Leben der hl. Th. gelesen hatte, in der Dämmerstunde, bevor wir essen, in den Sessel u. sann über alles nach. Ich bat die Heilige, mir zu helfen. Da erschien von links her eine sehr schöne, ebenmäßige Frauenhand in meiner Schulterhöhe u. nahm einen länglichen, dunklen Gegenstand von meiner Brust weg. Ich konnte nicht erkennen, was es war. Das ganze geschah im Bruchteil einer Sekunde. Ich sah mit den Augen nichts, ich glaube, daß sie geschlossen waren. – Ich glaubte, es sei eine Einbildung, doch war die Erscheinung sehr deutlich. Dennoch wollte ich kein Gewicht darauf legen, aber die Erscheinung war so einprägsam, daß ich sie nicht vergessen kann u. immerfort daran denken muß. –
Nachmittags an Otto Wendt zu seinem Geburtstage geschrieben.
Der Frost hat von neuem zugenommen u. es scheint, als würde es nun auf Wochen hinaus keine Besserung geben. Die Menschen besonders in den Großstädten müssen furchtbar leiden. – Dabei höre ich heute im Rundfunk, daß in Spandau ein Vergnügungslokal in dem ein Kostümfest stattgefunden hat, abgebrannt ist, wobei über 100 Personen ums Leben gekommen sind. Es ist furchtbar, wenn man an den Seelenzustand dieser Unglücklichen denkt.
Vormittags am Dämonenbilde gemalt. Nachmittags das Personenregister zum Leben der hl. Theresia fertig gemacht, es sind genau 100 Namen. Abends wieder aus den Klosterstiftungen vorgelesen.
Dr. Jaeger – Berlin sandte 350,– Rm. für die Zeichnung zum Pfarrer von Ars, sodaß ich jetzt mit diesem Bilde 1350,– Rm. verdient habe. Es kommt mir das ganz seltsam vor.
Wahrscheinlich ist unser Brunnen versiegt. Infolge des langen Frostes –, der Boden ist ja bereits im Dezember stark durchgefroren gewesen –, sickert kein Wasser mehr nach. Tack wird morgen kommen u. sich die Sache ansehen.
Im „Petrusblatt“ vom 9. Februar, das ich heute bekam, ist ein sehr netter Artikel von Erzpriester Feige „An den Flüssen Babylons“, in welchem er der Tage gedenkt, die er während des Krieges hier in Ahrenshoop verlebte.
Der Brunnen ist nicht versiegt –, Gott sei Dank! doch müssen wir mit dem Wasserverbrauch sehr vorsichtig sein. Tack hat die Pumpe wieder in Ordnung gebracht, es war eine unbedeutende Reparatur.
Das Dämonenbild macht Fortschritte. Kompositionell ist alles klar, aber malerisch=technisch ist das Bild nicht einfach. Es wird aber sehr gut.
Weitere Beschäftigung mit der hl. Theresia u. ihren Klosterstiftungen.
[6]Heute war der Frost etwas milder infolge bedeckten Himmels, auch war nur schwacher Wind.
Martha u. Fritz bemühen sich, Karten zur Leipziger Messe zu erhalten, doch scheint das sehr schwierig zu sein, da ein sehr großer Teil der Karten, die zur Verfügung stehen, bevorzugt an SED=Mitglieder ausgegeben werden.
Die Hühner= u. Kaninchendiebstähle nehmen wieder zu. Das Frauenzimmer hier, welches der Hehlerei überführt war u. den einen der beiden Einbrecher in der Einbruchsnacht, als bei uns, bzw. der BuStu. eingebrochen wurde, bei sich untergebracht hatte, war zwar verhaftet worden, ist dann aber wieder entlassen worden u. befindet sich wieder im Ort. Die beiden Einbrecher selbst wurden s. Zt. ebenfalls verhaftet, sind aber beide wieder ausgerückt. –
Heute, als ich den Hühnern das Abendfutter brachte, war ich Zeuge, wie der junge Hahn zum ersten Male krähte. Während des gegenwärtigen Frostes lasse ich die Hühner in der Waschküche, mit der der Hühnerstall mit einer Türe verbunden ist. Der Hahn war heute ziemlich aufgeregt u. es gab einen schweren Kampf zwischen ihm u. einer Junghenne, die sich kräftig wehrte u. ihn sogar wiederholt angriff u. ihm heftig zusetzte. Während einer Kampfpause, in der die Henne sich in eine Ecke zurückgezogen hatte, fiel es ihm plötzlich ein, zu krähen. Nachdem er das einmal getan hatte, wiederholte er es unermüdlich. Die Hühner schienen jedoch garkeine Notiz davon zu nehmen, jene Junghenne ließ sich dadurch keineswegs abhalten, ihn wieder anzugreifen. Der Hahn richtete in den Kampfpausen sein ganzes Interesse auf die alte Henne, die dadurch sehr geschmeichet schien. Er balzte um sie herum u. lockte sie zum Futternapf, u. sie, die sonst entsetzlich futterneidisch ist u. alle Konkurrenten weghackt mit scharfen Schnabelhieben, kam jetzt ganz brav herbei u. fraß mit ihm gemeinsam. Sie kennt eben diese Sache schon, während die beiden Junghennen noch dumm sind. Aber woher weiß der Hahn, daß er krähen u. balzen kann? – Die eine Junghenne scheint übrigens krank zu sein. Sie ist sehr gewachsen u. recht dick, hockt mit blassem Kamm in der Ecke u. frißt nicht viel, die Schwanzfedern hält sie merkwürdig zum Boden gesenkt. Vielleicht handelt es sich bei ihr um das Erwachen des Geschlechtstriebes. Sie macht einen ganz melancholischen Eindruck.
Der Frost hat sehr nachgelassen, aber tauen tut es noch nicht. Da klarer Himmel ist, während es heute morgen bedeckt war, nehme ich an, daß es morgen wieder kälter werden wird.
Ich bin jetzt dabei, den Kopf des Dämonen zu malen. Das Bild wird sehr eindrucksvoll.
Heute erhielt ich das neue Heft der „Demokratischen Erneuerung“, in dem mein „Dank an Schwerin“ stehen sollte, aber er ist nicht darin. Der Ursache mag Platzmangel sein, doch glaube ich eher, [7] daß dieser Herr Dr. Willi Bredel, der der verantwortliche Schriftleiter ist u. der mich im „Sonntag“ angepöbelt hat, die Ursache des Nichterscheinens ist. Es macht auf mich den Eindruck, als gäbe es eine geheime Bewegung dieser Kreise im Kulturbunde gegen mich, – sowohl in Schwerin, wie in Rostock.
Fritz hat mit Frau Dr. Riemschneider telephoniert, die ihm gesagt hat, daß meine Bilder als Bahngut an mich abgegangen seien u. daß sie das Bild „Der hl. Pfr. v. Ars“ an Herrn Zieger nach Sellin gesandt habe. Wie ich höre, sollen die acht Bilderkisten bereits in Ribnitz sein.
Fritz hatte für sich bei der russischen Dienststelle in Ribnitz einen Interzonen=Passierschein beantragt, da in der Zeitung zu lesen stand, daß solche kurzfristigen Passierscheine jetzt für Geschäftsleute mühelos ausgefertigt werden. Der russische Kommandant hatte die Sache auch genehmigt, jedoch hat die deutsche Dienststelle in Schwerin den Passierschein abgelehnt. Er wollte gern nach der Messe nach Regensburg zu Ruth fahren, daraus kann nun nichts werden, – ja, es ist höchst fraglich, ob er die Berechtigung erhält, nach Leipzig zur Messe zu fahren. All diese Dinge sind eben nur entweder durch die Partei, oder durch persönliche Beziehungen oder durch Bestechung zu erhalten.
Ich malte heute den Kopf des Dämon, doch ist er noch nicht so wie ich möchte.
Der Frost hat sehr nachgelassen, aber die Temperaturen liegen doch immer noch unter 0 Grad.
Briefe geschrieben an Herrn Zieger – Sellin, daß ich ihn im Besitze des Bildes hoffe u. ihn gefragt, wer er eigentlich ist u. wie er dazu kommt, ein so katholisches Bild zu kaufen. – Ferner an Frau Federmann in Schwerin als Antwort auf ihren Brief vom 1. Febr. Habe ihr ein Foto des Bildes „Aufbruch“ beigelegt, worum sie gebeten hatte. – Nachmittags für mich in den Klosterstiftungen gelesen, abends daraus vorgelesen.
Der Frost hat wieder erheblich zugenommen. Fritz hat sich entschlossen, am Mittwoch über Schwerin nach Osterburg zu fahren, um seine ehemalige Kameradin aus St. Quentin zu besuchen, die im Sommer hier war u. die er dann Anfang des Winters besuchte. Merkwürdig ist das! Er hat offenbar garkein Interesse an diesem Mädchen u. sie auch nicht für ihn, u. trotzdem diese Besuche. Ich verstehe das nicht
Der Frost nimmt weiter zu u. nach der Wetterlage ist nicht viel Aussicht auf Besserung.
Von Schwester Gertrud Dobczynski erhielt ich ein Päckchen mit Büchern: Zwei Bücher-Briefe des hl. Franz von Sales u. der hl. Franziska von Chantal für Martha u. zwei andere für mich: Haecker „Was ist der Mensch“ u. „Wüstenritt“ von Psichari. Aus letzterem sehr schönen Buch las ich abends Martha vor, da wir die „Klosterstiftungen“ gestern beendet hatten. – Zugleich schreibt Schw. Gertrud einen Brief, der das schwere Kreuz [8] erkennen läßt, welches sie zu tragen hat u. das durch die Gegenwart der Mutter des Pfr. Serve, die während oder kurz vor der Erkrankung der Schw. G. nach Barth gekommen ist, noch erheblich schwerer geworden zu sein scheint. – Sie schickt außerdem ein Verzeichnis solcher Bücher aus der Bibliothek ihres Bruders, die sie abgeben will, ich soll mir aussuchen, was ich haben möchte.
Immer noch scharfer Frost, wenn auch den Kältegraden nach etwas milder, dafür ein Nordost, der durch die Mauern dringt.
Fritz ist heute früh nach Osterburg bzw. Königsmark gefahren u. es ist dadurch sehr viel stiller im Hause, worüber ich mich freue. Er ist ein gutmütiger Kerl, aber doch völlig leer u. insofern eine große Enttäuschung. Ich hatte gehofft, der Krieg würde ihm etwas mehr inneren Gehalt gegeben haben. Er klebt am Aeußerlichen u. hält das für wertvoll, weil er unfähig ist, das Innerliche zu sehen. Jetzt ist er zu diesem Frl. Albrecht gefahren, von der er behauptet, sie sei ihm ganz gleichgültig. Dasselbe behauptet sie von ihm. Aber trotzdem macht er sich die Mühe dieser Reise, die eine Strapaze ist bei diesem Frost. Es muß da ja irgendetwas sein u. es muß seinen Sinn haben. – Warten wir ab. –
Heute habe ich das Dämonenbild fertig gemalt, es ist sehr schön geworden, wohl eins meiner interessantesten Bilder.
Ich lege ein Personenregister der Klosterstiftungen an. Abends „Psichari“ vorgelesen, ein sehr schönes Buch.
Fritz hat gestern Abend die Post angerufen u. bestellen lassen, daß er mit vier Stunden Verspätung in Schwerin angekommen sei. – Herr Dr. Riemschneider ist unerwartet aus russ. Gefangenschaft zurückgekehrt, sodaß Fritz dort nicht wohnen konnte u. ins Hotel ging.
Heute Nachmittag waren Herr + Frau Triebsch bei uns, um uns feierlich zu eröffnen, daß er nun entschlossen sei katholisch zu werden. Sie hatten gebeten eingeladen zu werden, Martha hatte dazu eine Obsttorte backen lassen u. wir hatten gut geheizt. Es war sehr anstrengend, sie kamen bald nach 6 Uhr u. blieben bis kurz vor 10 Uhr, woraus zu entnehmen ist, daß das Ehepaar es recht gemütlich bei uns gefunden hat, – das ist die Hauptsache.
Der Frost hat nachgelassen –, Gott sei Dank! – Von Justus Schmitt Telegramm an Fritz, daß er morgen hier eintrifft –, u. Fritz ist in Königsmark.
Ich mache ein Namensregister zu den Klosterstiftungen, es ist eine riesige Masse von Namen.
Wieder hat der Frost zugenommen, dazu scharfer Ostwind mit feinem Schnee, der viele Verwehungen machen wird. Eine Henne, die schon seit Tagen kränkelte, habe ich heute töten lassen, ehe sie starb, sie hat die Kälte nicht ertragen. – Abends kurz nach 8 Uhr traf Dr. Rudloff ein, der morgen früh bei uns Gottesdienst hält, Mittags in Wustrow u. Nachmittags in Dierhagen. Er kam mit dem Rade [9] von Ribnitz unter größter Mühe u. Anstrengung. Nachmittags richtete ich mit den beiden sudetendeutschen Frauen Kuhn u. Menzel die Veranda im Seezeichen her. – Dr. R. übernachtet bei Frau Longard.
Nachts starkes Schneetreiben. Morgens feierliches Hochamt, sehr gute Predigt von Dr. R., der langsam in die Seelsorge hineinzuwachsen scheint. Er war in seiner Heimat ausschließlich Religionslehrer u. muß sich erst gewöhnen an die ganz anders liegenden Aufgaben hier. Er fuhr gleich nach dem Frühstück nach Wustrow u. wollte heute Abend wieder in Ribnitz sein. Da es dauernd weiter geschneit hat bei nach Nordwesten drehendem Winde, bin ich nicht ohne Sorge um ihn.
Gegen 7 Uhr in der Dunkelheit besuchte uns, bzw. Martha, der total betrunkene Goldschmied Kramer aus Ribnitz, der hier ist, um hier einen Betrieb aufzuziehen. Dieser Mann ist ein völliger Prolet mit einem Brillantring am kleinen Finger von fast Erbsengröße. Es war eklig, mit ihm sprechen zu müssen, aber es scheint, daß er trinkt aus Not u. Unfähigkeit, das Leben zu begreifen u. mit ihm fertig zu werden. Er verdient offenbar sehr viel Geld mit seinem Fischlandschmuck u. legt dieses Geld in Alkohol an, aber es ist ein schwacher, guter Kern in ihm. Seine Trunkenheit verleitet ihn nicht zum eitlen Protzentum u. zur Renomage, wie es sonst bei solchen Leuten der Fall ist, sondern er begreift oder fühlt in etwa seine eigene Verkommenheit.
Abends las ich Martha aus den Briefen des hl. Franz von Sales vor, die Schw. Gertrud geschickt hat, ich bin davon tief beeindruckt u. werde diese Briefe noch sehr ernsthaft studieren.
Sonst Briefe geschrieben: an Frau Dr. Riemschneider u. ihr gratuliert zur Rückkehr ihres Gatten, an Erzpriester Feige zu dem Artikel, den er neulich im Petrusblatt als Erinnerung an Ahrenshoop gehabt hat u. an Schw. Gertrud Dobczynski.
Es ist nach wie vor starker Frost u. vorläufig keine Aussicht auf Besserung
Namensregister der Klosterstiftungen fertig gestellt. Es sind 284 Namen. – Nachmittags stellte ich fest, daß sich im 6. Bande der Schriften der Hl.Th. ein vollständiges Namensregister befindet, sodaß ich mir diese Arbeit umsonst gemacht habe.
Von Fritz Telegramm, daß er heute Abend bereits wieder in Schwerin ist. Es scheint also wohl irgend etwas nicht geklappt zu haben.
Der Frost hat bedeutend zugenommen, heute Nacht wird die kälteste Nacht dieses Winters werden, wir hatten um 6 Uhr nachmittags bereits 10° Kälte.
Nachmittags „Weg der Vollkommenheit“ gelesen, Abends Briefe des hl. Franz v. S. vorgelesen.
Die vergangene Nacht war die kälteste dieses Winters, wie zu erwarten war. Es waren Morgens 18° Kälte, es wird also in der Nacht mehr als 20° gewesen sein. Im Laufe des Tages hat sich der Himmel bezogen u. die Temperatur ist etwas angestiegen.
Fritz telephonierte, daß er in Ribnitz ist u. morgen früh mit dem Auto von Johannsen, der seit einiger Zeit wieder täglich fährt, herüberkommen wird. Diese Reise scheint eine ganz große Pleite gewesen zu sein.
[10] Den „Weg der Vollkommenheit“ habe ich zuende gelesen, ich werde die Lektüre sofort noch einmal wiederholen. Ein ebenso schönes wie überaus nützliches Buch. Es ist sehr klar, sodaß es einem wirklich Führer zu sein vermag. Abends wieder Briefe von Franz von Sales.
Der starke Frost hat wieder nachgelassen, aber es ist noch keine Aussicht vorhanden, daß Tauwetter eintreten wird.
Martha u. Fritz haben ihre Sorgen, um zur Leipziger Messe zu kommen. Fritz kam heute früh hier wieder an, seine Reise war völlig zwecklos u. überaus mühsam, da viele Züge nicht fuhren u. die Reisenden stellenweise 24 Stunden auf den Bahnhöfen herumlagen, bis wieder ein Zug kam. Und das alles bei dieser Kälte. Es ist erstaunlich, was die Menschen für Mühen u. Plagen auf sich nehmen, um irgend welchen dummen u. albernen Geschäften nachzugehen, die, wenn man näher hinsieht, ganz zwecklos sind. So auch diese Reise nach Leipzig. Es hat für das Geschäft nur einen Ausweis gegeben. Um den anderen zu bekommen, muß man es ertragen, daß der völlig betrunkene Herr Kramer am Sonntagabend ins Haus kommt u. die Luft verpestet, weil er einen Ausweis mehr hat, den er nicht gebraucht. Nun sind endlich zwei Ausweise da, aber der eine ist für den zweiten, der andere für den siebenten März gültig, d.h., es ist praktisch eben garkein Ausweis da. Auf's Neue sind endlose Beratungen notwendig, wie es zu bewerkstelligen ist, daß beide Ausweise auf den gleichen Tag lauten. Dafür muß telephoniert werden, was nur über die Post geht, da wir immer noch kein Telephon haben u. es muß riskiert werden, daß beide am Sonnabend schon nach Rostock fahren, um zu versuchen, eine Umschreibung vornehmen zu lassen. Und wenn das nicht gelingt, werden beide unverrichteter Dinge zurückkommen u. alle Arbeit u. Kraft ist umsonst vertan. – Wenn sie das tun, ist das ja ihre Sache, das Schlimme ist nur, daß ich notgedrungen in diese Unordnung u. Nervosität hineingezogen werde, ich mag wollen oder nicht. Es ist das wahrhaftig ein nicht leichtes Kreuz u. der Herr möge mir Geduld geben. –
Wieder hat der Frost zugenommen, dabei ein scharfer Nord-Ost, der durch alle Mauern geht. Und nach der Wetterlage garkeine Aussicht auf Besserung. Die Reise zur Leipziger Messe wird unter diesen Umständen ein geringes Vergnügen sein u. scheint zweifelhaft. –
Konow brachte mir heute die Rahmen für meine letzten Bilder. Er stellte dafür 10,– Rm. in Rechnung, ich zahlte ihm 20,– Rm.
Den „Weg der Vollkommenheit“ habe ich heute zum zweiten Male durchgelesen. Ein wunderbares Buch, das mir sehr genützt hat. Nun werde ich auch noch die „Seelenburg“ lesen.
Martha war heute Nachmittag bei Frau Longard, die sehr um ihren Besuch gebeten hatte, da Martha schon seit drei Wochen nicht mehr bei ihr gewesen war.
Konow hat mir nun auch einen Rahmen für das [11] Bild des Heilands mit Dornenkrone, rotem Mantel u. Rohr gemacht, das ich schon 1933 gemalt habe u. das bisher noch nie einen Rahmen gehabt hat. Ich habe dieses Bild über meinen Schreibtisch gehängt, sodaß es mir immer vor Augen ist.
Es ist heute der vierzigste Tag ununterbrochenen Frostes. Es dürfte genügen!
[11][11] Der starke Wind gestern hat solche Schneeverwehungen verursacht, daß Johannsen mit seinem Auto gestern Abend nicht mehr durchgekommen ist. Seine Passagiere mußten in Dähndorf aussteigen u. sind zu Fuß hier angekommen, in völlig erschöpftem Zustande nachts 1 Uhr. Heute war der Wind nach Norden gegangen u. hat sich noch erheblich verstärkt u. um 4 Uhr nachmittags begann starkes Schneetreiben. So ist nun eine Reise nach Leipzig völlig ausgeschlossen, da man ummöglich nach Ribnitz gelangen kann, es ist alles verweht. Dabei hat der Frost um nichts nachgelassen. Heute Abend verkündete der Nordwestdeutsche Rundfunk endlich eine Aussicht auf Besserung der Wetterlage, aber wann sich diese auch östlich der Elbe auswirken wird, ist noch ungewiß. Doch selbst wenn nun Tauwetter eintreten sollte, ist damit nicht gleich geholfen, da der Boden etwa einen Meter tief gefroren ist u. das Schmelzwasser nicht ablaufen kann, es wird zunächst einen fürchterlichen Morast geben, der die Wege ebenso unpassierbar machen wird, wie jetzt der Schnee. Auch kalt wird es bleiben, da die Ostsee zugefroren ist u. die große Eisfläche wie ein Eiskeller wirkt. Bis das Eis auf der Ostsee u. auf dem Bodden verschwunden sein wird, wird es eine Zeit dauern, es sei denn es gäbe Regen u. Sturm.