TBHB 1946-08-13
Einführung
Der Artikel TBHB 1946-08-13 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 13. August 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
[1] Vormittags kam Prof. Resch, sein –, bz. des berliner Kulturbundes Geschäftsführer, ein junger Mann etwa Anfang 38, noch ein anderer Herr auch Berlin vom Kulturbund, ein Ehepaar aus Berlin mit erwachsenem Sohn u. noch eine Dame, – viel zu viel Menschen, um die Bilder mit Interesse zeigen zu können. Dennoch waren alle sehr befriedigt u. es scheint doch so, als würde aus der Ausstellung etwas werden. Prof. Resch war sehr vergnügt, er fährt morgen wieder nach Berlin. Der Geschäftsführer u. der andere Herr wünschen allerdings, Fotos mitzunehmen, da in Berlin Pechstein noch für die Sache gewonnen werden muß. Die Ausstellung kann dann im November stattfinden, wahrscheinlich in den Klubräumen des Kulturbundes, die gegenwärtig in der Jägerstraße hergerichtet werden.
Am Nachmittag kam verabredungsgemäß der Geschäftsführer noch einmal in Begleitung einer Frl. Dr. Sowieso. Mit diesen beiden jungen Menschen war es nun bedeutend besser. Sie blieben zwei Stunden u. konnten sich kaum trennen. Der junge Geschäftsführer [2] hatte inzwischen die Bilder auf sich nachwirken lassen u. man konnte gut beobachten, wie grade eine solche Nachwirkung wichtig ist. Er brachte den Bildern jetzt schon ein ganz anderes Verständnis entgegen u. man konnte sehen, wie er genau auf das geachtet hatte, was ich am Vormittag gesagt hatte. Auch jetzt nahm er einen Notizblock u. machte sich Notizen über das, was ich sagte. Ich war selbst gut in Form u. konnte manches sagen. Dieser Besuch war offenbar sehr fruchtbar, u. machte mir Freude. In diesem ganzen Sommer war es bei all diesen Besuchen wie das Ausstreuen von Samen u. ich hoffe, daß diese Saat fruchtbar sein wird. Immer wieder höre ich besonders von jungen Leuten, daß sie durch meine Bilder erst begriffen haben, was die moderne Kunst eigentlich will, daß meine Bilder ihnen erst den Schlüssel zum Verständnis gegeben hätten. Auch sind alle der Ansicht, daß ich die Bilder geschlossen zur Ausstellung bringen müßte u. daß eine Ausstellung ein dringendes Bedürfnis wäre. – Es macht wirklich Spaß, wie sich das alles ganz von selbst entwickelt.
Das Ehepaar mit dem erwachsenen Sohn –, die Frau ist eine ziemlich betonte Jüdin –, erwies sich als Besitzer eines photograph. Ateliers in Berlin. Die Frau bat mich, wenn ich zur Ausstellung nach Berlin käme, sie zu besuchen, um eine Fotographie von mir zu machen. Ich sagte es ihr zu, doch weiß ich weder den Namen noch die Adresse der guten Leute. Sie werden ja wohl nochmals sich melden.
Ich habe die Dichtung von Prof. Resch durchgelesen, finde aber, daß sie sentimentaler Quatsch ist. –
Die Herrichtung des Kunstkatens macht gute Fortschritte. Sie haben die schadhaften Stellen der Wände mit Lehm verschmiert u. notdürftig verputzt, aber der Lehm reißt, sobald es größere Flächen sind. Gräff hat aber einen guten, sandfarbenen Ton gemischt u. streicht damit die Wände an, so daß der allgemeine Eindruck doch wohl ganz gut werden wird.
Erich Friese schrieb gestern auch von einer merkwürdigen Kinderverschleppung durch Russen. Heute bekam ich einen umfangreichen Ausschnitt einer berliner Zeitung, wo diese Sache ausführlich dargestellt wird. Es scheint eine ziemlich mysteriöse Angelegenheit zu sein u. dürfte eine gegen die SED. gerichtete Wahlpropaganda sein. Tatsächlich ist es ja so, daß hier in der Provinz die SED. das Feld beherrscht, da es andere Zeitungen so gut wie garnicht gibt u. die SED. machen kann, was sie will.
Von Justus Schmitt ein Brief. Er schreibt mir von einem größeren Aufsatz: „Der Richtungszerfall der modernen Kunst u. seine Ueberwindung“. Er will mir diesen Aufsatz zur Stellungnahme demnächst senden. Sonst aber scheint er sehr vorsichtig u. tastend zu sein. Er spricht davon, daß es vorläufig noch besser sei, die Entwicklung abzuwarten, als sich jetzt schon mit der eigenen Produktion herauszustellen. Er glaubt zu wissen, daß auch Hofer u. sein Kreis es bereits bedauern, „sich all zuweit vorgewagt zu haben“. Ich verstehe das nicht. Was scheuen denn diese Künstler? – Glauben sie, den Russen u. der SED. unangenehm zu sein? – Ja, und wenn das der Fall wäre, – was würden sie denn dann tun, wenn sie sich noch nicht „zu weit vorgewagt hätten?“ – Irgendwie scheint mir da eine Gesinnungslosigkeit zu walten. –