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TBHB 1945-07-02

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-07-02
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Montag, 2. Juli 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 2. Juli 1945
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Einführung

Der Artikel TBHB 1945-07-02 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 2. Juli 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Montag, 2. Juli 1945.     

[1]      Am Freitag, gegen 1/2 3 Uhr nachm., ließ mich der Kommandant rufen, ich sollte einen Polizisten mitbringen. Ich nahm Borchers mit u. wir gingen zum Monheim'schen Hause. Der Kommandant bat mich, mit ihm zu essen, Borchers sollte warten. Wir gingen zum Kurhause, wo die Kosacken essen. Frau Kansi kam ebenfalls. Ich mußte auf dem Sofa Platz nehmen u. Frau Kansi leitete die Unterhaltung sehr geschickt. Nach dem Essen wollte ich nach Hause gehen, aber er bat mich, nochmals mit ihm zurück zu gehen. Beim Essen hatte er erzählt, daß im Hause einer Frau ein Revolver u. Munition gefunden worden sei. Es konnte sich nur um Frau Garthe handeln. Er ging nun tatsächlich dorthin, nachdem er mich ersucht hatte, den Polizisten zu rufen. Das Haus war verschlossen u. niemand meldete sich. Ich sandte Borchers ins Dorf, um Frau G. suchen zu lassen u. ging selbst derweil nach hinten in den Garten, der in einer ganz unvorstellbaren Weise verwildert ist. Nach langem Warten, wobei auch Frau Kansi zugegen war, kam Frau G. Sie führte uns ins Haus durch die unglaublich dreckige Küche, durch viele Ecken u. Winkel, die alle vollgepfropft mit Sachen waren, in ein großes Zimmer, das so voll Möbel gestellt war, daß man sich selbst kaum noch bewegen konnte. – Wir setzten uns um einen großen Tisch u. der Kommandant fragte nach der Herkunft des Revolvers u. der Munition. Jetzt erst ergab sich, daß der Revolver im Garten dicht am Straßenzaun gefunden worden war, die Munition aber in einer Schublade einer Kommode. Wahrscheinlich hat einer der früheren Marine-Artilleristen den Revotver einfach über den Zaun geworfen u. von der Munition wird Frau G. ebenfalls nichts gewußt haben, denn sie lag in einer Kommode, die angeblich Nachlaßsachen des verstorbenen Mannes enthielt u. die Frau G. in sentimentaler Pietät nie angerührt hat. Das ganze Haus aber machte einen unglaublich dreckigen u. unordentlichen Eindruck, sodaß ich mich vor dem Russen genierte. Immerhin ließ er sich grade durch diese Schluderigkeit überzeugen, daß Frau G. tatsächlich nichts vom Vorhandensein der Munition gewußt hat, er benutzte aber die Gelegenheit, Frau G. von einigen überflüssigen Möbelstücken wie Sessel, Sofa, Stühle usw. zu befreien, die er sogleich ins Monheim'sche Haus bringen ließ. –

     Am Sonnabend gab es eine sehr unangenehme Ueberraschung. Der Oberleutn., welcher bereits früher in Althagen gewesen war u. sich immer als Kommandant auch von Ahrensh. bezeichnet hatte, ist zurückgekehrt. Er machte mir einen Besuch u. erklärte, daß unser Kommandant nun nichts mehr zu sagen hätte u. nur er unser Kommandant sei. Ich war darüber sehr unglücklich. Unser bisheriger Kommand. ist ein netter Kerl, mit dem man gut auskommt. Gestern lud er mich wieder zum Essen ein u. der Gemeinde [2] spendete er ein Wildschwein, das heute von Leplow verkauft wird. Dafür schickte der Althäger gestern Abend seinen Sergeanten, um ein Schlachtschwein bei uns requirieren zu lassen. Dieser Oberleutn. ist zwar auch nicht grade gefährlich bösartig, aber er ist ein eitler Mensch, der kein sehr ernsthaftes Verantwortungsbewußtsein besitzt u. sein Sergeant ist ein recht unangenehmer Patron. Dazu kommt, daß der Oberlt. der Untergebene des Kommandanten von Wustrow ist, der ein wirklich gefährlicher Deutschenhasser ist. Dieser war gestern ebenfalls hier. Ich traf ihn im Kurhause, als ich das geschenkte Wildschwein abfahren ließ, habe ihn aber nicht begrüßt.

     Die Hoffnung, daß wir die Russen los werden, ist nun endgültig vorbei. Gestern wurde im Radio bekannt, daß die Engländer im östlichen Mecklenbg. sogar Gebiete räumen u. sie für die Russen frei machen. Die Russen gehen also keineswegs hinter die Oder zurück, sondern besetzen noch mehr im Westen. Damit eröffnet sich uns eine trübe Zukunft. Die Russen haben überhaupt keinen Nachschub, sie leben allein aus dem Lande, u. das Land ist jetzt schon ausgesogen. Sie haben garkein Verständnis dafür, daß man aufbauen muß, sie können nur Raubbau treiben u. plündern. Was unter diesen Umständen werden soll, weiß ich nicht. Die Bunte Stube kann so natürlich nicht existieren, sie bietet auch für Fritz keine Existenz mehr, – u. das Leben u. die Existenz jedes einzelnen Einwohners ist gefährdet. Ich sehe nicht, wie wir durch diesen Winter kommen sollen. Der Gesundheitszustand ist sehr besorgniserregend, es herrscht Ruhr, obgleich man die Krankheit nur Durchfall nennt. Ich selbst leide auch daran, vor allem aber die Kinder.