TBHB 1945-03-23
Einführung
Der Artikel TBHB 1945-03-23 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 23. März 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
[1] Heute der erste schöne, warme Frühlingstag. Vormittags im Garten gearbeitet, aus einem alten Johannisbeerstrauch, der im Halbschatten stand, vier junge Sträucher gemacht u. in die Sonne vor das kleine Haus gesetzt. Sonst geharkt u. gehackt. Sehr anstrengend, war Mittags ganz erschöpft.
Man sagt, Feldmarschall v. Rundstedt sei abgesetzt u. Feldmarschall Kesselring habe die Westfront übernommen. Vielleicht hängt das mit dem Gerücht zusammen, das vor einiger Zeit ging, daß v. R. an Eisenhower eine Botschaft gesandt habe, Waffenstillstand zu schließen. Jedenfalls hat damals die Amerikanische Regierung offiziell erklärt, daß Eisenhower jederzeit die Kapitulation selbst ganzer Heeresgruppen entgegen nehme, daß aber deshalb von einem Waffenstillstand keine Rede sein könne. Man nahm an, daß diese Verlautbarung die Antwort auf die Anfrage v. R's. gewesen sei. v. R. ist sicher unter den noch vorhandenen Armeeführern der fähigste. Ich hatte immer gehofft, er würde eines Tages die Opposition in die Hand nehmen, [2] besonders, nachdem er s. Zt. kurz vor dem 20. Juli schon einmal seines Postens als Oberkommandierender West enthoben worden war. Diese Hoffnung hat aber schwer getäuscht, denn nach dem 20. Juli ließ er sich dazu mißbrauchen, den Vorsitz einer Kommission zu übernehmen, welche den Ausschluß der am Attentat beteiligten Offiziere aus der Armee aussprechen mußte. Zur Belohnung wurde er dann wieder Oberbefehlshaber. Nun hat diesen Mann doch sein Schicksal erreicht.
In der Saarpfalz haben die Amerikaner Pirmasens genommen u. den Kessel auch sonst weiter eingeengt. Die Russen scheinen eine neue Offensive anzufangen in Niederschlesien bei Neisse.
Gestern Abend waren die beiden älteren Töchter von Frau Krauss bei uns, Frau Masurek u. die andere, deren Namen ich nicht kenne. Es ist wohl mit der Mutter sehr hoffnungslos. Die älteste Tochter muß heute wieder zurück nach Beskow u. auch Frau Masurek ist nach Berlin gefahren, wo sie in der Frankfurter Allee ein Herren-Konfektionsgeschäft betreibt, aber sie kommt in einer Woche wieder zurück. Ich habe gestern an den Pfarrer geschrieben u. ihn um Verhaltungsmaßregeln gebeten für den Todesfall.