TBHB 1944-10-01
Einführung
Der Artikel TBHB 1944-10-01 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 1. Oktober 1944. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
[1] Der Obermaat Richter teilte telephon. mit, daß Schüler unsere Pumpe an die Fabrik zur Reparatur gesandt habe. Ich fürchte, es wird Wochen dauern, bis wir sie zurück haben.
Gestern brachten uns die Soldaten den letzten Rest vom Koks ins Haus.
Gestern Nachmittag Kaffee u. Kuchen im Seezimmer. Gastgeber waren Erika Wollesen u. Mann. Sie baten, meine Bilder sehen zu dürfen, doch war das Verständnis, wie zu erwarten, nicht groß. – Gestern untermalte ich das neue Stilleben.
Gestern abend Lotte Daubenspeck, die anschaulich vom Osteinsatz in Schneidemühl erzählte. Der Transport kam abens 10 Uhr dort an u. mußte bis 1/2 1 Uhr Nachts auf dem Bahnhof stehen, weil nichts vorbereitet war. Erst dann wurden die Menschen auf Quartiere verteilt, – der Teil mit den Ahrenshoopern kam in eine Schule, die jedoch auch erst von anderen Flüchtlingen geräumt werden mußte. Erst gegen 2 Uhr morgens kamen sie hinein. Inzwischen war Fliegeralarm. – Die Menschen liegen dicht gedrängt auf der Erde auf dünner Strohschütte wie Vieh, die sanitären Verhältnisse sind skandalös, bzw. überhaupt nicht vorhanden. – Frau Schultze-Jasmer u. Frau v. Groß aus Prerow fallen besonders auf wegen ihrer betont nationalsozialistischen Gesinnung, Frau v. G. tut sich in hohen Stiefeln u. Reithosen als Lagerführerin besonders hervor. – Es ergibt sich daraus, daß es Paul sehr schlecht gehen muß, daß er aber darüber nichts schreibt. Man merkt nur aus dem Ton seiner Briefe, wie sehr er leidet. –
Wollesen fährt morgen früh in den Einsatz. Sein Urlaub ist eigentlich heute zu Ende, doch besteht keine Möglichkeit, nach Ribnitz am Sonntag zu gelangen. – Von heute ab [2] bekommt selbst der Arzt Dr. Meyer kein Benzin mehr. In dringendsten Fällen muß er ein Pferdefuhrwerk benutzen, falls er ein solches bekommt. Herr „General“ Lorenz aber fährt im Auto von Berlin nach Born zum Besuch u. wieder zurück. Das Maaß ist übervoll. –
Nach der Niederlage bei Arnheim haben die Anglo-Amerikaner jetzt eine große Luftoffensive auf die Städte u. Eisenbahnen hinter der Westfront begonnen. Sie werfen ungeheure Massen von Bomben ab, sodaß man damit rechnen muß, daß ein großer Frontalangriff nun unmittelbar bevorsteht. – Gott schütze unseren Fritz!
Heute essen wir voraussichtlich zum letzten Male im Kurhaus. – Es ist kalt u. wir heizen täglich. Gott sei Dank, daß ich in all den Kriegsjahren Kohlen eingespart habe, sodaß darin keine Not ist.
Freitag Abend brachten uns Krappmanns eine große Menge Champignons, die wir gestern aßen. Sie haben sie auf einer Wiese bei Born gepflückt.
Heute Andacht: Grete u. Frau Krauss. – Am Freitag Rosenkranz: Frau Krauß u. Regine Treffer. – Frau K. wird nun eine sehr eifrige Katholikin.
Vormittags an Fritz geschrieben.