TBHB 1943-06-20
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1943-06-20 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 20. Juni 1943. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über eine Seite.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Donnerstag Abend sehr anregender Besuch von Dr. Sinn aus Neubabelsberg u. des Ehepaares Justus u. Charlotte Schmitt. Wir tranken zwei Flaschen von dem Metwein, den wir gelegentlich von Marthas Freundin Betty Thomas, geb. Hinze, aus Thorn bekommen haben u. den zu trinken ich mich bisher nicht getraut habe. Er erwies sich als sehr wohlschmeckend u. würzig. Justus Schmitt konnte uns aus seiner polnischen Erfahrung belehren, daß dieser Wein ein polnisches Getränk sei, der mit Honig bereitet wird u. eigentlich heiß getrunken werden soll. Wir werden nun eine dritte Flasche, die wir noch haben, zum Winter aufheben u. sie dann heiß trinken.
Dr. Sinn steht dem Nationalsozialismus sehr positiv gegenüber, doch ist er zu intelligent, um nicht seine Fehler zu sehen, vor allem die furchtbare Korruption bis in die höchsten Stellen, die immer größere Dimensionen annimmt. Er sieht auch, daß diese ganze Sache mitsamt diesem Kriege verloren ist, einen Ausweg aber sieht er nicht. Der Abend war sehr angeregt u. interessant.
Am Freitag Abend war Frl. Schneider bei uns welche Schwester in Hannover ist, wo sie die Wirtschaft eines sehr großen Krankenhauses leitet. Auch sie ist PG, jedoch nur dem Namen nach. Im Bruder ist SS=Mann, ehemals aus Idealismus, heute aus bitterem Zwang. Auch sie wußte interessante Dinge von der SS u. der Partei zu berichten, teilweise recht grauenhafte Sachen.
Im Geschäft ist sehr viel zu tun, – die Leute kaufen alles, bloß um zu kaufen. Kassen von 1000,– Rm., die früher in achtstündiger Arbeitszeit seltene Ausnahmen bilden, sind heute bei dreistündiger Arbeitszeit fast die Regel. Martha will morgen nach Hamburg fahren, um zu versuchen neue Waren zu bekommen, denn unser Vorrat geht bedenklich zur Neige.
Heute hatten wir wieder eine schöne Morgenandacht mit der kleinen Christa, die ein liebes, frommes Kind ist. –
Heute telephonierte Martha mit der Oberin Gertrud van Beeck in Berlin. Sie sagte, daß sie große Schwierigkeiten mit der jungen Frau Claassen habe, der Erbin des Hauses in Ahrenshoop. Diese Frau scheint eine Feindin des Katholizismus zu sein, jedenfalls stellt sie große Ansprüche, sodaß es zweifelhaft erscheint, ob die Schwestern in diesem Jahre wiederkommen oder vom Pachtvertrag zurücktreten. Damit wäre unsere Aussicht auf regelmäß. Gottesdienst dahin, – es wäre das überaus traurig. Der Oberin scheint es nicht gut zu gehen, sie machte am Telephon einen müden Eindruck.