TBHB 1943-05-06

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Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1943-05-06
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Entstehungsdatum: 1943
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Originaltitel: Donnerstag, 6. Mai 1943
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 6. Mai 1943
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Einführung

Der Artikel TBHB 1943-05-06 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 6. Mai 1943. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Donnerstag, 6. Mai 1943     

[1]      Gestern Abend bei Prof. Erich Seeberg. Es waren noch da: Frau Bohner, Frl. v. Tigerström u. Frau Prof. Seeberg. Unglücklicherweise kam auch Herr Dr. Ziel, um Seeberg zu sagen, daß heute im Dorfe der Film „Die Entlassung“ laufe. Herr Ziel hat wiederholt Versuche gemacht, mit mir zu verkehren, was ich stets abgelehnt habe mit der Begründung, daß ich überhaupt jeden gesellschaftlichen Verkehr ablehne. Nun stellte er fest, daß ich zu Seebergs gegangen war. Ich würde niemals dorthin gegangen sein, wenn ich nicht durch Fritzens Heirat in ein gewisses verwandtschaftliches Verhältnis [2] zu Seebergs gekommen wäre, sodaß ich diesen Besuch mehr Fritz u. Margret zuliebe gemacht habe. Herr Ziel wird es nun so auffassen, als hätte ich gegen ihn eine besondere Abneigung. Zwar stimmt das in gewissem Grade, aber es ist peinlich, daß es so gekommen ist.

     Von Erich Seeberg habe ich gestern aber einen weit besseren Eindruck gewonnen. Er ist doch nicht bloß ein amüsanter Schwätzer, sondern hat sehr vernünftige u. auch klare Ideen, die sich auf ein sehr gründliches historisches Wissen stützen. Er ist ja Kirchenhistoriker. Seiner Meinung nach ist eine Rettung Europas nur möglich, wenn sich Europa auf seine alten, christlichen Grundlagen besinnt, wobei er einer Vereinigung der beiden christl. Konfessionen das Wort redet, ohne allerdings für sich selbst die Konsequenzen zu ziehen, denn die Autorität des Papstes glaubt er für sich selbst nicht ertragen zu können. Er gab aber zu, daß er dieses nur für sich als Theologe sage, während es für den protestant. Laien ziemlich unwesentlich sei. Es scheint, daß er sich eine papstfreie, einheitliche katholische Kirche für Deutschland denkt. Er formulierte seine Ansicht etwa so: Der Nationalsozialismus kommt als Grundlage für ein geeintes Europa nicht in Frage, – das ist klar erwiesen. Eine andere Idee als Grundlage ist bislang nicht vorhanden, – bleibt nur die christliche Grundlage, wofür die bisherige evangelische Kirche geopfert werden muß, ein Opfer, das seiner Meinung nach nicht allzu schwer sein wird. Das ist wohl klar u. richtig gesehen; aber diesem Opfer stehen bislang noch die evangelischen Theologen entgegen, die sich dem Papste nicht unterordnen werden, – das ist wohl der springende Punkt. Ich entgegnete ihm, daß diese gefürchtete Autorität des Papstes doch wohl ein Kinderschreck sei, durch jahrhundertelange Propaganda hochgezüchtet; aber da war er skeptisch. – Jedenfalls verlief der ganze Abend außerordentlich angeregt u. ich habe große Lust bekommen, mich öfter mit ihm über diese Fragen zu unterhalten. – Im Hause ist besonders sein Arbeitszimmer sehr schön. – Er erzählte sehr amüsant von gelegentlichen Berührungen mit kathol. Bischöfen, denen er sehr große Hochachtung entgegenbringt, weil sie, wie er sagte, sehr gebildete u. kultivierte Menschen seien. So weit ich bemerken konnte, ist aber sein Christentum recht theoretisch u. sehr skeptisch, – er zweifelte, ob Gott sich wirklich uns Menschen in Jesus Christus offenbart habe u. er begründete diesen Zweifel mit der ungeheuren Ausdehnung des Kosmos. Man könne, meinte er, nicht einsehen, warum Gott sich grade diesen kleinen Weltkörper Erde zu seiner Offenbarung ausersehen habe, – es sei unwahrscheinlich. Ich erwiderte, daß dies nicht unwahrscheinlicher sei als die Tatsache, daß Gott sich unter den Völkern grade das verachtetste Volk der Juden ausgesucht habe u. daß außerdem vor Gott Größenunterschiede in unserem Sinne nicht existierten. Außerdem sagte ich, daß ja nirgends behauptet werde, daß dies die einzige Offenbarung Gottes sei, vielmehr sei doch die Existenz von Engeln eine ganz andere Offenbarung, – niemand könne wissen, ob die verschiedenen Chöre der Engel im Kosmos nicht ähnliche Wohnsitze hätten, wie wir Menschen auf der Erde. – Er gab das zu.

     In solchen Gesprächen verging der Abend äußerst anregend u. es war bereits 12 Uhr, als wir nachhause gingen. –

     Heute sandte uns Fritz eine kurze Nachricht von Kurt, die dieser ihm gesandt hat. Danach ist er um Ostern mit seinem Chef, Oberstlt. Schultes, nach Rom gefahren, um von dort nach Tunis zu fliegen, jedoch seien sie von Rom wieder zurückgerufen worden. Er sitzt nun wieder in Berlin u. wartet auf neue Befehle. Von Rom schreibt er, daß er es nur vom Wagen aus sehen konnte, da Rom zur offenen Stadt erklärt ist u. Soldaten sich auf den Straßen nicht zeigen dürfen. – Tunis dürfte nun wohl dicht vor dem Fall stehen u. es hat sich vielleicht ergeben, daß von dort nichts mehr zu transportieren [3] ist. Heute meldet man, daß die Kämpfe bereits in den Außenbezirken von Tunis u. Biserta stattfinden, sodaß wohl kaum noch etwas abtransportiert werden kann. Es wird, wie es zu erwarten war, ein Dünkirchen geben, oder ein zweites Stalingrad. Damit ist dann Afrika völlig abgeschrieben. Mussolini hat eine große Rede gehalten, aber man erfährt nicht, was er denn eigentlich gesagt hat; hätte er etwas Gutes gesagt, würde es wohl in der Zeitung stehen.

     Man spricht von der bevorstehenden Offensive im Osten. Zu diesem Zweck sollen ungeheure Massen von den berüchtigten Preßluftgranaten an die Ostfront gebracht worden sein, mit denen man eine neue Offensive von riesiger Wucht starten will. Man hat erzählt, daß die Russen auf die Verwendung dieser Munition mit Gas antworten werden. Dann wäre also diese furchtbarste Kriegführung da. Man wird ja bald sehen, was an diesem Gerede ist. –

     Heute Vormittag Gewitter mit mäßigem Regen, der es ermöglichte, Blumensamen auszusähen. Es war kühl, aber abends wurde es wieder klar. Gestern war es sehr warm. Die Trockenheit ist katastrophal.

     Die Anzeigen zur Hochzeit sind fertig beschriftet, morgen beginne ich mit der Absendung.

     Ruth hat aus Regensburg angerufen, sie kommt nun doch zur Hochzeit u. bringt die kleine Ortrun mit. –