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Sympathien und Antipathien

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Textdaten
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Titel: Sympathien und Antipathien
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 450-451
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[450] Sympathien und Antipathien. Daß der menschliche Körper seiner Organisation zufolge durch anscheinend leichte, ja fast unbemerkbare Eindrücke große Veränderungen erleiden kann, ist eine bekannte, wiewohl in vielen Fällen noch durchaus nicht erklärte Thatsache. Wenn man plötzlich in den hellen Sonnenschein tritt, so wird zuweilen augenblicklich jene heftige Erschütterung veranlaßt, welche wir Niesen nennen. Das Heruntersehen von einer steilen Höhe macht den Kopf schwindlig; wer lange in einen Strudel blickt, läuft Gefahr hineinzufallen, und wenn man auf einem segelnden Schiffe stehend die Augen auf das Wasser heftet, so stellt sich bald Erbrechen ein. So wie Kitzeln mit einem Strohhalm an der Nase zum Niesen reizt, so werden bei einem schrillenden, kratzenden Geräusch oft die Zähne stumpf, ja man hat Personen gekannt, denen das Zahnfleisch zu bluten anfing, wenn sie ein Messer wetzen hörten. Ein Freund von uns hat eine Dame gekannt, die bei dem Schall einer Klingel allemal ohnmächtig ward und dann einige Minuten lang wie todt dalag. Krämpfe, besonders bei Frauen, stecken oft durch den bloßen Anblick an, und daß krankhafte Körper Einwirkungen ausgesetzt sind, welche gesunde unberührt lassen, geht daraus hervor, daß die feinen Dünste, welche vor der Aenderung des Wetters in der Luft schwimmen, von Leuten, die mit alten Wundschäden behaftet sind, deutlich empfunden werden, aber blos an den krankhaften Stellen. Wie Viele giebt es, denen es übel wird, wenn sie beim Fahren rückwärts sitzen, und wie viele Andere, denen der Geruch des Moschus, den Manche so gern haben, unausstehlich ist.

Abgesehen von diesen Antipathien aber, welche einer großen Anzahl Menschen eigen sind, giebt es noch andere, die nur höchst vereinzelt vorkommen und manchmal sonderbar genug sind.

So pflegte zum Beispiel der Cardinal Oliverius Caraffa während der Zeit, wo die Rosen blühen, sich, weil der Duft derselben ihm Ohnmachten zuzog, in sein Zimmer einzuschließen und Niemand, der eine Rose an sich trug, durfte seinen Palast betreten, noch viel weniger in seine unmittelbare Nähe kommen. – Johannes Querceto, Secretär des Königs Franz I. von Frankreich, mußte sich die Nasenlöcher mit Brod zustopfen, so oft Aepfel auf der Tafel erschienen, deren Geruch er so wenig ertragen konnte, daß wenn man ihm einen Apfel dicht unter die Nase hielt, diese anfing zu bluten. — In einer uns genau bekannten Familie befand sich noch vor wenigen Jahren ein Knabe – er starb später – der nichts Gekochtes oder Gebratenes essen konnte, sondern sich mit Brod, Obst und Milch begnügte; auch konnte er nicht feineres oder weißes Brod essen, sondern blos von Schwarzmehl gebackenes. Im Winter aß er gedörrte Aepfel, Birnen, Kirschen, Nüsse u. s. w.; seine Milch mußte ebenfalls kalt sein, denn er konnte einmal nichts Heißes oder Warmes essen. Zuweilen genoß er auch ein Ei, aber dann schwollen ihm allemal die Lippen auf, sein Gesicht bekam purpurrothe und schwarze Flecken und es trat ihm Schaum vor den Mund, gerade als ob er Gift genossen hätte.

In einem alten Schriftsteller lesen wir von der unglaublichen Antipathie eines vornehmen Herrn, welcher es nicht ertragen konnte, wenn ihn ein altes Weib ansah, und als seine Freunde, um sich einen Scherz zu machen, ihn einmal unvermuthet in die Nähe einer antiquirten Schönheit brachten, stürzte er zu Boden und gab auf der Stelle den Geist auf. Vielleicht wäre ein Wiederbelebungsversuch mit einem jungen schönen Mädchen nicht ganz erfolglos gewesen.

Die Katzen haben das Unglück, Gegenstand der Antipathie vieler Menschen zu sein. Ein sehr guter Freund von uns, der sonst durchaus kein Feigling ist und wenn es sein müßte, mit einem Löwen anbinden würde, kann in keinem Zimmer bleiben, in welchem sich eine Katze befindet. Neulich besuchten wir zusammen einen Bekannten, der uns zu Tische gebeten hatte. Kaum hatten wir uns gesetzt, so ward mein Freund unruhig, schnüffelte in der Luft herum, sprang plötzlich auf und erklärte, es müsse eine Katze im Zimmer sein. Und so war es auch. Unser Bekannter, der diese Antipathie zeither immer für Ziererei oder Selbsttäuschung gehalten, hatte, um unsern Freund auf die Probe zu stellen, ohne einem Menschen etwas zu sagen, ein Kätzchen in einen Wandschrank eingesperrt.

Noch verbreiteter als gegen die Katzen ist die Antipathie gegen Spinnen, in Bezug worauf wir selbst [451] vor einiger Zeit ein merkwürdiges Beispiel erlebten. Wir befanden uns in einer Gesellschaft sehr gebildeter und gelehrter Leute und das Gespräch kam zufällig auch auf das Kapitel der Antipathien. Mehrere stellten die Wirklichkeit derselben in Abrede, erfuhren aber entschiedenen Widerspruch von Seiten eines jungen Mannes von der Insel Barbados, der gegenwärtig auf einer deutschen Universität seine Studien macht. Er erklärte, daß er selbst gegen Spinnen eine unüberwindliche Antipathie besitze, was wohl mit darin seinen Grund habe, daß in seinem Geburtslande, der Insel Barbados, die größten und häßlichsten Spinnen gefunden werden. Einer der mit anwesenden Herren kam auf den Einfall, im Beisein des Herrn Matthew – so heißt der junge Insulaner – eine Spinne von schwarzem Wachs zu fertigen, um zu versuchen, ob diese Antipathie blos bei dem Anblick des wirklichen Insekts zum Vorschein käme. Er ging deshalb aus dem Zimmer und kam mit einem Stück schwarzen Wachses in der geschlossenen Hand zurück. Matthew, der sonst ein sehr sanfter und liebenswürdiger junger Mann ist, ergriff, in der Meinung, daß der Herr wirklich eine Spinne in der Hand habe, sofort ein auf dem Tische liegendes Messer, stellte sich mit dem Rücken gegen die Wand und erhob ein furchtbares Geschrei. Alle Muskeln seines Gesichts waren angeschwollen, seine Augen rollten und er war am ganzen Körper starr und steif. Wir liefen sogleich erschrocken auf ihn zu, entwanden ihm das Messer und versicherten ihm, daß der Herr blos ein Stück Wachs in der Hand gehabt und daß er es selbst auf dem Tische, wo es mittlerweile hingelegt worden, ansehen könne. Er verharrte noch eine Zeit lang in diesem krampfhaften Zustande und es war uns wirklich bange um die Folgen. Allmälig jedoch erlangte er seine Fassung wieder und beklagte die Raserei, zu welcher er sich hatte hinreißen lassen. Sein Puls ging außerordentlich rasch und hart und sein ganzer Körper war mit kaltem Schweiß bedeckt.