Stunden der Andacht/Gebet am Grabe des Vaters
« Gebet am Sterbetag der Eltern | Stunden der Andacht | Gebet am Grabe der Mutter » | |||
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
| |||||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
Gott, auf dieser Trauerstätte, wo die irdischen Ueberreste meines heimgegangenen Vaters ruhen, will ich seinem Angedenken meine kindlichen Thränen und Gefühle widmen. Nun ich ihn, den Theuern, verloren habe für dieses Leben, erkenne ich erst recht, welchen Schatz von Liebe ich in ihm besessen. Er, der treue Führer meiner Jugend, mein Leiter, mein Warner und Berather hat mit weiser Sorgfalt für das Gedeihen meines Geistes, wie meines Leibes gesorgt, er hat meinen Verstand erleuchtet, mein Herz mit der Liebe zum Guten erfüllt; er hat für mich gestrebt und gerungen, sich gemühet und gequält und mit Muth und Freude den Kampf des Lebens auf sich genommen, um seinem Kinde die Freuden des Lebens zu verschaffen! O mein guter Vater, indem ich deiner gedenke, strömen meine Thränen und mein Herz überfließt von Liebe und Schmerz. Doch was kann dir meine Liebe nun nützen! sie kann dir nunmehr keine irdischen Freuden und kein irdisches Glück bereiten, dir, der nun schon fern ist von allen Erdenwünschen, Erdenbedürfnissen und Erdensorgen!
[129] Doch Gutes thun, Wohlthaten üben, sich das Herz veredeln, das sind Himmelsfreuden, die das Kind dem verklärten Vater bereiten kann; und diese Freuden will ich dir zu bereiten suchen, indem ich in deinem Namen und in deinem Geiste das Gute übe und vollführe; das sei das Opfer, das ich auf den Altar meiner kindlichen Liebe niederlegen will, und möge Gott es gnädig aufzeichnen in seinem Buche, dir zum Heile und zur Seligkeit in deiner Himmelswohnung.
O Gott des Himmels und der Erde, wie er in väterlicher Liebe seine Segnungen mir hinterlassen hat, so segne ich hinwiederum in kindlicher Liebe sein Angedenken hier vor dir, und bete zu dir für sein Seelenheil. O mögest auch du seiner gedenken in Liebe und Erbarmen, mögest du ihm gedenken jede gute That, jedes fromme Werk, das er im Leben geübt hat, und gnadenvoll ihm vergeben, was er in menschlicher Schwachheit auf Erden gefehlt und gesündigt. Und was er gelitten im Leben wie im Tode, was er getragen und geduldet hinieden, das gereiche ihm zur Sühne und Versöhnung vor dir, mein Gott, daß er theilhaft werde des ewigen Friedens und Heiles, der ewigen Glückseligkeit in deiner Gottesnähe. Amen.