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Studien aus dem Leben/Ihre erste Gesellschaft

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Textdaten
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Autor: Hermann Heiberg
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Titel: Ihre erste Gesellschaft
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aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 768, 770
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Reihe: Studien aus dem Leben
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Studien aus dem Leben.

Von Hermann Heiberg.
Ihre erste Gesellschaft.

Du, Mama meint, daß wir auch unsere Gesellschaft einmal überlegen müßten. Hörst Du, Männchen? Ach, nun lasse doch einmal die Zeitung! Wir wollen darüber reden. Wie denkst Du darüber, wenn wir sie heute über vierzehn Tage ansetzten?“

„Ueber vierzehn Tage? Weßhalb denn so spät? Wir können ja gleich einladen! Ueber acht Tage – Sonnabend. Das ist ein prächtiger Tag für die Sache.“

„Ach, liebster Ernst, wo denkst Du hin!“

„Wie so?“

„Heute über acht Tage! Ich muß doch Zeit dazu haben. Mama wollte in den nächsten Tagen einmal vorsprechen, um mit mir den Küchenzettel zusammenzustellen.“

„Dazu brauchst Du doch Mama nicht. Wir beschließen hier gleich in unserem eigenen Götterrath über die Sache. Und Zeit hast Du ja die Menge. – Morgen früh erhalten unsere Gäste die Einladung, Montag haben wir die Antworten und können, wenn uns Freunde absagen, noch rasch ergänzen. – Nun, was hast Du? Ist’s Dir nicht recht?“

„Gewiß, lieber Ernst. Ich habe ja die Sache angeregt. Aber ich bin gegen jede Ueberstürzung. Bedenke –“

„Ueberstürzung? Und was soll ich bedenken? Ich schlage vor, wir machen gleich das Menu. Zwei Gänge: eine Fischpastete, Rehrücken, Eis, Obst, Butter und Käse –“

„Nein, das hatte ich mir anders gedacht.“

„Schön! Also sage Du einmal Deine Meinung.“

„Ja, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Das kommt mir so rasch. Ich muß mir das noch Alles ruhig überlegen. Du weißt, ich möchte das Service von Onkel Josef umtauschen, und die Champagnergläser – Du wolltest doch lieber Schalen –“

„Champagner? Wir werden doch keinen Champagner geben!“

„Meinst Du nicht? Bei unserer ersten Gesellschaft?“

„Ich denke nicht daran! Wir setzen Weißwein und Rothwein auf den Tisch. Den Weißen zum Fisch, den Rothen –“

„Mama meinte aber, ein Glas zum Schlusse, ebenso wie’s bei den jungen Fittgers neulich –“

„Nein, mein liebes Kind! Ich will mit Champagner nicht beginnen. Aber, abgesehen davon, bleiben wir bei der Sache. Du brauchst nur das Service umzutauschen. Ein einziger Gang! Wir können das sogar heute besorgen. Du holst mich vom Gerichte ab.“

„Ja, ja, Männchen, aber Mama wollte auch mit mir gehen. Ich hatte mit ihr verabredet, daß wir Beide zusammen –“

„Gut also, gehe mit Mama! Nur laß mich sehen, was Du gewählt, bevor Ihr Euch entscheidet.“

„Hm! Aber wenn nun nichts da ist, was uns besser gefällt? Ich dachte daran, überhaupt etwas Anderes zu wählen – Dinge, die uns noch fehlen – und in einem andern Geschäfte das Service zu kaufen. Du weißt, ich habe noch das Geld von Tante Emma, mit dem ich machen kann, was ich will.“

„Gewiß, einverstanden. Richte Alles ein, wie Du denkst, aber halten wir daran fest, daß wir heute die Einladungen ergehen lassen. Warte! ich will einmal aufschreiben –“

„Bitte, bitte, Ernst; noch nicht. Ich – ich kann nicht so rasch. Ich bin ängstlich – Du mußt mir das doch nachfühlen.“

„Schön! Wirst Du denn in vierzehn Tagen, sagen wir selbst in drei Wochen, weniger ängstlich sein? Nein, im Gegentheil! Es wird immer schlimmer werden. Was ist denn das, eine Gesellschaft geben, wenn man Dienstboten und Hilfe hat, wie Du! Bestimme, was geschehen soll, und lege Dich ruhig schlafen.“

„Du hast gut reden.“

„Aber, Kind, wie kann man so wenig muthig sein! Das ist doch gar nichts –“

„Wohl ist’s etwas. Es ist in unserem Hausstande noch lange nicht Alles, wie’s sein sollte. Zum Beispiel die Käseglocken –“

„Käseglocken? Was ist mit denen?“

„Guste hat doch eine von den Glocken zerbrochen. Wer weiß, ob wir eine solche wieder erhalten.“

„Leihe ein Paar von Mama.“

„Die sind so unschön, die passen gar nicht zu unserem Krystall.“

„Dann kaufe neue.“

„Erlaubst Du das?“

„Natürlich! wenn’s keinen passenden Ersatz für die zerbrochene giebt. Aber ich sollte doch denken –“

„Und Fischpastete sagtest Du! Wie kommst Du auf Fischpastete?“

„Weil’s gut schmeckt! Fisch mit Farce, Champignon- oder Kapernsauce. Das ist ein superbes Essen.“

„Hm! Das müßte ich mit Mama besprechen. Viele essen gar nicht gerne Fisch.“

„Dann wähle eine Hühnerpastete, ein Ragout – irgend Etwas.“

„Weißt Du, Ernst, ich denke, wir machen’s heute über vierzehn Tage. Bis dahin wird, denke ich, Alles in Ordnung sein. Du antwortest nicht? Bist Du ungehalten?“

„Ich schreibe die Namen auf. Präsident Koch –“

„Den Präsidenten gleich bei der ersten Gesellschaft? Bitte, Ernst!“

„Aber gerade! Den Präsidenten können wir gar nicht umgehen. Er ist die Hauptperson. Die Uebrigen hätten Zeit.“

„Mama meinte –“

„Laß nun doch einmal Mama aus dem Spiele, mein Herz! Wir Beide sind doch verheirathet und nicht Du und sie.“

„Das klingt wenig rücksichtsvoll, lieber Ernst.“

„Was?“

„So wie ich Mamas Namen nenne, wirst Du ungeduldig.“

„Durchaus nicht. Ich sprach ganz ruhig. Ich finde nur – und schon oft habe ich Dir das gesagt – daß Deiner Mutter Rathschläge sich nicht auf Dinge ausdehnen sollen, welche – welche – Du mußt doch endlich anfangen, selbst nachzudenken –“

„Das klingt, als ob ich ein Schulmädchen wäre. Früher fandest Du, daß ich Alles sehr gut, besser als Andere verstände, früher –“

„Liebe, kleine Frau! Wollen wir denn zanken? Deine vortrefflichen Eigenschaften würdigt Niemand mehr und besser als ich, aber in Hausstandsangelegenheiten –“

„Nun eben, Ernst. Ich muß doch erst lernen, und Niemand versteht’s wirklich besser als Mama!“

„Es mag sein, ich gebe zu. Aber bei Allem, was geschehen soll, höre ich das Wort: ,Mama!‘ Ich liebe dieses Echo nicht. Du weißt es, aber Du scheinst es nicht begreifen zu wollen.“

„Mit anderen Worten: Mama braucht unsere Schwelle nicht mehr zu betreten.“

„Welche Uebertreibung, liebe Bertha! Daß Ihr Frauen, sobald man Eurem Willen einen andern entgegensetzt, gar keine logische Mitte zu finden wißt. Ihr seid darin Alle, Alle gleich.“

„Vor einem halben Jahre sprachest Du noch anders! Da war ich Dein unvergleichliches kleines Mädchen, Deine weiße Schwalbe. Neben mir gab’s nichts in der Welt.“

„Gewiß! In der schwärmerischen Liebe ist man etwas überschwänglich. Man sieht die Dinge in einem andern Lichte.“

„Natürlich in einein falschen!? O pfui! Wie unzart ist diese nüchterne Erörterung!“

„Meine liebe Bertha! Sei doch nur sachlich und verständig. Rekapituliern wir, was vorliegt und was sich daraus ergiebt! Hörst Du?“

„Nein, ich mag nichts mehr hören. Ich bin so traurig, so traurig.“

„Jedenfalls ohne den geringsten Grund! Wir wollen eine Gesellschaft geben. Es ist die höchste Zeit, daß wir einmal von uns hören lassen. Ich schlage heute über acht Tage vor; Du erklärst, zwei Wochen Ueberlegung für eine Gesellschaft von höchstens achtzehn Personen zu gebrauchen, willst Erörterungen mit Deiner Mama, wendest mir ein, Du habest kein Service und keine Käseglocken –“

„O, o, diese Erwähnung – –“

„Keine Käseglocken. Ich widerlege Alles. Ich bitte Dich, endlich einmal selbständig zu werden, Deine vortreffliche, sonst sehr von mir verehrte Mama aus dem Spiele zu lassen, bitte Dich, überhaupt eine richtige Grenze zu ziehen, da Du diesen etwas wunden Punkt bei mir kennst. Und obgleich ich dies Dir ruhig und ohne Erregung vortrage, redest Du Dich in Zorn, wirfst mir ein verändertes Betragen vor und erklärst schließlich, Du seiest zum Sterben unglücklich.“

„Das Wort habe ich nicht gebraucht. Ich sagte, ich sei traurig, und das ist wahr! Seit den letzten acht Tagen bin ich tief betrübt. Ich fühle, daß ich Deine Liebe in dem alten Umfange nicht mehr besitze. Du bist weniger aufmerksam als früher, ergreifst jede Gelegenheit, mir recht vor Augen zu halten, wie unsympathisch Dir meine Mutter ist, und möchtest mich ihr ganz entfremden. Aber das, das wird Dir nicht gelingen. Meine Mama ist und bleibt –“

„Dein höchstes Ideal! Ja, ich weiß es. Und weil ich das weiß, weil ich diese zu starke Abgötterei von Deiner Seite und ihre Vormundschaft [770] nicht mehr mag und will, weil dadurch nur zu immer neuen Verstimmungen Veranlassung gegeben wird, erkläre ich wiederholt, daß Du zwischen ihr oder mir wählen mögest. Deine Antwort war nie eine bestimmte! Heute, mein liebes Kind, fordere ich diese Antwort. Ich oder Mama! Bevor Du mir aber antwortest, höre mir noch einmal zu: Sieh die Vögel, die ein Nest bauen. Wollen sie, daß sich ein Fremder hinzugesellt? Will der Baumeister, der sich einen festen Plan entworfen, daß ein Anderer Striche macht und während des Bauens die Mauern wieder einreißt?“

„Welche Uebertreibung!“

„Bitte, laß mich nur reden! Sieh Dich um, überall! Gehören nicht Mann und Frau mit Allem zusammen, was sie betrifft? Ist’s nicht ganz unnatürlich, daß immer noch eine zweite Instanz angerufen werden muß, daß Alles aufgeschoben wird, bis der dritte Kopf ein Ja nickt oder ein Nein sagt? Denke Dich in den umgekehrten Fall hinein: daß ich bei Allem, was Du vorschlügest, Dir erwiderte: ,Ich will meinen Papa fragen.‘ Du sagst, das sei etwas Anderes! Eine Frau sei einmal weniger selbständig, auch handele es sich um Dinge, die wir Beide nicht verstehen. Ich versichere Dich, daß ich Alles ebenso gut verstehe wie Deine Mama. Verständiger Menschen Einsicht ist auch Etwas, und im Uebrigen nochmals: Du wirst nie eine gute Hausfrau werden, wenn Du nicht selbst prüfst, wenn Du Dich nicht auf Deine eigenen Füße stellst und bei jedem neuen Falle Deine Erfahrungen mit in die Wagschale wirfst. Ich finde, daß Du schon so viel Selbstgefühl, so viel Eifer um meinetwillen an den Tag legen solltest. Und nun genug! Die Gesellschaft findet heute über acht Tage statt, und ich denke, Mama könnte während dieser Zeit ihre Besuche einschränken. Das tägliche Zusammenhocken ist mir wirklich höchst unsympathisch.“

*               *
*

„Liebster Ernst! Gehst Du schon? Bitte! Denke Dir, Noot läßt eben sagen, die Hummern seien nicht eingetroffen – er habe ein Telegramm bekommen. Er fragt, was geschehen soll. Ich bin außer mir! Was soll ich nun machen? Könnten wir nicht absagen? Was meinst Du?“

„Fatal, allerdings! Weißt Du, Bertha! Geh gleich auf den Markt und sieh, ob Du nicht einen Lachs bekommen kannst.“

„Tirenins essen keinen Fisch – Du weißt – Mama auch nicht. Hummer war das Einzige, da Du durchaus Fisch haben wolltest. Bitte, bitte, lieber Ernst, sage ab! Melde, ich sei plötzlich krank geworden.“

„Thorheit! Jetzt ist die Uhr noch kaum Zehn. Bis zum Abend hast Du ja völlig Zeit.“

„Wenn ich aber keinen Lachs bekomme?“

„Hm! – Dann gehe zum Restaurateur und bestelle eine Hühnerpastete. – Hühnerpastete und Wild; das paßt!“

„Werden die so rasch liefern können? Gewiß nicht.“

„Versuche es!“

„Ja, gut, aber –. Ach, ach! daß mir das auch passiren mußte. Siehst Du, Ernst, das sind die Folgen dieser Ueberstürzung.“

„Ach, Thorheit! Komm doch nicht wieder anf dieselben unzutreffenden Einwände. Nach vierzehn Tagen konnten die Hummern auch ausbleiben.“

„Bitte, bitte, Ernst! Laß uns die Gesellschaft aufschieben. Ich kann nicht, ich fühle es. Schon jetzt bin ich ganz elend vor Angst und Aufregung. Ich werde schon heut Abend meine Migräne haben. Welches Gesicht werde ich als Wirthin machen!“

„Du wirst Dich zusammennehmen! Es giebt schlimmere Dinge in der Welt. Uebrigens hilft das Denken und Grübeln nichts! Handle! Komm, hole Deinen Mantel, wir wollen’s zusammen besorgen.“

„Nein, nein – ich möchte doch erst bei Mama vorsprechen, mit ihr überlegen. Sie wird mir rathen können.“

„Und ich sage: Nein! Deine Mutter bleibt bei dieser Gesellschaft aus dem Spiel. Es ist mein letztes Wort. Auch findet die Gesellschaft statt, und wenn wir nur einen Gang geben sollten!“

„Einen Gang? Den kleinen Rehrücken für achtzehn Personen? Ich sehe: Du willst mich schonungslos bloßstellen. Auch Dich und Dein eigenes Hauswesen willst Du preisgeben, nur um Deinen Willen gegen mich durchzusetzen. O, o!“

„Bertha, mache mich nicht rasend! Es ist zu viel des Unverstandes und der Uebertreibung, zu viel des Mangels an Selbständigkeit! Worin willst Du Dich denn bewähren, wenn Du bei einer so geringfügigen Ursache gleich die Hände in den Schoß fallen läßt – ja, gleich solche Schlußfolgerungen ziehest, weil etwas in die Quere kommt? Und nun, nochmals: kleide Dich an und komm mit!“

„Ich habe gar nicht die Kocheinrichtung für einen großen Lachs.“

„Dann nimm zwei kleine.“

„Aber, wenn’s die nicht giebt?“

„Dann schneide den Fisch durch.“

„Durchgeschnittener Lachs? Ah! ich sehe, Du willst nicht einmal mit mir überlegen.“

„Herr Gott und Vater! Ich überlegte doch fortwährend mit Dir und will nur, daß Du erst einmal handelst. Wenn nun weder das Eine noch das Andere geht, so werden wir weiter sehen. Versuche doch erst! Nun, Du zögerst? Soll ich’s allein besorgen? Ist der Weg zu weit, die Anfrage zu schwierig? Raffe Dich auf, Bertha, und mache dem Zaudern ein Ende. – Bertha! Bertha! Nun, weine doch nicht – hörst Du! – Mein Gott, es ist doch wirklich nicht zum Weinen! Sei ein tüchtiges, kleines Frauchen. – Wie? Ich verstehe nicht! Du kannst nicht? Du willst Dich ins Bett legen? – – Na, da behalte ein Mensch Ruhe und Sanftmuth! Höre mein letztes Wort: ich gehe jetzt, und zwar ohne Dich! Ich verlange, daß heut Abend Alles nach dem Schnürchen geht. Ich werde mich um Nichts kümmern. Dein ist die Sorge. Es giebt gar keinen Grund, daß kein Fisch oder keine Pastete servirt wird. Du wirst es schaffen und damit Punktum!“

„Ernst – Ernst – bleibe, bleibe, bitte! Verlaß mich nicht. O, er geht! Er geht!“

*               *
*

„So! Nun ist der letzte Gast fort, und nun rasch zu Dir, Du kleine, vortreffliche Frau! Ganz vortrefflich war Alles! Komm, gieb mir einen Kuß. Nein, noch einen, und laß Dich loben und bewundern. Selten habe ich eine so gute Pastete gegessen und –“

„Ja! Nicht wahr? Der Präsident war auch so sehr befriedigt, daß er zweimal nahm und mir Komplimente machte. Aber eine Angst habe ich ausgestanden bei dem Rehrücken! Ich glaube, Sanitätsrath Koch hätte gern noch einmal genommen. Du hattest aber auch so reichlich geschnitten! Du sahst gar nicht, daß ich Dir mehrere Male zuwinkte. – Wie war das Eis? Das nächste Mal nehme ich doch lieber Vanille.“

„Es war sehr gut. Die beiden Damen Sophius haben geschinauft, als ob sie sich eben erst an den Tisch gesetzt hätten. Uebrigens gieb doch Guste etwas Kuchen. Sie hat sich sehr gut gemacht.“

„Hm, ja! Aber beim Aufwarten ist sie doch noch recht ungeschickt. Hast Du bemerkt, daß der kleinen Frau Rosen neues seidenes Kleid über und über mit Wein befleckt wurde?“

„Nein! Wer war schuld?“

„Nun, eben Guste! Sie stieß an Doktor Claudius’ Glas, während sie herumreichte. – Und so nachsichtig war die Rosen bei der Sache. Nicht ein Wort hat sie geäußert. – Welch ein liebenswürdiger Mann ist übrigens Dein Präsident! Und er sieht Alles! ‚Unsere Einrichtung finde er beneidenswerth,‘ sagte er. Namentlich die türkischen Portièren gefallen ihm so sehr. Und Deinen Hochheimer hat er gelobt. ,Ein ganz vortreffliches, ganz vortreffliches Glas Wein,‘ murmelte er mehrmals, und er ließ es auch ohne Weiteres zu, daß ich ihm noch eine ganze Flasche hinstellte.“

„So, er lobte ihn? Es ist auch ein guter Wein für Kenner. Sag’ mal! Wie fandest Du denn meine Rede?“

„Sehr gut! Der Präsident schmunzelte, als Du seiner erwähntest, aber er meinte, ihm sei doch zu große Ehre geschehen. Er habe zu danken, nicht wir. – Welch ein prachtvolles Kleid hatte die Präsidentin an! Du, Ernst, solch einen Stoff wünschte ich mir einmal zu haben. Aber Du schlechter Mensch schenkst mir gar nichts. Müßte ich nicht ein wenig belohnt werden? Wie Du heute Morgen so kaltherzig davonliefst, da hätte ich Dich –“

„Nun?“

„Ach nein! Nun ist’s gut! Komm! Den Kuß von vorhin gebe ich Dir zurück, und ich verspreche Dir auch, in Zukunft gar nicht mehr ängstlich zu sein! Aber einen Gegendienst will ich von Dir: bitte, sei immer gut und aufmerksam gegen Mama! Wie es mich beunruhigt, daß sie heute nicht gekommen ist, kann ich Dir nicht sagen. Nicht wahr, Du gehst morgen zu ihr und machst einen Besuch?“

„Einen Besuch? Ich? Weßhalb? Weil sie die Empfindliche spielt?“

„Mit Recht, Ernst!“

„Mit Recht?“

„Glaubst Du nicht, daß sie Deine Reden verstanden hat? Sicher wäre sie heute Mittag gekommen, mir behilflich zu sein. Ihr Unwohlsein ist nur vorgeschoben. Ach, das ist mein einziger Kummer in der Sache.“

„Und meine aufrichtige Freude! Ich ersehe daraus, daß sie verstanden hat. Und Du wirst bei ruhigem Nachdenken mir beipflichten, daß Deine Emancipation nicht anders herbeigeführt werden konnte, als mit einer kleinen Härte gegen Deine Mutter. Ich sagte Dir schon wiederholt, daß ich sie aufrichtig verehre und ihre guten Eigenschaften schätze, aber niemals begriffen habe, daß eine sonst so verständige Frau so wenig Einsicht in dieser einen Sache an den Tag legen konnte. Laß sie nur ein paar Tage schmollen: Du sollst sehen, sie wird selbst zur Einsicht gelangen und Du – Du –“

„Nun, ich?“

„Du wirst es mir danken, daß ich Dich durch einen kleinen Gewaltakt zu einem selbständigen Wesen machte. Haben wir nicht heute den Beweis gehabt, wie gut Du kannst, wenn Du nur willst?“

„Ja, was blieb mir denn, wenn Du mir, wie ein Bär, die Zähne zeigtest? Du, Ernst! Sag’ mal! Wenn ich mich nun ins Bett gelegt oder hinter Deinem Rücken Allen abgesagt hätte: was wäre passirt!?“

„Sofortige Scheidung!“

„O, Du – böser – Mensch! Ernsthaft! Würdest Du mir nicht verziehen haben?“

„Niemals!“

„Ich wollte mich auch schon zu Mama flüchten und Dir einen Absagebrief schreiben.“

„O nein!“

„Nein?“

„Nein, Du hast mich viel zu lieb. Das kannst Du gar nicht –“

„Das weiß ich doch nicht! Wenn Du sogar von Scheidnng sprichst!“

„Das ist ganz etwas Anderes! Im Uebrigen, überlegt hätte ich mir die Sache doch noch einmal. Ich würde vorher noch mal mit meinem ‚Papa‘ gesprochen haben.“

„Ernst!“

„Nun?“

„Geh, Du bist abscheulich!“

„Lassen wir’s gut sein! Du warst brav und ich habe Dich lieb und nun – komm her!“

„Nein, ich komme nicht! Laß Dir erst etwas sagen. Antworte! Wann geben wir unsere nächste Gesellschaft, unsere nächste von 24 Personen?“

„Sagen wir 25 Personen, Bertha! Denn Deine Mama – Deine Mama – die soll dabei sein, und wenn sie absagen will, holen wir sie selbst in einer goldenen Kutsche ab und – und –“

„O, Du mein Herzensmann! Wie liebe ich Dich!“