Sprüche (Fontane)
1.
Nicht Glückes-bar sind Deine Lenze,
Du forderst nur des Glücks zu viel;
Gieb Deinem Wunsche Maaß und Grenze,
Und Dir entgegen kommt das Ziel.
Was in Dir noch des Glaubens ist:
Du hättest doppelt einzufodern
Des Lebens Glück, weil Du es bist.
Das Glück, kein Reiter wird’s erjagen,
Lern’ überwinden, lern’ entsagen,
Und ungeahnt erblüht es Dir.
2.
Laß ab von diesem Zweifeln, Klauben,
Vor dem das Beste selbst zerfällt,
Und wahre Dir den vollen Glauben
An diese Welt trotz dieser Welt.
Das lächelnd auf den Säugling blickt,
Und fühl’s, es ist nicht alles Lüge,
Was uns das Leben bringt und schickt.
Und Herze, willst du ganz genesen,
Was wir in Welt und Menschen lesen
Ist nur der eigne Wiederschein.
Sag an „es fällt von Deinem Haupte
Kein Haar, von welchem Gott nicht weiß“ –
Und was der Tag uns Größres raubte,
Das fiele nicht auf Sein Geheiß?!
In unser Hoffen niederstiebt,
Ein ganzer Frühling lacht dahinter:
Gott züchtigt immer, wen er liebt.
Laß in dem Leid, das Er beschieden,
Dann kam der Tag, wo Freud und Frieden
In unsrem Herzen Hütten baun.
4.
Es kann die Ehre dieser Welt
Dir keine Ehre geben,
Was Dich in Wahrheit hebt und hält
Muß in Dir selber leben.
An ächten Stolzes Stütze,
Ob dann die Welt Dir Beifall spricht
Ist all Dir wenig nütze.
Das flüchtge Lob, des Tages Ruhm
Das aber sei Dein Heiligthum:
Vor Dir bestehen können.
Beutst Du dem Geiste seine Nahrung,
So laß nicht darben Dein Gemüth,
Des Lebens höchste Offenbarung
Doch immer aus dem Herzen blüht.
Ja mehr noch, eines Kindes Lall’n,
Kann leuchtender in Deine Seele
Wie Weisheit aller Weisen fall’n.
Erst unter Kuß und Spiel und Scherzen
O lerne denken mit dem Herzen,
Und lerne fühlen mit dem Geist.
6.
Du wirst es nie zu Tüchtgem bringen
Bei Deines Grames Träumerein,
Die Thränen lassen nichts gelingen,
Wer schaffen will, muß fröhlich sein.
Der in die Scholle niederbricht,
Doch golden Korn und Erndtesegen
Reift nur heran bei Sonnenlicht.
Tritt ein für Deines Herzens Meinung
Und fürchte nicht der Feinde Spott,
Bekämpfe muthig die Verneinung
So Du den Glauben hast an Gott.
So sprich auch Du zu Gottes Ehr’:
„Ich geh nach Worms, und ob da drinnen
Jedweder Stein ein Teufel wär’!“
Und peitscht Dich dann der Witz mit Ruthen,
Mehr noch als Liebe aller Guten,
Gilt aller Bösen Hohn und Haß.
8.
Die Menschen lassen vieles gelten;
Vor allem lieben sie Dich stumm:
Doch willst Du klagen, willst Du schelten, –
Auch das, man kümmert sich nicht drum.
So zeig’ ein Fünkchen Seligkeit, –
Man wünscht Dir Glück „von ganzem Herzen“
Und birst vor rückgestautem Neid.
Es äfft Dich nur dies Rennen, Traben
Nach golden mußevoller Zeit,
Wenn Du die Ruhe glaubst zu haben,
Dann eben ist sie doppelt weit.
Wenn Du sie hältst, wenn Du sie hast,
Wirst Du die Holde mehr vermissen,
Als in des Tages Druck und Last.
All Labsal, was uns hier beschieden,
Nur in der Arbeit wohnt der Frieden
Und in der Mühe wohnt die Ruh.
10.
Man wird nicht besser mit den Jahren,
Wie sollt’ es auch, man wird bequem
Und bringt, um sich die Reu zu sparen
Die Fehler all in ein System.
Man gleitet unbehindert fort,
Und „allgemeine Menschenschwäche“
Wird unser Trost- und Losungswort.
Die Fragen alle sind erledigt,
Nur manchmal eine stumme Predigt
Hält uns der Kinder Angesicht.
Du darfst mißmuthig nicht verzagen,
In Liebe nicht noch im Gesang,
Wenn mal ein allzu kühnes Wagen,
Ein Wurf im Wettspiel Dir mißlang.
Wer lief nicht irr’ auf seinem Lauf?
Blick hin auf das, was Dir gelungen,
Und richte so Dich wieder auf.
Vorüber ziehn die trüben Wetter,
Und ob verwehn die welken Blätter,
Die frischen schlingen sich zum Kranz.