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Sponsel Grünes Gewölbe Band 4/Tafel 1

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Bildwerke aus Holz und Stein Das Grüne Gewölbe: eine Auswahl von Meisterwerken in vier Bänden. Band 4 (1932) von Jean Louis Sponsel
Tafel 1
Tafel 2
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[42]
TAFEL 1
ELFENBEINPLATTE MIT DEN RELIEFFIGUREN
DER APOSTEL JOHANNES UND PAULUS.
BYZANTINISCH, 11. JAHRHUNDERT
[Ξ]

[42] Die Heiligen stehen auf einem „Säulenstuhl“, einem altarähnlichen Bau mit offenen Rundbogenarkaden. Barhaupt, in der Linken ein Buch mit Elfenbeindeckel und Schließen, das Evangelium. Johannes hebt segnend die Rechte, Paulus wendet den Kopf scharf nach rechts. Neben den Köpfen, deren milde Züge von langem Bart umwallt sind, senkrecht je die Worte:

A Johannes der Theolog. Der Heilige Paulus.

eingeschnitten. Darüber, in zwei Zeilen, erhaben geschnitten:

Σκεῦος Θεουργον σνλλαλει τωι παφθενω
Βλάβης σκεπεσθαι δεσπότην Κωνσταντίνον

Die Platte ist in einen silbervergoldeten Rahmen gefaßt, der außen ein bzw. zwei geriffelte Stäbe, innen einen gravierten Blattkranz zeigt. Oben eine Öse mit einem gebogenen Ring. Die Rückseite ist rot beschnitten; Spuren einer angefügten Gegenplatte (Diptychon) sind nicht zu sehen.

Die Platte stammt aus der Kirche S. Giovanni in Verdura zu Padua und wurde, nach dem Inventar der achtziger Jahre, „zuletzt in der Sakristei der K. Kapelle des Palais am Taschenberg aufbewahrt, von wo sie 1855 an das Grüne Gewölbe abgeliefert wurde“. Im Jahre 1752 gab Grabowski, Bischof von Wermland, in einer „Explication historique d’un tableau en relief“, gewidmet der Kurprinzessin Maria Antonia von Sachsen, Gemahlin Friedrich Christians, geb. Prinzessin von Bayern, eine eingehende Beschreibung der Platte. In der Einleitung bietet er der Kurprinzessin die Platte zum Geschenk dar. Seine Untersuchung, die von einem Kupferstich, bezeichnet „J. F. Endersch f. F. Hampe Sc.“ in Originalgröße begleitet ist, kommt zu dem Ergebnis, das Stück sei durch die Griechen nach der Eroberung Konstantinopels 1453 nach Europa gekommen. Er übersetzt die Inschrift ins Lateinische: Vas divinum colloquitur cum Coelibe de tuendo ab omni calamitate Depote Constantino. Die deutsche Übersetzung würde lauten: „Das göttliche Gefäß bespricht sich mit dem unberührten Jüngling darüber, wie der Herrscher Konstantin vor jedem Schaden zu schützen sei.“ Dieser Kaiser Konstantin ist einer der im 11. Jahrhundert regierenden Kaiser des Namens, nicht, wie Grabowski meint, Konstantin aus der Familie der Paläologen. Gleiche Platten befinden sich in Venedig, Museum des Dogenpalastes, hier sogar mit der gleichen Inschrift, und im Antikenkabinett zu Wien, aus der Sammlung Riccardi in Florenz, wo Petrus und Andreas dargestellt sind. Vgl. Gori, Thesaurus veterum diptychorum; G. Schlumberger, Deux volets d’un triptyque byzantin en ivoire du XI. siècle. (Gaz. des Beaux-Arts 1895; 379.) – Eine Platte mit der Darstellung Gottvaters und der vier Apostel in London, Victoria and Albert Museum, 215/66 zeigt dieselbe Hand. Eine Platte im Bayer. Nationalmuseum, München, Deesis, Christus zwischen Johannes dem Täufer und Maria (MA 159, 3, Tafel 3; Berliner, Die Bildwerke des Bayer. Nationalmuseums, IV. Abt., 1926, S. 5) steht in der Bildung der Köpfe und der Gewandbehandlung ihr nahe.

Es handelt sich also um eine Arbeit des 11. Jahrhunderts, worauf auch der edle Stil der Gestalten, besonders der klassische Faltenwurf der Gewänder hinweist.