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Spiritus familiaris (Brüder Grimm)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Brüder Grimm
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Titel: Spiritus familiaris
Untertitel:
aus: Deutsche Sagen, Band 1, S. 137–140
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1816
Verlag: Nicolai
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
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[137]
84.
Spiritus familiaris.
Trutz Simplex Leben der Landstörzerin Courage. Cap. 18. und 23.
Der Leipziger Avanturieur. Frkft. u. Lpz. 1756. Th. 2. S. 38–42.

Er wird gemeinlich in einem wohlverschlossenen Gläslein aufbewahrt, sieht aus nicht recht wie eine Spinne, nicht recht wie ein Skorpion, bewegt sich aber ohne Unterlaß. Wer ihn kauft, in dessen Tasche bleibt er, er mag das Fläschlein hinlegen, wohin er will, immer kehrt es von selbst zu ihm zurück. Er bringt großes Glück, läßt verborgene Schätze sehen, macht bei Freunden geliebt, bei Feinden gefürchtet, im Krieg fest wie Stahl und Eisen, also daß sein Besitzer immer den Sieg hat, auch behütet er[1] vor Haft und Gefängniß. Man braucht ihn nicht zu pflegen, zu baden und kleiden, wie ein Galgen-Mannlein.

Wer ihn aber behält, bis er stirbt, der muß mit ihm in die Hölle, darum sucht ihn der Besitzer wieder zu verkaufen. Er läßt sich aber nicht anders verkaufen, als immer wohlfeiler, damit ihm einer bleibe, der ihn nämlich mit der geringsten Münze eingekauft hat.

Ein Soldat, der ihn für eine Krone gekauft und den gefährlichen Geist kennen lernte, warf ihn seinem [138] vorigen Besitzer vor die Füße und eilte fort; als er zu Haus ankam, fand er ihn wieder in seiner Tasche. Nicht besser ging es ihm, als er ihn in die Donau warf.

Ein Augsburgischer Roßtäuscher und Fuhrmann zog in eine berühmte deutsche Stadt ein. Der Weg hatte seine Thiere sehr mitgenommen, im Thor fiel ihm ein Pferd, im Gasthaus das zweite und binnen wenig Tagen die übrigen sechs. Er wußte sich nicht zu helfen, ging in der Stadt umher und klagte den Leuten mit Thränen seine Noth. Nun begab sichs, daß ein anderer Fuhrmann ihm begegnete, dem er sein Unglück erzählte. Dieser sprach: „seyd ohne Sorgen, ich will euch ein Mittel vorschlagen, dessen ihr mir danken sollt.“ Der Roßtäuscher meinte, das wären leere Worte. „Nein, nein, Gesell, euch soll geholfen werden. Geht in jenes Haus und fraget nach einer Gesellschaft, die er ihm nannte, der erzählt euern Unfall und bittet um Hilfe.“ Der Roßtäuscher folgte dem Rath, ging in das Haus und fragte einen Knaben, der da war, nach der Gesellschaft. Er mußte auf Antwort warten, endlich kam der Knabe wieder und öffnete ihm ein Zimmer, in welchem etliche alte Männer an einer runden Tafel saßen. Sie redeten ihn mit Namen an und sagten: „dir sind acht Pferde gefallen, darüber bist du niedergeschlagen und nun kommst du, auf Anrathen eines deiner Gesellen, zu uns, um Hilfe zu suchen: du sollst erlangen, was du begehrst.“ Er mußte sich an einen Neben-Tisch setzen [139] und nach Verlauf weniger Minuten überreichten sie ihm ein Schächtelein mit den Worten: „dies trage bei dir und du wirst von Stund an reich werden, aber hüte dich, daß du die Schachtel, wo du nicht wieder arm werden willst, niemals öffnest.“ Der Roßtäuscher fragte, was er für dieses Schächtelein zu zahlen habe, aber die Männer wollten nichts dafür; nur mußte er seinen Namen in ein großes Buch schreiben, wobei ihm die Hand geführt ward. Der Roßtäuscher ging heim, kaum aber war er aus dem Haus getreten, so fand er einen ledernen Sack mit dreihundert Ducaten, womit er sich neue Pferde kaufte. Ehe er die Stadt verließ, fand er in dem Stalle, wo die neuen Pferde standen, noch einen großen Topf mit alten Thalern. Kam er sonst wohin und setzte das Schächtlein auf die Erde, so zeigte sich da, wo Geld verloren oder vorzeiten vergraben war, ein hervordringendes Licht, also daß er es leicht heben konnte. Auf diese Weise erhielt er ohne Diebstal und Mord große Schätze zusammen.

Als die Frau des Roßtäuschers von ihm vernahm, wie es zuging, erschrack sie und sprach: „du hast etwas böses empfangen, Gott will nicht, daß der Mensch durch solch verbotene Dinge reich werde, sondern hat gesagt, im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen. Ich bitte dich um deiner Seeligkeit willen, daß du wieder nach der Stadt zurückreisest und der Gesellschaft deine Schachtel zustellst.“ Der Mann, von diesen Worten bewogen, entschloß sich und sendete einen Knecht mit dem Schächtelein hin, um es [140] zurückzuliefern, aber der Knecht brachte es wieder mit der Nachricht zurück, daß diese Gesellschaft nicht mehr zu finden sey, auch niemand wisse, wo sie sich gegenwärtig aufhalte. Hierauf gab die Frau genau Acht, wo ihr Mann das Schächtlein hinsetze und bemerkte, daß er es in einem besonders von ihm gemachten Täschchen in dem Bund seiner Beinkleider verwahre. In einer Nacht stand sie auf, zog es hervor und öffnete es: da flog eine schwarze sumsende Fliege heraus und nahm ihren Weg durch das Fenster hin. Sie machte den Deckel wieder darauf und steckte es an seinen Ort, unbesorgt, wie es ablaufen würde. Allein von Stund an verwandelte sich all das vorige Glück in das empfindlichste Unglück. Die Pferde fielen um oder wurden gestolen. Das Korn auf dem Boden verdarb, das Haus brannte zu dreienmalen ab und der eingesammelte Reichthum verschwand zusehends. Der Mann gerieth in Schulden und ward ganz arm, so daß er in Verzweiflung erst seine Frau mit einem Messer tödtete, dann sich selbst eine Kugel durch den Kopf schoß.


  1. siehe Korrekturen S. 464 es