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Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 9. April 1870

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Titel: Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin
Untertitel: vom 9. April 1870.
aus: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. S. 283–286
Herausgeber: Wilhelm David Koner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Verlag von Dietrich Reimer
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Scans auf Commons Google
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[283]
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin
vom 9. April 1870.


Vorsitzender Herr Bastian.

Der Vorsitzende widmet den verstorbenen Mitgliedern Magnus, August und K. Neumann einige Worte des Andenkens, eröffnet die halbjährlich wiederkehrende Wahlhandlung, legt die eingelaufenen Geschenke vor und referirt über einen Brief des Dr. Nachtigal aus Murzuk. Die Verhältnisse dort bessern sich, ein Gesandter des Sultans ist angekommen, um mit Geschenken desselben nach Bornu zu gehen, und diesem gedenkt sich der Reisende anzuschließen.

Herr Marthe spricht sodann über die in das letzte Jahrzehnt fallenden russischen Forschungen zur Geographie von Centralasien. Es ist namentlich der Thianschan, den wir durch die russischen Reisenden, Ssemenof, Ssäwerzof u. A. besser kennen gelernt haben. Dieses Gebirges wird in seinem vom Chan-Tengri nach W. streichenden Theile als eine große Wölbung der Erdrinde geschildert, in welcher die größeren Flüsse breite, hochgelegene Längenthäler ausgewaschen haben, die das ganze Gebirgssystem in mehrere Parallelketten zertheilen. Aus der continentalen Lage desselben erklärt sich die Höhe der Schneelinie, welche im Durchschnitt zwischen 11,500 und 12,000 engl. Fuß liegt, sowie die Waldarmuth des Gebirges. Eigentlich vulkanisches Gestein ist in demselben bisher nicht gefunden worden, unter dem sedimentären nur paläozoisches, namentlich aus der Kohlenformation. Die Karataukette, welche den nordwestlichen Flügel des ganzen Systems bildet, zeichnet sich aus durch ihren Reichthum an Steinkohlen und Eisenerzen, daneben finden sich Kupfer, Blei, Steinsalz. In der Flora des Thianschan spiegelt sich die centrale Stellung desselben insofern wieder, als hier neben specifischen Vertretern vorgeschobene Posten des Altai und Himálaya zusammenstoßen. Eine beachtenswerthe Erscheinung ist das Auftreten von Salzefflorescenzen nicht nur in der niederen Steppe, sondern auch in hochliegenden Gebirgsthälern, eine Erscheinung, welche der Astronom v. Struve im [284] Tarbagataigebirge und am Südfuße des westlichen Altai beobachtete und aus dem Wirken von Kräften der organischen Natur sowohl wie aus Granitverwitterungen zu erklären suchte. Von dem Letztgenannten stammt ein großer Theil der astronomischen Positionen, welche die Karte von Mittelasien umgestaltet haben; einige Städte im Syrthale, z. B. Taschkend, Chodschend sind fast 25 Meilen südlicher gerückt, eine gleichbedeutende Verschiebung nach Osten trifft die Stadt Kaschgar in Osttürkistān. Unter den topographischen Arbeiten der Russen ist ferner die mit großen Schwierigkeiten verbundene Aufnahme des Balchaschsees zu erwähnen. Von den Völkern Mittelasiens sind uns durch russische Gelehrte (Walichanof, Wenjukof, Golubjef) und den Deutschen Radlof die im Thianschan nomadisirenden echten Kirgisen bekannter geworden. Dieselben sind von den nördlicher in der Steppe wohnenden Kaissak (oder Kirgis-Kaissak) ganz verschieden, wenn auch dem Rahmen derselben Sprachfamilie, der türkischen, angehörig. Die echten Kirgisen (bei den Russen Dikokamennyje, auch Kara-Kirgisen, bei den Chinesen Burút) zeichnen sich durch ihren rein türkischen Dialect und durch ihren Reichthum an Liedern aus; vom Islam sind sie nur äußerlich berührt. Bei den Kaissak ist erst in neuerer Zeit muhamedanischer Fanatismus hervorgetreten, der auch dem noch immer fortschreitenden Aufstande der Nordwestprovinzen China’s zu Grunde liegt. Die zur iranischen Rasse zählenden Tadjiks oder Ssarten, Haupttheil der städtischen Bevölkerung Mittelasiens, wurden als Halbnomaden und Handelsleute auch in den nördlichen Steppen angetroffen. Für die industrielle Entwickelung Rußlands wird der Besitz Türkistāns dadurch von Bedeutung werden, daß es Baumwolle roh hier ein- und fabricirt wieder verkaufen kann.

Herr v. Richthofen machte Mittheilung von einem Briefe seines in China reisenden Bruders, in welchem derselbe zwei nach verschiedenen Richtungen unternommene Ausflüge schildert. Der erste führte ihn an die chinesisch-koreanische Grenze zur Messe von Kaoli-mön. Ein zwischen China und Korea unbewohnt liegender, neutraler Landstrich, 7–12 deutsche Meilen breit, trennt beide Länder; alle auf demselben liegenden Ortschaften wurden tractatmäßig zerstört, um den freien Verkehr beider Nationen zu hemmen; nur im 3., 5. und 9. Monat darf in Kaoli-mön eine Messe stattfinden; den Koreanern ist daher das benachbarte Chi ein so fremdes Gebiet, daß sie den deutschen Reisenden anfangs für einen Chinesen hielten. Gebildete Koreaner verstehen die chinesische Mandarinensprache, nicht aber der Chinese die Sprache der Koreaner. Die Letzteren machten einen günstigen Eindruck, ihre Physiognomie erinnert an die Japanesen, sie tragen einen Zopf und ein Gittergeflecht von Binsen im Haar. Durch ihre Reinlichkeit stechen sie vortheilhaft von den Chinesen ab, nicht minder durch ihr Benehmen. Während die Chinesen zudringlich sind und den Reisenden durch ihre Neugier namentlich beim Essen belästigen, zeigten sich die Koreaner tactvoll und verließen während des Essens das Zimmer. Die europäischen Staaten, auch Preußen, kannten sie dem Namen nach; sie stellten allerlei wißbegierige Fragen und verriethen endlich Spuren eines Gemüthslebens, welche neben der kalten Verständigkeit der Chinesen sympathisch berührten. Dem Reisenden fielen zwei Typen unter ihnen auf, der eine der Beamten und Kaufleute mit länglichem Kopf, der andere niedere an die Wilden Nordamerika’s und die Aino’s erinnernd mit breitem Kopf. [285] Die Koreaner züchten ausgezeichnetes Rindvieh, ihre Pferde sind klein, Wagen bei ihnen unbekannt. Zu Markte bringen sie Rindshäute, Thierfelle, Papier von vorzüglicher Beschaffenheit, Blei, Trepang, Seide. Ihre Hauptnahrung ist Reis. Das Tributverhältniß zu China beruht eigentlich auf Gegenseitigkeit. Zweimal jährlich bringt eine koreanische Gesandtschaft Papier und 800 Ochsen nach China, dafür sendet der Kaiser von China von Zeit zu Zeit Geld als Erwiederung nach Korea. Die andere Reise des Berichterstatters ging zum Po-jang-See, der im Frühjahr bedeutend umfangreicher war als im Herbst. In der Mitte desselben hegt die Insel Wu-tsching, in der Nähe das erste Kohlenfeld China’s, aus dem die Fremden Nutzen ziehen. Seine östlichen Zuflüsse kommen aus den Grüntheedistricten, welche zu den anmuthigsten Gegenden China’s gehören, von einer Bergkette, welche in der Richtung von NO. nach SW. im Durchschnitt 2500 bis 3000 Fuß hoch ansteigt.

An Geschenken gingen ein:

1) Lühdorf, Typen der Bewohner der Amurgebiete nach der Natur photographirt, nebst Text. – 2) (Erzherzog Ludwig 8alvator von Toscana), Tunis. Ein Bild aus dem nordafrikanischen Leben. Prag 1870, – 3) Doergens, Theorie und Praxis der geographischen Kartennetze. Thl. I. Berlin 1870. – Blau, Die Wanderung der sabäischen Völkerstämme im 2. Jahrhundert nach Chr. (Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft. XXIII.) – Jülfs und Balleer, Lose Blätter. Ein Handbuch für Schifffahrttreibende. 1. Abthl. Die wichtigsten Seehäfen der Erde. Oldenburg 1870. – 6) Negri, Discorso tenuto nell’ Adunanza solenne del 13. marzo 1870. Firenze 1870. – 7) Δημιτσα, Αρχαῖα γεωγραφία τῆς Μακεδονίας. M. I. Ἀθήνησι 1870. – 8) Wild, Repertorium für Meteorologie. Bd. I. Heft 1. St. Petersbourg 1869. – 9) Vorschläge betreffend die Reorganisation des meteorologischen Beobachtungssystems in Rußland. (Mélanges phys. et chim. tirés du Bull. de l’Acad. Imp. d. sc. de St. Pétersbourg.) – 10) Paschen, Beitrag zur Untersuchung der Frage über die Hebung der deutschen Ostseeküste. Schwerin 1869. – 11) Haugthon, On some elementary Principles in Animal Mechanics. (Proceed. of the Roy. Soc. 1869. N. 114.) – 12) Mittheilungen der geograph. Gesellschaft in Wien. 1870. No. 5. Wien. – 13) Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Bd. V. Heft 2. Berlin 1870. – 14) Bulletin de la Société de Géographie. 1870. Ve Sér. Février. – 15) Proceedings of the Royal Geographical Society. Vol. XIV. N. 1. London 1870. – 16) Le Globe. Journal géographique. T. VIII. Livr. 7. 8. Genève 1869. – 17) Petermann’s Mittheilungen. 1870. No. IV. Gotha. – 18) Annales hydrographiques. 1869. 4e trimestre. Paris 1869. – 19) Revue maritime et coloniale. 1870. Mars. Paris. – 20) Gaea. Natur und Leben. 1870. Heft 1. 2. Köln. – 21) Zeitschrift des deutschen Alpenvereins, red. von Trautwein. Bd. I. Hft. I. München 1869. – 22) The Journal of the Royal Asiatic Society. New. Ser. IV. P. 2. London 1870. – 23) Boletim e annaes do Conselho Ultramarino. N. 142. 143. 1866. Lisboa 1868. – 24) Journal of the Roy. Geological Society of Ireland. Vol. XII, 2. 1868. 69. Edinburgh. – 25) Revue des cours scientifiques. N. 14–18. Paris 1870. – 26) Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen in dem preußischen Staate. Bd. XVII. [286] Lief. 5. Berlin 1869. – 27) Revue bibliographique universelle. 1870. Janvier. Paris. – 28) Preußisches Handelsarchiv. 1870. N. 6–13. – 29) Fils, Höhenschichtenkarte vom Thüringerwalde. Südl. Theil. Gotha 1870. Maßtab 1:200,000. – 30) Karta öfver Hafvet emellan Spitzbergen och Grönland utvisande Angfartyget Sofia kurser under den Svenska Polarexpeditionen. 1868. Stockholm. – 31) Photographische Darstellung einer von G. Rohlfs aus der Oase des Jupiter Ammon mitgebrachten Widders von Marmor.