Sie sind wieder da!
Nun weht es schneidend scharf und kühl
Durch Nebelbrau’n herab vom Norden;
Am Strand das modische Gewühl
Ist dünner jeden Tag geworden;
Der Schwarm der großkarrirten Narren,
Und in den Schuppen einquartirt
Man stillvergnügt die Badekarren.
Nun wird an hohlem Zeitvertreib
Man hat sich eben nur den Leib,
Man hat die Seele nicht gewaschen.
Man wollte ja an Sund und Haff
Nicht mit dem Ew’gen sich vermählen,
Zu kräftigem Genießen stählen.
Sie haben an des Meeres Strand
Sich nicht gebeugt vor Urgewalten,
Sie haben sich mit eitlem Tand,
Dem ganzen schwatzenden Gemisch
Von Haken- und Germanennasen –
Hat ihm ein Seewind herb und frisch
Der Seele trüben Dunst zerblasen?
Erfüllt mit männlichen Gedanken,
Hat er ersetzt durch kühnen Flug
Die Niedrigkeit, an der sie kranken?
Hat er, wie Hauch der neuen Zeit,
Der Seele Kampfesfreudigkeit,
Dem Rückgrat wieder Halt gegeben?
Und hat, wenn hoch und höher stieg
Die Fluth mit hohlem, dumpfem Brausen,
Geweckt ein ahnungsvolles Grausen?
Und mahnte doch es an den Feind,
Den halb erst aufgestandnen Riesen,
Hieß es frivol nicht: „Never mind!
Was haben sie am Meer gedacht,
Am fluth- und schaumgenetzten Mole?
Wie man sein Bett sich weicher macht
Durch Zölle und durch Monopole,
Bis es zuletzt im Herrn entschlafen,
Wie man die Strafgesetze würzt
Durch „zeitgemäße“ Paragraphen!
Was haben sie am Meer geträumt
Wenn ihre Sohle leicht beschäumt
Die am Gestad’ gebrochne Welle?
Des Volkes Recht, mit goldnen Hebeln,
Die Presse elegant zu knebeln!
Wie man zurückerobern kann
Die Freiheit, die man selbst verscherzte –
Wo war der wunderliche Mann,
Der, wenn der Möve Schrei geklagt,
Die Sonne sank in goldnen Gluthen,
Sich ernst und sinnend das gefragt
Und sich gelobt, für sie zu bluten?
Und untreu wird ihr selbst der Barde;
Der Gentleman von Heidelberg
Und Windthorst’s rüst’ge schwarze Garde,
Wie mancher Standpunkt sie auch trennt,
Die Freiheit, die kein Obdach kennt,
Sieht zu den Zöllnern sich verwiesen.
So war es einst, so ist es jetzt –
Sie findet Liebe und Erbarmen,
Nur bei den Zöllnern und den Armen.
Mit ihnen aber – glaubt es nur –
Wird sie die Frühlings-Birkhahnbalzen
Und selbst die Herbstes-Seebadkur
Anmerkungen (Wikisource)
Ebenfalls abgedruckt in:
- "Der Wahre Jacob" Nr. 46, S. 361 (1887)