Benedict Carpzov war der beste Jurist seiner Zeit,
war berühmt und wohl auch gefürchtet als ein strenger,
unerbittlicher und unbestechlicher Handhaber des peinlichen
Rechts, ein allgewaltiger Machthaber über Leben
und Tod, dessen Thron in der Gerichtsstube des
Schöppenstuhls errichtet stand. Er wurde zu Wittenberg
geboren; der Vater gleichen Vornamens lebte
dort als Professor der Rechte, erfreute sich bedeutenden
Rufes und Ansehens als Rechtsgelehrter und erzog
vier seiner Söhne für die Wissenschaft, die er selbst
mit aller Liebe pflegte; nur einer von den Brüdern
des jüngern Benedict wurde Theolog. Während der
Vater einem Rufe nach Dresden als Kanzler und
Appellationsrath gefolgt war, vollendete Benedict seine
höheren Studien auf Wittenbergs Hochschule, die er
nebst seinem Bruder Conrad 5 Jahre lang besuchte.
Dann begaben sich beide Brüder 1615 auf 1 Jahr
nach Leipzig und von da nach Jena, kehrten 1618
wieder nach Wittenberg zurück und erwarben 1619
den Doctorgrad. Darauf trennten sich die Brüder;
Conrad wurde nach Pommern berufen und Benedict
trat eine große Reise durch Deutschland, Italien, Frankreich,
England und die Niederlande an, auf welcher er
reiche Erfahrungen über die Rechtsverhältnisse in diesen
Ländern sammelte und im Jahr 1620 in die Heimath
zurückkehrte. Er fand bald eine Stelle als Assessor
extraordinarius bei dem Schöppenstuhle zu Leipzig, an
welchem er nach dreijährigem Dienst dann Assessor ordinarius
wurde. Dieselbe Stelle nahm er 1636 im
Ober-Hofgericht zu Leipzig ein, errang sich Namen
durch viele juristische, sämmtlich lateinisch abgefaßte
Schriften und wurde 1639 zum Appellationsgerichts-Assessor
in Dresden mit Rang und Titel eines kurfürstlichen
Rathes ernannt, wobei er den Wohnsitz in
Leipzig beibehielt. In Anerkennung seiner großen Geschicklichkeit
und Kenntniß ernannte Kurfürst Johann
Georg I. 1644 Carpzov zum Hofrath und veranlaßte
dessen Uebersiedelung mit der indeß gewonnenen Familie
nach Dresden. Von dort rief der Tod des Professors
der Rechte und Ordinarius der juristischen Facultät,
Siegmund Finkelthaus, Carpzov abermals nach Leipzig
zurück, um des Verstorbenen Dienst- und Amtsverrichtungen
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/63&oldid=- (Version vom 15.9.2022)