Zum Inhalt springen

Seite:Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen.pdf/355

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Philipp Jacob Spener.
Geb. d. 13. Jan. 1635, gest. d. 5. Febr. 1705.


Einer der begabten Geister, welche, von ihrer Zeit bewegt, diese Zeit selbst bewegen, sie bahnbrechend umzuformen streben, und häufig Liebe und Bewunderung, noch mehr aber Haß, Miskennung und Verfolgung ernten.

Spener wurde zu Rappoltsweiler im Ober-Elsaß geboren, wo sein aus Straßburg stammender Vater gräflich Rappoltstein’scher Beamter war. Die Aeltern waren beide christlich und fromm gesinnt und suchten des Knaben Herz zu gleicher Gesinnung hinzulenken, was auch in erfreulichster Weise gelang. Späteren Unterricht erhielt der junge Spener auf dem Gymnasium zu Colmar und vollendete dann von 1651 an auf der Hochschule zu Straßburg seine theologischen und philosophischen Studien. Dort wurde er 1653 Magister und zugleich Erzieher der Prinzen von der Pfalz, als welcher er sich neben den erlernten Wissenschaften noch in mancher andern Doctrin umthun mußte, und zunächst als Geneologist und Heraldiker auftrat, indem er einen Europäischen Adelsschauplatz verfaßte und eine Wappentheorie in lateinischer Sprache schrieb, mit welcher er der schlummernden Heroldskunst eine neue Bahn brach und sie als Wissenschaft feststellte. Nach Vollendung seiner Erzieheraufgabe wandte sich aber Spener dem mit Liebe begonnenen Studium der Theologie wieder zu und widmete sich demselben noch auf den Hochschulen zu Basel, Tübingen, Freiburg, Lyon und Genf, bis er wieder nach Straßburg zurückkehrte und daselbst 1663 Freiprediger, 1664 Doctor der Theologie wurde.

Als Geistlicher durchschaute Spener mit klarem Blick, wie sehr die protestantische Kirche Deutschlands im Argen lag. Erst war diese in sich zerfallen durch endlose und zwecklose Meinungskämpfe theologischer Eiferer, die mit sich selbst mitten im Schoose ihrer Kirche nicht einig zu werden vermochten, geschweige mit Reformirten und Katholiken – dann war sie heftig, wüthend und dreißig Jahre lang bekämpft worden, ohne besiegt werden zu können; da war kein Bild protestantisch kirchlichen Lebens, wie es Luther und seine Mitarbeiter geschaffen hatten, mehr zu erblicken; das starre Dogma waltete, und der zelotische Eifer der Geistlichen stellte