Dieser hochberühmte Theolog und Kanzelredner wurde
in dem vormalig herzoglich Sulzbachischen Marktflecken
Vohenstrauß geboren. Sein Vater war dort Prediger
und gab ihm eine gute, christlichfromme Erziehung,
bei welcher er als den Urgrund einer solchen die
Bibel als erstes Lehrbuch anwandte. Christenthum und
die Kenntniß alter Sprachen wurden die hauptsächlichsten
Stützen des für den geistlichen Stand bestimmten
fähigen Jünglings, welcher im Alter von 15 Jahren,
1768, auf die Schule nach Regensburg kam und nach
der vollendeten Schulzeit die Universität Wittenberg
1775 besuchte. Dort studirte Reinhard neben Theologie
und Philologie mit Vorliebe auch Philosophie, in
welcher er die erhabene Führerin zu höherer Weisheit,
den Grundpfeiler geistiger Bildung, den Weg zur Gotterkenntniß
fand, und nicht, wie so manche neuere, die
Bahn zu eitler Selbstvergötterung und zum spiritualistischen
Atheismus. Nach vollendeten Studien wollte
Reinhard nach seiner Heimath zurückkehren, aber wohlwollende
Gönner und Freunde riethen ihm, zu bleiben
und das academische Lehrfach, zu dem er voll befähigt
erschien, zu ergreifen. Reinhard folgte dem Winke und
nahm 1777 unter dem Vorsitze seines Gönners Dresde
die akademischen Würden an. Der junge Docent war
freilich anfangs durch seine ökonomische Lage bedrängt
und ging gleich andern nicht ohne Mühen und Dornen
und durch Dunkel zum Licht, ja es litt dabei sogar
seine Gesundheit, aber wachsender Beifall erhob ihn
und ein festes Vertrauen auf Gott und die eigene Kraft
ließ ihn nicht sinken. Im Jahre 1778 wurde Reinhard
Adjunkt der philosophischen Facultät, dann Baccalaureus
der Theologie und las nun theologische Collegia;
zwei Jahre später trat er als außerordentlicher
Professor der Philosophie auf und verheiratete sich;
1782 wurde er ordentlicher Professor der Theologie;
das Jahr 1784 sah ihn als Propst an der Schloß-
und Universitätskirche zu Wittenberg, und zugleich
empfing er die Anstellung als Assessor des geistlichen
Provincialconsistoriums. Reinhard lebte einfach,
still, doch gemüthsfroh in schöner Häuslichkeit, unterstützte
mit Freudigkeit jetzt, da er es vermochte, arme
Studirende, nahm von unbemittelten kein Honorar und
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/303&oldid=- (Version vom 15.9.2022)