Unter den ausübenden Künstlern des siebzehnten Jahrhunderts
war Merian einer der vorzüglichsten und
begabtesten. Zu Basel geboren, wo sein Vater im
Rathe saß, erhielt er eine gute Erziehung, und da seine
Neigung zur zeichnenden Kunst sich früh entschied, so
wurde er zu D. Meyer in Zürich gesendet, wo er es
im zeichnen und radieren bald zur Vollkommenheit
bringen lernte. Mit 20 Jahren begab sich der junge
Merian nach Nancy, wo C. de la Ruelle die Zeichnung
des Leichenbegängnisses Herzog Heinrich II. gefertigt
hatte, um dieselbe in Kupfer zu stechen, und
machte dort des genialen Callot Bekanntschaft, die nicht
ohne Einfluß auf Merian blieb, wenn er auch den
geistreichen Franzosen nicht nachahmte. Merian blieb
11 Jahre in Frankreich, da Paris, wohin er sich begeben
hatte, ihn fesselte; eine noch stärkere Fessel aber
legte ihm dann, als er nach Deutschland zurückgekehrt
war, die Liebe an; er heirathete die schöne Tochter des
Kupferstechers Th. de Bry, deren Bekanntschaft er zu
Frankfurt am Main gemacht, unterstützte eine Zeit
lang den Schwiegervater mit seiner Kunst, dann kehrte
er mit seiner jungen Frau in die Heimath zurück und
begann nun Landschaften und Jagden zu zeichnen, zu
stechen oder zu radieren, welche sich großen Beifalles
erfreuten. Da aber der Schwiegervater in Frankfurt
eine Buchhandlung, hauptsächlich für illustrirte Reisewerke
u. dgl., besaß, so erbat er aufs neue dringend
die Hülfe des Schwiegersohnes und riß diesen so aus
seinem selbständigen schaffen, vielleicht zum Nachtheil
der Kunst; denn Matthäus Merian war nicht blos
Zeichner und Stecher, er war auch Maler – doch
wurden seine Oelbilder weniger bekannt, und nur einige
davon erschienen im Stich. Merian war ein Muster
deutschen Fleißes und die Menge seiner Blätter ist fast
zahllos zu nennen. Er wußte meist den Landschaften
und Städtebildern malerischen Effect zu verleihen, und
zeichnete so treu, daß man an gewissen Burgen und
kleinen ummauerten vielgethürmten Städtchen, namentlich
im Frankenlande, deren Physiognomie sich im Laufe
der Zeiten wenig verändert hat, immer noch erkennen
kann, wie treu und treffend Merian aufnahm. Er
schmückte mit Werken seiner Hand und seines Grabstichels
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/261&oldid=- (Version vom 15.9.2022)