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Seite:ZfSL - 53.png

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Diesen Eigentümlichkeiten seines Geschmacks in einem litterarischen Kunstwerk eine greifbare Gestalt zu geben, scheint ihm Anleitung zum Schaffen des A Rebours gegeben zu haben. Auf dem Titelblatt schreibt er: Il faut que je me réjouisse au-dessus du temps … , quoique le monde ait horreur de ma joie, et que sa grossièreté ne sache pas ce que je veux dire. Er entnimmt diese Worte Ruysbroeck, l’admirable.

Man fühlt sogleich, dass sich der Verfasser in eine für ihn bestimmte, vollständig abgesonderte Welt zurückziehen wird, wo ihn die brutalen Dummheiten der gewöhnlichen Menschen nicht hindern. Es liegt meiner Meinung nach etwas Ungesundes darin, wenn der Künstler aus zu grossem Eingenommensein mit sich selbst sich so hoch über seine Zeitgenossen erhebt. Es sprach nicht eben für die Billigkeit und Bescheidenheit des niederländischen Dichters Bilderdÿk, wenn dieser an seinen Freund Tydeman schreibt: „Ich kann in dieser verfluchten Welt nicht leben; wenn ich weiterexistieren soll, muss ich eine Welt à part haben.“

Und solch eine Welt will Huysmans in A Rebours uns vorführen.

Es tritt nur eine Person in diesem Buche auf, der Herzog Jean des Floressas des Esseintes. Er ist dreissig Jahre alt, schwach, nervös, blutarm; er ist der letzte kränkliche Spross eines alten Geschlechtes; sehr bewandert im Lateinischen, weil er in einer Jesuitenschule seine Erziehung genossen hatte; er ärgert sich über die Welt und ihre Freuden, da er sich nach seiner Mündigkeitserklärung durch unmässigen Gebrauch den Magen daran verdorben hat. Des Esseintes hat vergebens danach gestrebt, eine Erholung in litterarischen Kreisen zu finden — er findet in denselben nur Scheinheilige und Dummköpfe. Da fasst er den Plan, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen und dort den Rest seines Vermögens zu verzehren. Er kauft sich nicht weit von Fontenay-aux Roses ein Haus, ein ganz abgelegenes Landhaus, in welchem ihn niemand stören wird. Dieser neue Wohnort wird nun in einem ganz exquisiten Geschmack eingerichtet. Der Einsiedler, der die Welt aus Übermass von Sinnengenuss verlässt, will den ganzen Luxus der Welt in seiner einsamen Klause um sich haben.

Der Beschreibung dieses Luxus, dem in eigenartig schönem Stil geschriebenen Protokoll über des Esseintes Beobachtungen in der Einsamkeit, ist das ganze Buch gewidmet. Ehe ich mich über die wirklich arme Erfindung ausspreche, muss ich bekennen, dass A Rebours die Arbeit eines wirklichen, ernstdenkenden Künstlers ist. Blatt für Blatt spricht von einer Feinheit, sowohl der Analyse des psychologischen Zustandes, als auch der Beschreibung des ausgesuchten Luxus Des Esseintes’ — die stets den tüchtig gebildeten, wissenschaftlichen Schriftsteller verrät.

Es ist sehr schwer, die kunstvoll stilisierten französischen Sätze entsprechend zu übersetzen, dennoch wage ich den Versuch, um mein Urteil über Huysmans durch einige Stellen seines wunderlichen, aber ausgezeichnet geschriebenen Buches zu begründen. In dem ersten Kapitel erzählt uns Huysmans ausführlich, wie Des Esseintes seine Klausnerhütte einrichtete. In den besten Tagen der Romantik

Empfohlene Zitierweise:
diverse: Zeitschrift für französische Sprache und Litteratur. Oppeln und Leipzig: , 1889, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ZfSL_-_53.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)