jetzt – eine Orgel; man machte sie also gar zur Erfinderin derselben, gab ihr die Werkzeuge dazu in die Hand, und ließ diese ihr inneres Herzensgebet begleiten. So kam sie zur zweiten unverhofften Ehre, eine Erfinderinn der Orgel zu seyn, von der in ihrer Legende gar nicht die Rede seyn konnte.
Endlich ward ihr eine dritte, ihrem Charakter noch fremdere Ehre. Seitdem sie zur Schutzpatronin der Musik (man weiß nicht, wenn? und wo?) erwählet war, und sich an ihrem Heiligentage, den 22. November, die Meister und Zunftgenossen derselben versammleten, ihre Schutzgöttinn musikalisch zu preisen, empfing sie mit der Zeit Opfer, die sie an ihrem Hochzeittage nicht angenommen hätte, und als eine Heilige des Himmels noch minder annehmen konnte. Man sang und musicirte vor ihr die Geschichte der Thais und des trunkenen Alexanders, wie er aus Kraft der Musik Persepolis in Brand steckte; die Geschichte
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1793, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_V.djvu/308&oldid=- (Version vom 1.8.2018)