die wir nach unserm Willen gebrauchten, Freunde, die unsrer Lust gehorchten, eine Religion, mit der wir unsre Freiheit zu sündigen deckten, unsern Ruhm, ach den schändlichen Schmeichler! die Philosophie, eine papierne Stärke, die ganze Natur endlich, die, einzig auf uns erpicht und auf unsre Gunst stolz, unsern Abgang durchaus nicht leiden konnte. Wer sollte nicht lachen, daß wir alsdenn so lächerlich daliegen, wenn wir zum großen Uebel der Welt, zum unermeßlichen Schaden der Erde dennoch sterben müssen, und alle unsre Gaben, unsre Vorzüge, die, wie wir glauben, jeder Rechtschaffene dem Grabe beneidet, mit uns ins Grab wandern. Wer wollte dagegen nicht dem Armen Glück wünschen, der sich der Erde als der, der er ist, entziehet; eine Handvoll Erde, aber dem Himmel ein hoher Gast; der Eitelkeit und Ungerechtigkeit hienieden ein Zeuge, aber ein Erbe des ewigen Reichs, sich rühmend der Gemeinschaft mit Christo, die er schon hier anfing.
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1793, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_V.djvu/175&oldid=- (Version vom 1.8.2018)