Zum Inhalt springen

Seite:Zerstreute Blaetter 6.pdf/331

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Nannte jetzt den Palmbaum seinen Bruder,

30
Nannt’ die Quelle seine Schwester, labte

Sich an ihrem Trank, an seinen Früchten,
Kleidete sich in des Baumes Blätter;
Aber keines Menschen süße Stimme
Kam zu ihm die siebzig lange Jahre.

35
     Endlich hört’ er eines Mannes Fußtritt:

„Dieser, sprach er, ist von Gott gesendet,
Daß er mich begrabe!“ nahm den Gast auf,
Und erzählt’ ihm seines Baums Geschichte.
„Also, hast du deine Pflicht erfüllet;

40
Eil’ hinweg! für dich ist dieser Ort nicht.

Menschen sind geschaffen für die Menschen.“

     Kaum gesprochen, sank der Greis danieder
Todt; ein Sturmwind riß den Baum mit seinen
Wurzeln aus; die Quelle war versieget.


Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Sechste Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1797, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_6.pdf/331&oldid=- (Version vom 1.8.2018)