Also weiß ich mein zukünftiges Schicksal nicht, weil ich es durchaus nicht wissen kann, weil mir, es in seinen Gründen und in seinem Umfange zu kennen, Organe, Mittel, Kräfte fehlen. Hätte ich die, warum sollte ich, bis in die tiefste Ewigkeit hinein, das Meisterwerk der ewigen Weisheit und Güte, ohne allen meinen Schaden, ja gewiß zu meinem höchsten Vortheil nicht wissen dörfen?
Nur nenne man das keine Wissenschaft, wenn ich Resultate ohne Gründe, Folgen ohne Ursache, den Ausgang ohne Veranlassungen höre. Meistens mit einem solchen quid pro quo haben sich die Mährchen beschäftigt, die uns abschrecken sollten, von der Zukunft ja nichts erfahren zu wollen. Mährchen für Kinder! – Freilich, wenn mir ein Orakelspruch sagt, daß ich in der Steppe der Tatern sterben werde, ohne mich
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Sechste Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1797, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_6.pdf/233&oldid=- (Version vom 30.7.2017)