Zum Inhalt springen

Seite:Zeitschrift des Vereins fuer Volkskunde 29 025.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

am Leben und wird im Auftrage des Königs bei einem Kaufmann erzogen. Der Reiche kommt mit dem Jüngling zusammen, schickt ihn mit dem Todesbrief zu sich nach Haus, seine Tochter nimmt den Brief von dem Boten in Empfang und ersetzt ihn durch einen Heiratsbefehl, welcher von der Mutter ausgeführt wird. Der Vater beschliesst mit seiner Frau den Schwiegersohn zu vergiften: dieser wird jedoch von seiner Frau gewarnt. Der Schwiegervater mietet Mörder, wird jedoch selbst von denselben aus Versehen erschlagen.

Die zweite Gruppe beruht auf einer unbekannten griechischen Quelle, für welche nur Abbildungen in Manuskripten des Athosklosters Zeugnis ablegen, und hat sich in Ägypten und Abessynien arabisch und koptisch verbreitet. Die vier bekannten Texte sind zu Ehren des Erzengels Michael verfasst und tragen einen ausgesprochen legendarischen Charakter. Obwohl mit der indischen Gruppe sichtlich verwandt, können sie doch unmöglich aus dieser abgeleitet werden. Das Schema bleibt zwar dasselbe: die Geburt des Knaben, die Prophezeiung, die Aussetzung, der Todesbrief. Die Ausgestaltung der Motive deutet jedoch entschieden auf eine andere Quelle. Eine arme Frau fleht in Geburtswehen den Erzengel Michael an. Dieser erscheint (mit Jesus oder Gabriel) und verspricht dem Kinde die Erbschaft des benachbarten reichen Manne (Markianos). Dieser hört die Prophezeiung, bemächtigt sich des Kindes und wirft es (in einem Sack oder Kasten) ins Meer. Die wiederholten Aussetzungen und die Todesbotschaft fehlen. Das Kind wird von einem Hirten (und Fischer) gefunden und erzogen, mit Anspielung auf seine Auffindung Thalassion (Talâsôn, Talâfinôs, Bâherej, Bâhrân) genannt. Der reiche Mann kommt nach Jahren zu dem Hirten (den Fischern), erkennt den Jüngling und schickt ihn mit dem Todesbrief zu seiner Frau. Diese Form des Todesbriefmotivs erinnert an die späteren indischen Versionen (Dâmannaka, Čandrahâsa, Čampaka), der Brief wird jedoch nicht von der Tochter des Reichen, sondern von dem hl. Michael abgeändert. Dieser erscheint unterwegs dem Boten als Kriegsmann und ändert den Inhalt des Briefes durch seinen Hauch. Auf die Nachricht von der Hochzeit besteigt der Reiche sein Pferd, verwundet sich dabei durch sein Schwert und stirbt. (Die Varianten der Talâfinos- und Bâhrângeschichte können hier unberücksichtigt bleiben.) Der Hauptunterschied zwischen der indischen und der (griechisch-)äthiopischen Gruppe besteht in der mehrfachen Aussetzung und dem Werfen ins Meer. Die dramatische Prophezeiung während der Geburtswehen der Frau sowie die Abänderung des Todesbriefes durch den Erzengel sind wohl dem legendarischen Charakter der neuen Umarbeitung zuzuschreiben. Mit dem Werfen ins Meer hängt auch die auffallende Benennung des Helden zusammen, welche später den reichen Mann auf den Jüngling aufmerksam macht.

Empfohlene Zitierweise:
Fritz Boehm (Hrsg.): Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 29. Jahrgang. Behrend & Co., Berlin 1919, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_des_Vereins_fuer_Volkskunde_29_025.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)