Zum Inhalt springen

Seite:Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein.djvu/27

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242

sich breit macht. Sehr glaubwürdige Berichte[1] von Dominikanern und Franziskanern aus Deutschland melden, so heisst es u. a., dass die in einem Nonnenkloster erzogene Tochter des Grafen von Swanenborch öfters während der Nacht auf mehrere Stunden entführt wird. Vergebens umschlang sie einst, um dies zu verhüten, ihr leiblicher Bruder auf das festeste mit seinen Armen. Als die bestimmte Stunde nahte, wurde ihm die Schwester von unsichtbarer Macht mit unwiderstehlicher Gewalt entrissen. – Wie oft haben wir, sagt ferner Thomas von Chantimpré, in unsern Zeiten gehört, dass Frauenspersonen, die gleichsam im Todes-Starrkrampf lagen, plötzlich geraubt wurden, dass an ihre Stelle die Dämonen ihnen sehr ähnliche Schattenbilder legten, welche man begrub, während in Wirklichkeit die Geraubten unter ihren Mitmenschen verkehrten.[2] – Wichtiger als diese durch ein paar ganz unsinnige Fabeln gestützte Behauptungen ist des Verfassers Angabe, dass die durch Dämonen Entführten krank und geisterbleich seien, und dass in ihnen stets die Sehnsucht nach einer Wiederholung der Entführung wach bleibe.[3] Hierin liegt ein Körnchen Wahrheit verborgen: der berechtigte Zweifel an der von manchen Seiten behaupteten Wirklichkeit. Bei seinen Erzählungen über Teufelsbuhlschaften berührt Thomas von Chantimpré die Frage, ob aus diesen Verbindungen Kinder hervorgehen könnten. Er bejaht sie unter Hinweis auf Beda und viele andere Schriftsteller, drückt sich aber sehr zurückhaltend aus.


  1. Wortlaut in lib. II cap. LVI: In partibus Theutonie plenissima fratrum predicatorum et minorum attestatione percepi puellam nobilissimam esse filiam comitis de Schwanenborg in claustro monialium enutritam, quae per aliquas horas a demonibus nocte rapitur et in ipso raptu invisibilis et incontrectabilis conprobatur. Et hoc cum quidam frater eius carnalis de ordine fratrum minorum experiri certius voluisset accepit dictam puellam sororem suam in gremio et cum brachiis eam fortissime strinxit et tenuit; et tamen vieniente hora raptus de manibus tenentis invisibiliter et incontrectabiliter tollebatur.
  2. Lib. II cap. 56. Quasi in agone mortis positas mulieres subito rapi et eorum loco a demonibus figmenta deponi et ipsa figmenta simillima raptis corporibus quasi mortua sepeliri, visas vero feminas et inter homines conversatas.
  3. Cum vero voluntate divina vel hominum diligencia ita capti a demonibus hominibus restituuntur, et mentis nunquam tamen sic restituuntur in integrum sanitati, quasi semper eorum cor suspensum sit et pronum ad reditum; sicut illi, qui semel amenciam passi sunt facillima occasione ad amenciam relabuntur. Quando quidam referunt qui viderunt facies sic raptarum que pallida super macie et livida et oculi magis instabiles quam in non raptis.
Empfohlene Zitierweise:
Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242. Düsseldorf: Ed. Lintz, 1898, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zauberwesen_und_Hexenwahn_am_Niederrhein.djvu/27&oldid=- (Version vom 1.8.2018)