Dann wurde sie starr und steif und nahm jene fahle Leichenfarbe an, die sich öfters sofort nach dem Tode zeigt.
Durch diesen noch vergrößert, blickte ihr Körper unter der Decke wie eine riesige Marmorstatue mit dem Ausdruck einer klagenden Waise in den weit geöffneten, starren Augen hervor.
Das graue Licht der Morgendämmerung fiel nur spärlich durch die dicken Fensterscheiben des Anatomiesaales auf die Marmortische und die darauf liegenden Instrumente.
In der Mitte des Saales standen einige Herren in Überziehern mit verknüllter Wäsche und nach schlafloser Nacht bleichen Gesichtern und plauderten leise. Augenscheinlich gingen sie unmittelbar nach dem Frühstückskaffee an die Arbeit, um mit zitternder Hand die scharfen Messer zu führen oder die gestern präparierten Leichenteile hermetisch in Büchsen zu verschließen.
Düster und ernst erhoben sich die kahlen, hohen Wände des Saales. Die hochstehenden Fenster waren vergittert wie im Gefängnisse. Die Wände entlang standen Tische, oder vielmehr lange Tafeln mit Marmorplatten. Jede Platte war an beiden Seiten mit einer Blechrinne und einem daran befestigten großen alten Schwamm versehen.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 467. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/467&oldid=- (Version vom 1.8.2018)