Schein auf Käthes entblößten Arm, der, aus der zerrissenen Jacke hervortretend, wie ein heller Fleck von den dunklen Lumpen abstach und bald im Lichtschein blinkte, bald im Schatten verschwand.
Unwillkürlich neigte sich der Krüppel über die Schlummernde. Dieser weiße Körper eines lebenden Weibes zog ihn mächtig an und heischte seine Berührung.
Bisher hatte er nur Gips- oder Marmorarme berührt. Jetzt aber vermochte er der Versuchung nicht zu widerstehen und streifte mit den Fingern Käthes Arm. Obgleich derselbe sich ganz kühl anfühlte, lief es ihm plötzlich wie Feuer bis an die Fingerspitzen.
Betroffen prallte er zurück in die Ecke und brummte wie ein junger Bär.
Inzwischen schlief Käthe hart und fest und verfiel in einen an Erstarrung grenzenden Zustand.
Über ihr erhob sich die Nixe, leicht und schlank, wie eine Wasserlilie und bildete so einen vollständigen Gegensatz zu Käthes üppiger Gestalt.
Trotzdem lieferten deren volle Arme und kräftige Hüften wie auch Busen Hals und Nacken das vorzüglichste Material, um den Typus eines Riesenweibes und einer Mutter aus dem Volke zu schaffen.
Noch einen flüchtigen Strahl warf das jetzt ganz erlöschende Licht auf die tote Nixe und auf die lebende Karyatide –
dann verschwanden sie beide im Dunkel.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/384&oldid=- (Version vom 1.8.2018)