Käthes plumpe, wenn auch rein gewaschene Hände mit den breiten Fingern boten ihr dafür keine Gewähr, daß jener Samteinband unbeschädigt aus der Küche zurückkehre.
Und dennoch mußte sie mit der Magd ins Reine kommen, die in aller Demut vor ihr stand und auf die Erfüllung ihrer Bitte wartete.
Plötzlich erinnerte sie sich, daß sie zur Hochzeit von der Mutter ein Buch erhalten, mit dem Titel „Das Weib, oder eine Geschichte zum Lachen und Weinen“, Originalarbeit von J. G.…
Julia hatte dies Buch noch niemals gelesen, vielmehr es in der Kommode verwahrt, unter der Wäsche. Nur beim Öffnen des Schubfaches sah sie ab und zu den roten Einband zwischen den weißen Falten des frisch gerollten Leinenzeuges.
So würde es am besten sein. Selbst wenn Käthe den Einband beschädigte, so wäre dies nicht von Belang, denn er war billig und nicht von Leder, sondern nur von Pappe.
Ob Form und Inhalt für Käthe verständlich sein werde, darum kümmerte Julia sich nicht. Mag sie lesen, wenn sie lesen will, ob sie es versteht und ob es ihr nützt, das ist Nebensache. Übrigens täte sie besser, sie legte sich schlafen um zwei Uhr nachts, nachdem sie den Flur gescheuert.
Trotzdem zeigte sie Käthe, wo das Buch in der Kommode lag. Sie selbst war zu schwerfällig, um aufzustehen und es ihr einzuhändigen.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/120&oldid=- (Version vom 1.8.2018)