„Fräulein, ich will Ihnen etwas sagen: Wenn Sie es wünschen, würde ich mich bemühen, daß Sie Rosas Stelle erhalten im Milchgarten. Das wird umso leichter sein, weil Rosa nicht mehr dazu taugt. Dafür müßten Sie aber auch bei mir an Rosas Stelle treten und mit mir zusammenwohnen. Bei Gott, ich bin ein ehrlicher Mensch und tu niemand etwas zu Leide. Sie werden sehen, Fräulein, was für ein guter Mann ich bin.“
Hier suchte er mit den dürren Fingern ihre Hand, während sie so bestürzt dasaß, als habe man sie plötzlich mit Kot beworfen.
Er aber hielt ihr Schweigen für ein Zeichen stummen Einverständnisses und führte seinen Vorschlag weiter aus, indem er ihr das faltige, gelbliche Gesicht eines Müssiggängers zuwandte, der, in Untätigkeit verkommen, die Früchte fremder Arbeit mit der ganzen Unverschämtheit eines Schmarotzers verzehrte.
Nein! Womit hatte sie solche Erniedrigung verdient? Was wollten sie nur von ihr, diese Männer, die sie gar nicht in Ruhe ließen? Zum drittenmal fühlte sie heute im Gesicht den mit Tabak und Fuseldunst gemischten glühenden Atem eines Mannes. Nein! Das war entschieden zu viel für sie!
Ein unbeschreibliches Wehegefühl erfüllte ihre Brust, bis sie in lautes Schluchzen ausbrach und die Tränen sich mit dem Strumpfe in ihrer Hand trocknen mußte.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/058&oldid=- (Version vom 1.8.2018)