„Sie stand immer vor der Tür und war schnoddrig…“ las die Hausfrau und blätterte unwillig im Dienstbuche. „Merkwürdige Empfehlung!“ Sie legte das Buch beiseite und setzte sich auf den Rohrstuhl. – das einzige noch brauchbare Stück unter den Gerätschaften, welche die enge und dunkle Küche überfüllten.
Die noch ziemlich junge, kleine Frau trug einen blauen Morgenrock. Ihr flaches Köpfchen war wie eingedrückt und mit gelblichem Haar bedeckt, welches im harmonischen Verein mit der gelblichen Gesichtsfarbe und dem ungewissen Kolorit der Augen sich um so heller vom dunklen Küchenraum abhob. Schwarze Lava-Ohrringe zerrten die unnatürlich großen Ohren fast bis zum Halse herab und die schmalen, bleichen Lippen bedeckten das ebenso blasse Zahnfleisch. – Alles zeugte deutlich von der Kränklichkeit dieser Fleischmassen, die in den feuchten Wänden der ärmlichen Wohnung heranwuchsen: Das untätige Leben der Frau eines kleinen Beamten floß unter dieser gelblichen Haut, die so dünn und durchsichtig wie Seidengaze erschien, in trägem Laufe dahin.
Nur die zusammengepreßten, von der Feuchtigkeit der Mauern gebleichten Lippen, die fleischigen Hände und die von schweren Lidern halb bedeckten
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/005&oldid=- (Version vom 1.8.2018)