gehabt, um so größer war die Ueberraschung. Mit unglaublicher Volubilität brachte nunmehr Gerstäcker seine von Witzen und Anzüglichkeiten strotzende Erklärung vor; äußerst verdutzt schaute sein Vorgänger auf den Streich, der ihm den wohlvorbereiteten Triumph entzog, und mußte sich sogar zwingen, einen kleinen Aerger niederzukämpfen, als der neue Rhapsode, nachdem er die unterschiedlichsten Curiositäten – so z. B. „Wallenstein’s Lager“ „Hamlet’s Frack“ u. s. w. – vorgeführt hatte, einen riesigen Quader herbeischleppte mit den Worten: „Und hier zum Schlusse der Stein, der dem Doctor Kühne vom Herzen gefallen ist, als er endlich glücklich fertig war!“ – Der ganze Auftritt, der in der Beschreibung verliert, war zum Todtlachen. Vielleicht würden wir heute nicht mehr so darüber lachen, allein damals waren wir jung.
Ein paar Monate darauf folgte ein Abend der Trauer – Gerstäcker nahm Abschied von seinen Freunden für lange Zeit, um seine zweite große, seine erste Weltreise anzutreten. Fast wäre ich sein Begleiter auf derselben geworden; während ich häufig mit ihm die Stadt durchlief, um ihm bei der Auswahl seiner Effecten, die sich auf das Nothwendigste belaufen sollten, insbesondere der Waffen, ein wenig zu helfen, hat er mir verschiedenemale so dringlich zugeredet, daß wirklich nur die strengen Verpflichtungen, welche auf mir lagen, mich abgehalten haben, einen thörichten – vielleicht auch einen gescheidten, wer weiß? – Streich zu machen. Am Trennungsabend kam er ganz spät noch einmal in den Kreis des Künstlervereins, der ihm das Geleite zur Bahn geben wollte. Mehrere von uns hatten einen Lese-Abend bei Gustav Kühne vorher zu überstehen gehabt, niemals ist wohl dem guten Calderon so mitgespielt worden, wie damals. Dennoch kamen wir noch rechtzeitig genug, aber nur um ihm die Hand zu schütteln und ein wehmüthiges: „Auf fröhliches Wiedersehen!“ nachzurufen. Die projectirte Begleitung hatte er, ernstlich bittend, abgelehnt, überhaupt vermied er jederzeit gern Abschiedsscenen und öffentliche Sentimentalität.
Hier ist nun eine schickliche Pause, um einen gedrängten Lebensabriß Fritz Gerstäcker’s einzuschalten. Er wurde geboren am 10. Mai 1816 zu Hamburg als Sohn eines renommirten Tenoristen, in dessen Adern orientalisches Blut floß, der, eine echte Künstlernatur und ein unruhiger Geist zugleich, sich niemals lange wohl befand an demselben Orte und diese Eine Eigenschaft auch auf den Sohn vererbt hat. Er starb, ehe der Letztere seine Erziehung vollendet hatte, welche nun ein Onkel in Braunschweig übernahm. Hier trat Fritz zuerst bei einem Uhrmacher in die Lehre, that aber nicht gut, und ebensowenig in einem Materialwaaren-Geschäfte zu Kassel, wo der Versuch gemacht werden sollte, einen Kaufmann aus ihm zu schnitzen. Nach damals beliebter Uebung ward er denn zum Oekonom bestimmt und erlernte den praktischen Theil der Landwirthschaft auf dem Rittergute Döben bei Grimma in Sachsen von 1835 bis 1837. Als er sich in letzterem Jahre genug ausgebildet glaubte, um einen amerikanischen Farmer abgeben zu können, wanderte er aus. In Newyork traf er mit einem Bekannten
Wilhelm von Hamm: Fritz Gerstäcker. A. Hartleben, Wien 1881, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_von_Hamm-Fritz_Gerst%C3%A4cker-1881.djvu/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)