Selten hat mich – und gewiß Viele mit mir – eine Todesnachricht so tief erschüttert, wie diejenige vom 31. Mai 1872. Fritz Gerstäcker todt – aber das kann ja gar nicht möglich sein! Ihm gegenüber, der sich niemals verändert hatte, der als Mann von 56 Jahren noch ebenso frisch und zäh aussah wie ein Dreißiger, der mit ewiger Jugend nicht blos des Geistes, sondern auch des Körpers begabt schien, konnte Niemand auf den Gedanken an ein plötzliches Sterben kommen. Zwar hatte er durchgemacht, was nur wenige Menschen auf der Erde durchmachen, aber eine Erschlaffung, eine Abnahme seiner körperlichen Kräfte war niemals an ihm wahrzunehmen gewesen. Auf der Jagd, deren er kundig war wie Wenige, that er es immer noch den Jüngsten zuvor, und während er sich im Jahre 1870 nach seiner eigenen Ausdrucksweise „unter den Kriegsbummlern“ befand, ertrug er die härtesten Strapazen mit einer so spöttischen Leichtigkeit, daß ihn gar mancher seiner federheldischen Collegen darum beneidete. Er hatte sich aber auch ein ganz besonderes System der Abhärtung geschaffen, dem er unter allen Verhältnissen treu blieb; er lebte mäßig, schlief bei offenen Fenstern, trug nur leichte Kleidung, machte viele Bewegung und hielt auf streng geordnete Lebensweise. Eigentlich krank war er wohl niemals gewesen, dagegen hatte er während seiner Irrfahrten in den entlegensten Ländern ein paarmal Anfälle von räthselhaften tiefen Ohnmachten – ohne jede vorhergegangene Ursache – gehabt und behauptete auch öfters, daß er einst in dieser Weise sterben werde. Ganz ist es nun nicht so gekommen, aber doch beinahe. Nach einem keineswegs Bedenken erregenden Unwohlsein weniger Tage raffte ihn plötzlich ein Schlaganfall hinweg. So aber hatte er es sich gewünscht; wie oft habe ich ihn sagen gehört: „Nur keine langwierige Krankheit, nur kein sieches Alter!“ Aber wer dachte an Siechthum und Alter, wenn er ihn anschaute, noch wenige Tage vor seinem Tode!
Wilhelm von Hamm: Fritz Gerstäcker. A. Hartleben, Wien 1881, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_von_Hamm-Fritz_Gerst%C3%A4cker-1881.djvu/1&oldid=- (Version vom 1.8.2018)