Trägheitswirkungen und Schwere ein zusammenhängendes System bilden, nimmt Weyl auch noch die elektromagnetischen Vorgänge auf. Die Weylsche Theorie hat schon mehr den Charakter eines nicht mehr zu ändernden Systems angenommen als die Theorie Einsteins.
Naturgemäß wird die Geometrie bei Weyl noch verwickelter und man muß sagen, daß diese Theorien schließlich darin bestehen, die in der Darstellung der Naturgesetze liegenden Schwierigkeiten auf die Geometrie abzuwälzen. Man muß wohl mit Sicherheit annehmen, daß durch eine genügend verwickelte Geometrie die Tatsachen der Wirklichkeit, wie sie auch sich durch die Beobachtungen ergeben mögen, dargestellt werden können. Es ist das eine Darstellung, bei der eben wieder die große in der bisherigen Geometrie liegende Einfachheit aufgegeben wird und die Frage ob wir wirklich zu einem Aufgeben der einfachsten Grundlagen der Naturbetrachtung gezwungen sind, wird immer wieder mit Recht erhoben werden.
Wenn wir nun die gesamte Relativitätstheorie kritisch betrachten so müssen wir zunächst die Forderungen festsetzen, die an eine solche Theorie zu stellen sind. Diese Forderungen sollten folgende sein.
- Die Theorie muß aus einem Postulat aufgebaut werden können.
- Die Theorie muß logisch widerspruchsfrei sein.
- Die Folgerungen müssen mit den Tatsachen übereinstimmen.
- Die Theorie muß einfach sein.
Die Forderung 1. wird wohl von der speziellen Relativitätstheorie unter Hinzunahme der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, aber, wie wir gesehen haben, nicht von der allgemeinen erfüllt.
Der allgemeinen Theorie Einsteins liegen, wie wir gesehen haben, mehrere Postulate zugrunde.
Außer ihr sind aber noch andere möglich, ohne daß zwischen diesen verschiedenen Möglichkeiten die Entscheidung sich jetzt treffen läßt.
Was die Forderung 2. anlangt, so glaube ich, daß sie von beiden Relativitätstheorien erfüllt wird. Schon die Tatsache, daß sie sich durch das von den Mathematikern vollständig ausgebaute
Wilhelm Wien: Die Relativitätstheorie vom Standpunkte der Physik und Erkenntnislehre. Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1921, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WienRel.djvu/21&oldid=- (Version vom 1.8.2018)