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Seite:WienRel.djvu/18

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erst dann merklich, wenn es sich um die Schwerkraft sehr großer Massen wie der Sonne handelt.

Daher ist die Bedeutung der Theorie für die Physik beschränkt und die Zahl der möglichen Anwendungen wird immer eine verhältnismäßig kleine bleiben.

Andrerseits hat die allgemeine Relativitätstheorie einen großen Vorteil für die Grundlagen der theoretischen Physik, daß sie nämlich die schon lange bekannte Tatsache, daß schwere und träge Massen sich nicht unterscheiden lassen, als notwendiges Naturgesetz aufnimmt, während bisher diese Erfahrungstatsache in den Ausdruck der Naturgesetze nicht aufgenommen war.

Die allgemeine Form, die die Relativitätstheorie angenommen hat, ist eine rein mathematische. Der Ausdruck der Naturgesetze darf sich in bestimmten mathematischen Operationen nicht ändern.

Schon in der speziellen Relativitätstheorie wurde die Zeitformel als vierte Dimension des Raums eingeführt, noch dazu als imaginäre Größe. Für die Darstellung ist dann weitgehend von den Methoden der nichteuklidischen Geometrie Gebrauch gemacht worden.

Vom erkenntnistheoretischen Standpunkt aus ist diesen Darstellungsweisen zu viel Bedeutung beigelegt. Die Mystik der vierten Dimension hat gleich begonnen auch in der Betrachtung der Relativitätstheorie eine Rolle zu spielen während sie doch nichts anderes als ein bequemes mathematisches Ausdrucksmittel ist. Auch ist die Anwendung der nichteuklidischen Geometrie nur als eine mathematische Darstellungsweise zu betrachten. Die Mathematiker hatten seit Riemann gezeigt, daß Geometrien logisch denkbar sind, bei denen andere Gesetze gelten als in der gewöhnlichen Geometrie. Die Möglichkeit solcher Geometrien hatte sich ergeben, als man vergebens versuchte den Satz zu beweisen, daß die Winkelsumme in einem Dreieck gleich zwei Rechten ist. Wir haben das in der Schule gelernt, aber beweisbar ist es nicht. Dieser Satz ist deshalb unbeweisbar, weil man logisch Geometrien konstruieren kann, bei denen die Winkelsumme von zwei rechten Winkeln abweicht. Nachdem einmal die logische Möglichkeit der nichteuklidischen Geometrien erkannt war, konnte man auf diesem Wege weiter gehen.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Wien: Die Relativitätstheorie vom Standpunkte der Physik und Erkenntnislehre. Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1921, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WienRel.djvu/18&oldid=- (Version vom 1.8.2018)